Essen. Eine „Currywurst-Razzia“ der Polizei in einem Lokal im Süden Essens sorgt für Diskussionen. War der Einsatz unverhältnismäßig, wie manche meinen?
Ein recht üppiger Corona-Einsatz von Beamten einer Recklinghauser Einsatzhundertschaft beim Essener Promi-Wirt „Purzel“ hat sein Fett längst weg: Als „Currywurst-Razzia“ bezeichnen Spötter das, was sich am Wochenende auf dem Gelände der Gastronomie nahe des Heissi-Walds abgespielt hat und auch nach Tagen noch so manche Gemüter erregt.
In sozialen Netzwerken und Zuschriften an die Redaktion haben Beobachter die sonntägliche Kontroll-Aktion mit Unverständnis quittiert, darunter auch der Rennfahrer Altfrid Heger, der als Spaziergänger mit Hund Augenzeuge des „unverhältnismäßigen Angriffs der NRW-Polizei auf unsere Prominentenwirtschaft“ wurde, wie der Essener auf Facebook schreibt.
Anwesende mussten sich im Kreis aufstellen
Von einem Verhalten „wie bei einem Überfall“ spricht Detlef „Purzel“ Przybyla, der das Lokal mit Blick auf den Baldeneysee führt, in der Rückschau. Während der Wirt und seine Mitarbeiter Currywurst zum Mitnehmen an einem Stand verkauften, rauschten plötzlich vier Mannschaftswagen der Staatsmacht heran. Beamte seien ins Lokal bis in die Küche gestürmt - „so schnell war noch keiner meiner Kellner“ -, das Grundstück wurde umstellt, die Anwesenden „mussten sich im Kreis aufstellen, um sich belehren zu lassen“. Angeblich hätten sie Speisen und Getränke innerhalb der 50-Meter-Sperrzone zu sich genommen und damit gegen die Coronaschutzverordnung verstoßen, ließ sie der Einsatzleiter wissen.
Dem widerspricht nicht nur der Mann, den alle „Purzel“ nennen, sondern auch andere Zeugen, die das Geschehen beobachtet haben wollen. Niemand habe zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei Speisen verzehrt. „Vielleicht hatten zwei Kaffeebecher in der Hand.“ Das will Przybyla nicht ausschließen.
Dem Wirt wurde eine Strafe von 5000 Euro angekündigt
Dennoch: Den Anwesenden sei ein Bußgeld von jeweils 250 Euro angedroht worden, ihm selbst wurde mitgeteilt, dass er wohl mit 5000 Euro Strafe rechnen müsse, sagt Przybyla, auch wenn Zeugen in Schreiben an die Redaktion berichten, dass sein Team stets lautstark mitgeteilt habe, beim Verzehr bitte die Sperrzone zu beachten. „Zahlen sollen aber auch Fußgänger, die aus dem Wald kamen, die hatten noch gar nichts bestellt“, wundert sich der Wirt.
Tatsächlich habe der Einsatz der Beamten letztlich mehr schaulustige Sonntagsspaziergänger angelockt, als sich Menschen auf seinem Grundstück aufhielten, ist Przybyla überzeugt. Und dadurch, dass sich seine Wurst-to-go-Gäste unter polizeilicher Regie im Kreis aufstellen mussten, hätten sie enger beieinander gestanden als vor dem Einsatz - darunter auch einige ältere Damen jenseits der 80. Der Einsatzleiter habe das damit begründet, dass er keine Lust habe, mehrfach erzählen zu müssen, gegen welche Vorschriften im Einzelnen verstoßen worden sei.
23 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet
Aus Sicht der Behörde jedenfalls gegen einige: Laut Polizeisprecher Christoph Wickhorst seien 23 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Dazu komme eine Anzeige wegen Beleidigung. Dass der Einsatz unverhältnismäßig gewesen sein soll, kann Wickhorst nicht nachvollziehen. „Wir haben einen anonymen Hinweis bekommen, dass sich auf dem Gelände viele Personen aufhalten sollten. Und dann schicken wir grundsätzlich auch viele Kräfte“ - wie eben die Einsatzhundertschaft, die an diesem Wochenende auch zwecks Coronakontrollen in Essen ihren Dienst versah.
Für die Polizei ist die Sache bis auf die Strafanzeige inzwischen erledigt. Wie die Stadt Essen mit den Bußgeldverfahren umgeht, ist offen. Bislang hat noch niemand im Ordnungsamt einen Blick darauf werfen können, sagte Stadtsprecherin Jasmin Trilling auf Nachfrage.
„Purzel“, dem am Sonntag bedeutet wurde, nach dem Polizeieinsatz „Feierabend zu machen“, nimmt den Vorfall inzwischen mit Humor, auch wenn er „erst ein bisschen sauer drauf“ war: „Am Ende waren die Beamten ja auch ganz nett.“ Er habe ihnen auch eine Currywurst angeboten, doch sie hätten dankend abgelehnt. Das Angebot dürfe man im Dienst nicht annehmen. Selbst ohne Corona nicht.