Essen. Ein Essener Ehepaar pflegt die Mutter der Frau zuhause. Gerade im Homeoffice bedeutet das Stress. Auch zum Thema Impfung haben sie eine Meinung.
Britta Lenzen-Garrido und ihr Mann Enrique Garrido pflegen die schwer demenzkranke Mutter der 54-Jährigen in ihrer Wohnung in Essen. Neben Homeoffice-Stress, Haushalt und der ohnehin schwierigen Corona-Situation sind sie Tag und Nacht für die 88-jährige Margrit Lenzen da.
„Ich bin ganz oft am Limit“, sagt die 54-Jährige. Zwischen Videokonferenzen, Kochen und Einkaufen haben sie und ihr Mann immer ein Auge auf ihre Mutter. Seit drei Jahren wohnt die bald 89 Jahre alte Frau in der 100-Quadratmeter-Wohnung zusammen mit dem Ehepaar. Eingezogen war sie damals in das Zimmer ihrer Enkelin. Die nun 27-jährige Nina-Sophia Garrido zog damals aus. „Meine Mutter hat so gesehen mit meiner Tochter getauscht“, sagt Britta Lenzen-Garrido heute. Früher lebte sie in Bredeney, in einer Wohnung in der zweiten Etage.
Pflegende Angehörige werden nicht priorisiert geimpft
Neben dem stressigen Alltag treibt Britta Lenzen-Garrido im Moment das Thema Impfen um. Sofort nachdem die Leitungen unter Tel. 116117 für die Terminvereinbarung am Montag, 25. Januar, geöffnet waren, versuchte sie ihr Glück. Immerhin: „Nach drei Stunden hatten wir einen Termin für meine Mutter.“ Bei dem Vergabe-Chaos der Impftermine in NRW keine Selbstverständlichkeit. Bald wird Margrit Lenzen also gegen das Virus geimpft sein.
Was Britta Lenzen-Garrido und Enrique Garrido aber überhaupt nicht nachvollziehen können: Warum bekommen nicht auch sie – als pflegende Angehörige – eine schnelle Impfung in Aussicht gestellt? Diese Frage hatte kürzlich auch Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel aufgeworfen und einen Brief an die Bundes- und Landesgesundheitsminister Jens Spahn und Karl-Josef Laumann geschrieben. Seine Forderung: eine höhere Priorisierung im Rahmen der Impfverordnung.
In dem Schreiben heißt es: „Viele Pflegebedürftige werden im eigenen Zuhause von Angehörigen – sehr häufig vom eigenen Ehepartner versorgt. Da diese aber zu keiner der oben genannten Gruppen gehören, müssen sie zum Teil noch sehr lange warten, bis ihnen nach den aktuellen Vorgaben eine Impfung zusteht, inhaltlich unterscheidet sich ihre Arbeit aber nicht von der, der ambulanten Pflegekräfte.“ Auch Britta Lenzen-Garrido und ihr Mann Enrique Garrido müssen warten.
Britta Lenzen Garrido kommt nicht zur Ruhe
Eine große Entlastung, trotz allem, ist die Tatsache, dass sie die Mutter nicht an jedem Tag 24 Stunden betreuen müssen. „Sie ist mittlerweile dreimal in der Woche in der Tagespflege“, so Lenzen-Garrido. „Seit Oktober.“ Dann werde ihre Mutter zwischen 7.15 und 7.45 Uhr abgeholt, am Nachmittag sei sie dann gegen 15.30 Uhr zurück. „An diesen Tagen mache ich dann alles, was man sonst nicht geschafft hat.“
Trotz der Entlastung durch Tagespflege und die Unterstützung durch eine gute Freundin hat Britta Lenzen Garrido aber das Gefühl, nicht mehr zur Ruhe kommen zu können. Sie selbst arbeitet Teilzeit in einer kleinen Firma, die IT-Schulungen organisiert. Als Sekretärin plane sie viel und mache die Buchhaltung. Schon vor der Pandemie arbeitete sie viel von zuhause aus – zumindest an der Stelle ist die Umgewöhnung für die 54-Jährige nicht zu groß.
Neu ist aber für sie seit Corona, dass auch ihr Mann den Dienstlaptop am Esstisch aufklappt. „Ich bin im Homeoffice seit April letzten Jahres“, so Garrido. Der Maschinenbauingenieur arbeitet im technischen Verkauf bei Thyssenkrupp – seit fast einem Jahr mit Videokonferenzen vom Esszimmertisch aus.
Demenz der Mutter bei Einzug noch nicht so weit fortgeschritten
Als Margrit Lenzen vor drei Jahren zu ihrer Tochter zog, war die Demenz noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Mittlerweile benötigt die 88-Jährige auch bei den vermeintlich einfachsten Dingen Hilfe. „Beim Essen zum Beispiel“, sagt Enrique Garrido, frage die Mutter seiner Frau zwischen Videokonferenzen und PC-Arbeit. „Wie soll ich das essen? Erst die Bohnen oder erst die Kartoffeln?“ Seine Frau ergänzt: „Muss ich viel trinken? Muss ich das alles essen?“
Trotz der Schwierigkeiten steht nicht zur Debatte, dass Margrit Lenzen in eine Senioreneinrichtung ziehen soll. „Hier kennt sie sich aus, hier ist es vertraut. In ihrem Zimmer steht die Einrichtung aus ihrer alten Wohnung“, sagt Britta Lenzen-Garrido. „Sie liebt Udo Jürgens“, erzählt die 54-Jährige. „oft puzzelt sie auch. Und wenn sie den Bergdoktor schaut ist sie ganz bei sich.“ Und: „Meine Mutter ist meine Mutter!“
- Alle Infos zur Corona-Lage in Essen, finden Sie in unserem Newsblog.
- Weitere Nachrichten aus Essen lesen Sie hier.