Essen. Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen in drei Fällen von mutmaßlicher Polizeigewalt und Widerstand. Nun gibt’s die erste Anklage.

Seit fast einem Jahr lasten Vorwürfe von angeblicher Polizeigewalt und Rassismus in gleich drei Fällen schwer auf der Essener Polizei. Die Behörde selbst reagierte mit öffentlichen Stellungnahmen und einer Vielzahl von Anzeigen unter anderem wegen mutmaßlichen Widerstands gegen Vollzugsbeamte. Alle staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind bis heute nicht abgeschlossen, weil es eine Vielzahl von Zeugen und Beschuldigten gibt, deren teils widersprüchliche Aussagen gegeneinander abgewogen werden wollen.

Nur in dem Fall einer dunkelhäutigen Familie, deren Mutter am 4. März auf der Innenstadt-Wache Anzeige erstatten wollte und rassistische wie körperliche Übergriffe beklagte, gibt es erste juristische Entscheidungen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den 25 Jahre alten Sohn der Frau aus Mülheim, die am 4. März am III. Hagen in der Essener Innenstadt erschien, um den Verlust ihrer Böse zu Protokoll zu geben, Anklage wegen Widerstands und Beleidigung erhoben. Dies berichtete Oberstaatsanwältin Anette Milk auf Anfrage dieser Redaktion.

Die Verfahren gegen die Polizisten sind allesamt offen

Die Ermittlungen gegen die Mutter des 25-Jährigen, die in den sozialen Netzwerken massive Misshandlungs-Vorwürfe gegen die Beamten erhoben hatte, seien hingegen wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Einem weiteren Sohn sei eine Tatbeteiligung an einem Widerstand ebenfalls nicht nachzuweisen, so Milk. Die Verfahren gegen die beschuldigten Polizisten seien nach wie vor allesamt offen.

Der Fall hatte sich rasant in den sozialen Netzwerken verbreitet und eine Welle der Empörung ausgelöst. Die mindestens genauso entsetzte Polizei Essen stemmte sich mit der Schilderung ihrer Sicht der Dinge fast schon verzweifelt gegen den Shitstorm und wies die Vorwürfe vehement zurück.

Die 50-Jährige indes schilderte, auf der Wache ausgelacht worden zu sein, als sie den Diebstahl anzeigen wollte. Außerdem sollen ihre Töchter gewaltsam angegangen worden sein. Ein Sohn, der später mit seinem Bruder dazustieß, behauptete, brutal geschlagen worden zu sein.

Der Mehrzweckstock kam laut Staatsanwaltschaft zum Einsatz

In der Anklage der Staatsanwaltschaft heißt es dazu durchaus, dass der sogenannte Mehrzweckstock gegen den jungen Mann eingesetzt werden musste. Der 25-Jährige habe auf der Wache randaliert, mit Fäusten gegen eine Glastür geschlagen und sie auch gegen Polizisten erhoben. Er habe eine Schlagbewegung in Richtung Gesicht eines Beamten ausgeführt, so Milk.

Nach wie vor nicht abschließend bewertet hat die Staatsanwaltschaft zwei weitere Fälle, die sich auf der Altenessener Wache und an der Zinkstraße in Bochold abspielten. Im Februar vergangenen Jahres hatte ein Türke mit libanesischen Wurzeln aus Altenessen ein Video auf Facebook gepostet, in dem er von der „grundlosen Gewalt und den rassistischen Beleidigungen“ berichtete, die ihm von Polizisten zugefügt worden seien.

Bis zum Abschluss der Verfahren dürfte es noch dauern

Die Polizei ihrerseits wies den Rassismusvorwurf zurück, verzichtete zunächst aber mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen der Polizei Bochum auf eine Schilderung dessen, was sich ihrer Ansicht nach bei der Ingewahrsamnahme des damals 25-Jährigen abgespielt hat.

Nach dem aus dem Ruder gelaufenen Einsatz Ende April 2020 bei einer Familie an der Zinkstraße in Essen-Bochold ermittelte die Polizei ebenfalls in den eigenen Reihen - wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt. Insgesamt sieben Mitglieder der deutschen Familie mit libanesischen Wurzeln werden allerdings auch des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte beschuldigt. Bis alle Beteiligten angehört und ihre Aussagen bewertet sind, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen.

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