Essen. Cindy und Alex haben in der TV-Sendung “Hochzeit auf den ersten Blick“ geheiratet. Zum allerersten Mal sind sie sich auf dem Standesamt begegnet.
Verliebt, verlobt, verheiratet - in diesem klassischen Dreiklang finden die meisten Paare zusammen. Dass es auch völlig andersherum funktionieren kann - zuerst das Ja-Wort und sich dann verlieben - zeigen Cindy und Alex Holland. Das Essener Ehepaar hat in der Sat.1-Sendung "Hochzeit auf den ersten Blick" den Bund fürs Leben geschlossen. Ein ziemlich mutiger Schritt: Denn die beiden waren sich vorher noch nie begegnet.
Die erste herzliche Umarmung, der erste schüchterne Kuss, der erste tiefe Blick in die Augen des anderen - das alles passierte vor laufenden Fernsehkameras und in Gegenwart der Standesbeamtin am 8. Juli 2019. Gut anderthalb Jahre sind seit diesem einschneidenden Erlebnis vergangen - und siehe da: Das Ehe-Experiment, auf das sich zwei völlig fremde Menschen eingelassen haben, ist geglückt. Nur 300 Meter vom Baldeneysee entfernt, im ruhigen Heisingen, hat das Paar vor wenigen Monaten die gemeinsame Eigentumswohnung bezogen.
Sat1 nennt das beliebte Hochzeitsformat "Deutschlands größtes Sozialexperiment"
"Das ist wie im Urlaub hier", sagt sie, und er fügt hinzu: "Wir sind voller Pläne." Der dezente Hinweis, dass im trauten Heim genug Platz sei für ein Kinderzimmer und der Spielplatz nicht weit, ist vielsagend genug.
"Deutschlands größtes Sozialexperiment" nennt der Privatsender sein beliebtes Hochzeitsformat. Doch warum lassen sich Menschen auf so etwas ein? Was hat speziell Alex und Cindy in die Sendung gezogen? Sie hatte alle vorherigen fünf Staffeln gesehen und gesteht: "Nach der ersten dachte ich noch, die Teilnehmer müssen irre sein."
Wie die meisten Protagonisten in diesem Format haben auch Cindy und Alex gescheiterte Beziehungen hinter sich. Bei ihm sind es fünf erfolglose Anläufe, bei ihr hielt die längste Beziehung fünf Jahre. Ihren letzten Partner habe sie geliebt, erzählt sie, "aber er hat mich mit einer anderen betrogen". Alex sucht die Fehler nach dem fünften erfolglosen Anlauf nicht mehr nur bei den Frauen: "Ich will es besser machen."
Aus Wissenschaft wird Liebe: Cindy und Alex legen ihr Schicksal in die Hände von Experten
Wie findet man heutzutage den richtigen Partner fürs Leben - den Traummann oder die Traumfrau? Bei den wenigsten ist es die Sandkastenliebe - immer mehr gehen mit der Zeit und probieren es in trendigen Dating-Portalen und Chaträumen, in sozialen Netzwerken oder mit Hilfe von Messenger-Diensten. Doch in der Welt von Partnerschaft 2.0 herrscht oft mehr Schein als Sein - es ist nicht alles Gold, was um die Eheringe herum glänzt. Eine schnelllebige Welt, oft unverbindlich und oberflächlich, mit Beziehungen, die stürmisch beginnen und krachend enden.
Kritiker mögen das TV-Hochzeitsformat als kitschig-romantisch abtun, doch das ist es nicht. Wer den Ausleseprozess aus Tausenden Bewerbern übersteht und in die Sendung darf, muss zuvor sein Seelenleben von drei Experten gründlich durchleuchten lassen: einer Paar- und Sexualtherapeutin, einer Psychotherapeutin und einem so genannten "Matching-Experten". Genau das ist es, was auch Cindy überzeugt: "Nach den gescheiterten Beziehungen habe ich mir gesagt: Jetzt legst du dein Schicksal in die Hände von Fachleuten." Genau das ist das Leitmotiv der Sendung: "Aus Wissenschaft wird Liebe."
