Essen. Corona-Pandemie hat alle Pläne des Prinzenpaares auf Eis gelegt. Wie Essens Tollitäten Heike und Andreas Kaliga die Session im Lockdown erleben.
Ein paar Luftschlangen auf dem Tisch sind der einzige Hinweis darauf, dass der Karneval bei Heike und Andreas Kaliga eigentlich zu Hause ist. Doch gefeiert wird im Kupferdreher Wohnzimmer des Essener Prinzenpaares derzeit so wenig wie in in den Sälen der Republik.
Prinz Karneval kommt zumindest per DVD in die Seniorenheime
„Die Luftschlangen haben wir für unseren Videodreh gebraucht“, erklärt Andreas Kaliga. Der närrische Gruß aus der guten Stube geht in den nächsten Tagen in alle Essener Altenheime. Nach dem Corona-Impfteam darf Prinz Karneval zumindest einen virtuellen Besuch abstatten und den Senioren mit Musik und Gardetänzen ein bisschen Freude per zugesandter DVD bringen. Der Videodreh war bislang der einzige Termin der Session, an dem Assindia Heike I. das tiefblaue, samtene Prinzessinnenkleid aus dem Schrank holen musste.
Gäbe es kein Corona, dann hätte das Paar aus Kupferdreh momentan keine ruhige Minute: Prinzipiade, Närrisches Rathaus, Möhnensturm: Eine Woche vor dem Rosenmontag läuft der Jeckenmotor für gewöhnlich auf höchster Stufe. Die Kaligas wissen ja, wie das geht. In der Session 2019/20 waren die beiden schon einmal Essens amtierendes Prinzenpaar. Dass es noch ein Jahr Verlängerung wegen Corona geben würde, das war im vergangenen Februar noch nicht abzusehen. Während in einem Ort namens Heinsberg die wohl denkwürdigste Karnevalssitzung der Republik gefeiert wurde, standen auch Heike und Andreas Kaliga noch arglos auf der Bühne. Bützten, schunkelten und feierten, ohne zu ahnen, dass dieses ungezwungene Miteinander lange nicht mehr möglich sein würde. Heute sind die beiden heilfroh, dass damals alles so glimpflich ablief. „Man hat es wahrgenommen, aber noch nicht so ernst genommen“, sagt Andreas Kaliga rückblickend über die letzten unbekümmerten Tage vor Corona.
Wie ernst es dann werden würde, das konnten auch die amtierenden Tollitäten nicht absehen. Aber sie fühlten sich trotzdem schnell in der Pflicht, als sie im Mai gebeten wurden, noch ein zweites Amtsjahr dranzuhängen. „Da war schon jedem klar, dass es keine normale Session werden würde“, sagt Heike Kaliga rückblickend. Und ein neues Prinzenpaar für eine Session zu küren, deren Verlauf niemand absehen konnte – das wollte das Festkomitee Essener Karneval (FEK) nicht wagen. So sind die Kaligas nun Amts- und Würdenträger in der Dauerwarteschleife. Echte Auftritte hat es in dieser Session noch nicht gegeben. Auch im Sommer ist Essens Stadtprinzenpaar sonst auf Stadt- und Schützenfesten vertreten. Vielleicht bringt der kommende November vor der offiziellen „Wachablösung“ nun noch einige Termine.
Blutspendetermin statt Rosenmontagszug
Für den kommenden Rosenmontag haben sich die beiden trotzdem vorsorglich Urlaub gekommen. Die Kaligas sind auch in Coronazeiten sonst noch voll beschäftigt. Er als Mitarbeiter eines Garten- und Landschaftsbetriebs, sie beim Kita-Zweckverband. Doch statt am Rosenmontag beim großem Straßenkarneval mit zigtausend Menschen zu feiern, trifft man die Kaligas gemeinsam mit dem Kinderprinzenpaar Noah I. und Jilian-Alica I. am 15. Februar beim Blutspendetermin in der Grugahalle. DRK und FEK rühren für die Veranstaltung derzeit gemeinsam die Werbetrommel. Auch wenn so ein Pieks Prinz Andreas eigentlich gar nicht behagt. „Ist so ein Männerding“, lächelt Ehefrau Heike.
Als vertrautes Doppel haben sich die Eheleute in der vergangenen Session oft die Bälle zugespielt. Prinz Andreas, der erst spät zum Karneval gekommen ist und gleich im kometenhaften Aufstieg an die Spitze des närrischen Volkes rückte, hat ja anfangs durchaus ein bisschen gefremdelt mit der großen Bühne und dem Scheinwerferlicht. Aber gemeinsam sind sie richtig gut in die närrische Spur gekommen. „Wir sind nicht das Paar der großen Worte“, sagt der 51-Jährige, „aber wir haben das mit Menschlichkeit ausgeglichen.“
„Der Karneval stirbt nicht aus, er wird vielleicht nur ein bisschen anders“
Ein bisschen Routine würden sie jetzt mitbringen für die manchmal aufreibende Aufgabe. Rund 140 bis 160 Auftritte zählt so ein Stadtprinzenpaar pro Session, manchmal ein Dutzend an einem Wochenende. „60 Prozent davon sind sozialer Natur“, sagt Heike Kaliga. Die 48-Jährige erzählt von bewegenden Momenten in Essener Seniorenheimen. Die blinde Frau, die einfach nur mal ihr Kleid berühren wollte, hat sie beispielsweise zu Tränen gerührt. Karneval, das sei eben nicht nur Jux und Tollerei, sondern großes Vereins-Engagement, auch für Alte und Jugendliche. „Viele wissen gar nicht, was die Karnevalsvereine noch alles tun“, sagt Heike Kaliga. Schon deshalb müsse das Brauchtum überleben, auch wenn sich das ungezwungene Miteinander vielleicht nicht allzu schnell wieder einstellt. Ihr Mann Andreas ist ganz zuversichtlich: „Der Karneval stirbt nicht aus, er wird vielleicht nur ein bisschen anders.“
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