Essen. Innenminister reagiert auf Grüne-Antrag “Schwerwiegende Vorwürfe gegen Polizeibeamte“. Ermittlungen laufen - wie in zwei weiteren Fällen auch.

Die Misshandlungsvorwürfe gegen gut ein Dutzend Polizeibeamte nach einem Einsatz wegen angeblicher Ruhestörung bei einer Familie an der Zinkstraße in Essen-Bochold haben am Donnerstag ein Nachspiel im Innenausschuss des NRW-Landtages. Doch viel Neues wird die Politik aus dem fünfseitigen Bericht des Innenministers als Antwort auf den Antrag "Schwerwiegende Vorwürfe gegen Polizeibeamte in Essen" der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht erfahren.

Denn die Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt laufen noch genauso, wie die Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen insgesamt sieben Mitglieder der deutschen Familie mit libanesischen Wurzeln nicht abgeschlossen sind. Zwei der Beschuldigten, so das Innenministerium, sind den Behörden bereits bekannt. Sie seien wegen Betrugs aufgefallen.

Es sind noch nicht alle Beteiligten vernommen worden

Noch ist nicht absehbar, wann die Akten zur strafrechtlichen Bewertung an die Staatsanwaltschaft Essen abgegeben werden können, sagte Frank Lemanis, Sprecher der Bochumer Polizei, die aktuell nicht nur in diesem Fall angeblicher Polizeigewalt in Essen die Ermittlungen aus Neutralitätsgründen übernommen hat: "Das kann durchaus einige Wochen dauern." Es seien bislang nicht alle Beteiligten vernommen worden.

Bis dahin steht weiterhin Aussage gegen Aussage im Raum: Im sozialen Netzwerk „lnstagram" hatte der 28 Jahre alte Sohn der Familie einen Tag nach dem Großeinsatz am 26. April gegen 0.20 Uhr ein Video verbreitet, in dem er stellvertretend für Vater, Mutter und Schwester erklärte, "Opfer von Polizeigewalt" geworden zu sein.

Das zehnminütige Video wurde von der Polizei gesichert

Die Wohnung an der Essener Zinkstraße sei von Polizisten gestürmt worden, schilderte der 23-Jährige den Ablauf. Zuvor habe er den Beamten den Zugang verweigert und nach einem Durchsuchungsbeschluss gefragt. Dann seien er, sein Vater (50), seine schwangere Frau, seine Schwester (16) und Mutter geschubst, getreten und mit Schlagstöcken traktiert worden, obwohl sie teils schon gefesselt am Boden lagen.

In dem zehnminütigen Video, das von der Polizei gesichert wurde, zeigt der Essener Blessuren, die bei dem Polizeieinsatz entstanden sein sollen. Die dabei mutmaßlich erlittenen Verletzungen sind auf Untersuchungsbögen des St.-Vincenz-Krankenhauses dokumentiert. Die Ärzte der Unfallchirurgie diagnostizierten Blutergüsse, Arm-, Schulter- und Rückenprellungen, Verstauchungen sowie einen Knochenbruch.

Etwa 50 Personen sollen sich auf der Straße versammelt haben

Die zwei angegriffenen Beamten haben nach Darstellung der Essen Polizeiführung "leichte Verletzungen im Gesichts- und Armbereich sowie Schürfwunden erlitten", die ebenfalls ambulant behandelt wurden. Gewalt gegen die beiden Polizisten, die als erste vor Ort waren und sich nicht nur mit dem angeblichen Widerstand, sondern auch 50 Personen, die sich auf der Straße versammelten, konfrontiert sahen, erwähnte der 23-Jährige mit keinem Wort.

Die Essener Polizei bleibt bei ihrer Darstellung: Zur Feststellung der Identität der beiden Beschuldigten und weiterer Tatverdächtiger sei das Wohnhaus Zinkstraße Nr. 13 nach dem Eintreffen von Unterstützungskräften erneut betreten worden. Die beiden Beschuldigten seien unter dem Einsatz unmittelbaren Zwangs in Gewahrsam genommen und anschließend der Polizeiwache Altenessen zugeführt worden. Dort hätten beide Beschuldigte über Schmerzen geklagt, woraufhin ein Vertragsarzt die Gewahrsamsfähigkeit der Beschuldigten
attestiert habe, heißt es in dem Bericht des Innenministeriums.

Die Ermittlungen in zwei weiteren Fällen sind ebenfalls nicht abgeschlossen

Die Ermittlungen der Bochumer Polizei in zwei weiteren Fällen angeblicher Polizeigewalt in Essen sind ebenfalls noch nicht abgeschlossen, sagt Frank Lemanis. Anfang März sollen Beamte eine dunkelhäutige Familie, die wegen eines gestohlenen Portemonnaies Anzeige erstatten wollte, auf der Wache rassistisch verhöhnt und verprügelt haben. Die Behörde zeigte sich entsetzt über die erhobenen Vorwürfe und wies sie genau so zurück wie die nach einem angeblichen Übergriff auf einen Türken mit libanesischen Wurzeln. Der hatte in einem Video auf Facebook die „grundlose Gewalt und die rassistischen Beleidigungen“ angeprangert, die er in Gewahrsam von Essener Polizisten erlitten habe.