Zwischen Bewerbung und Ja-Wort vergehen rund neun Monate. Es müssen Fragebögen ausgefüllt und Intelligenztests absolviert werden, dann folgen Workshops und Interviews. Die Paarspezialisten stellen die Kandidaten auf den Kopf, prüfen ihr Beuteschema, zeichnen Profile und wissen am Ende ziemlich genau, wer einen ruhigeren, einen eher lebhaften oder gar einen dominanteren Partner an seiner oder ihrer Seite braucht.
Experten finden Alex "sehr strukturiert" und Cindy "unheimlich sexy"
Alex, dem Vertriebsmanager aus Werden, einem "Ruhrpottkind durch und durch" geben sie gute Noten. "Leistungsorientiert" und "sehr strukturiert" sei er, einer, der mit beiden Beinen im Leben stehe. Auch Cindy bescheinigen sie lauter Positives - ihre "ausgleichende Art", das Durchsetzungsvermögen, das Extrovertierte, ihre Offenheit für Neues. Und auch in punkto Optik trumpft die junge Berlinerin, die zwölf Jahre als Soldatin bei der Marine diente und zuletzt den Rang eines Kapitänleutnants bekleidete. Mit ihren blonden Locken und den großen dunklen Augen ist sie in den Augen der Experten nicht nur "unheimlich sexy", sondern auf charmante Weise ein "kleiner Teufel mit Engelsgesicht". Die Paar-Spezialisten zögern nicht lange: Cindy und Alex sind "gematched" - sie gehören zusammen.
Über die spannende Bewerbungsphase voller Hoffen und Bangen können die beiden heute stundenlang erzählen. Sie sitzen im Wohnzimmer am großen alten Esstisch eng beieinander und halten ihre Hände, manchmal fallen sie sich gegenseitig ins Wort und lachen. Dass Alex mit 45 älter ist als Cindy (32), fällt kaum auf.
Alex: "Als ich Cindy das erste Mal sah, dachte ich: Wow, eine tolle Frau"
Bevor sie in sechs Folgen bis Weihnachten 2019 ein Millionenpublikum an ihrer Romanze mitfiebern lassen, weihen sie die Eltern ein. Alex erzählt es seiner Mutter und einem Freund, aber Cindy deckt ihre Karten bei den Eltern erst auf, als fest steht, dass sie ganz sicher dabei ist. In einer Kolumne der Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt sie rückblickend: "Ich wollte nicht, dass sich meine Eltern Sorgen machen, aber sie haben total cool reagiert."
Herz-und-Schmerz-Formate wie "Hochzeit auf den ersten Blick" leben vom Drama und vom Mut der Brautleute, Privates öffentlich zu machen. Sie leben natürlich auch von opulenten Bildern mit viel Tüll und feinster Spitze, von kullernden Tränen und feuchten Augen, von Augenblicken voller Aufregung und tiefster Rührung. Erst vor der Standesbeamtin begegnen sich Braut und Bräutigam zum ersten Mal. "Als ich sie sah, dachte ich: eine tolle Frau", lacht Alex. Es habe einen Moment gedauert, eher er kapiert habe: "Wow, das ist meine Frau." Und Cindy sagt: "Wir beide fanden uns toll." Der Funke sei sofort übergesprungen. Ihr erster Gedanke damals: "Der sieht gut aus."
Das Ritual ihrer Ehe: Jeden Morgen stecken sie sich die Ringe wieder an
Und wie läuft der Ehealltag fernab von Kameras und gleißendem Scheinwerferlicht? Guten Freunden komme es so vor, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. "Ich backe gerne", sagt Cindy, die inzwischen Psychologie studiert und in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeitet. Jeder finde Zeit für sich, aber von Beginn an geblieben seien die Rituale. "Wir nehmen uns abends die Trauringe ab und stecken sie uns morgens wieder an", erzählt Alex.
Die beiden sind mit sich im Reinen, bereuen gar nichts. Mut und Portion Verrücktheit habe dazu gehört. "Wir haben gezockt, alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen."
>>>> Infobox:
Die sechste Staffel von "Hochzeit auf den ersten Blick" kann beim Streaminganbieter "Joyn" von Sat.1 und Pro7 gesehen werden.
Sat.1 hat die erste Folge dieser Staffel am 27. Oktober 2019 ausgestrahlt. 2,14 Millionen Zuschauer saßen vor den Bildschirmen.
Bettina Böttger erhielt den Deutschen Fernsehpreis 2020 in der Kategorie Bester Schnitt Unterhaltung für "Hochzeit auf den ersten Blick".