Düsseldorf. In einem Chat von Kegelbrüdern aus dem Polizeipräsidium Essen/Mülheim sollen strafrechtlich relevante Bildern und Videos verschickt worden sein.

Kunta Kinte. Als Herbert Reul den Namen der Chatgruppe von Kegelbrüdern aus dem Polizeipräsidium Essen/Mülheim hörte, war er bereits bedient. „Er hat nämlich nicht etwa Bezug zum Kegelsport, sondern lässt auf rassistisches Gedankengut schließen“, so der NRW-Innenminister. Reul gehört als 68-Jähriger zu jener Generation, die sich noch an die US-Serie der 70er Jahre namens „Roots“ mit dem schwarzafrikanischen Sklaven Kunta Kinte erinnern kann.

Kegelbrüder nannten sich „Kunta Kinte“

In der Gruppe muss es seit 2015 hoch her gegangen sein. Am Dienstagmorgen durchsuchten 160 Beamte die Privatwohnungen von 15 Kollegen in Essen, Mülheim und Velbert. Sie sollen sich per WhatsApp eine Vielzahl von strafrechtlich relevanten Bildern, Texten und Videos hin und hergeschickt haben. Die Bandbreite reiche „von dummem Zeug bis zu menschenverachtenden und rassistischen Inhalten“, sagte Reul. Zehn Chat-Teilnehmer wurden suspendiert.

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Auslöser für die Razzia vom Dienstag waren jene Chat-Ermittlungen im Polizeipräsidium Essen/Mülheim, die erstmals im September als „Schande für die NRW-Polizei“ von Reul öffentlich gemacht wurden. Damals waren durch einen Zufallsfund bei anderweitigen internen Ermittlungen die ersten rechtsextremen WhatsApp-Gruppen einer gesamten Mülheimer Dienstgruppe aufgefallen. Es gab damals 31 Suspendierungen, von denen neun rechtlich nicht haltbar waren.

In den sichergestellten Handys fanden sich Hinweise auf die jetzt enttarnten Kegelbrüder von „Kunta Kinte“. Von ihnen versahen acht ebenfalls in Mülheim Dienst. Da Reul in den vergangenen Wochen vereinzelt vorgeworfen wurde, er schieße bei seiner Aufräumaktion mit Kanonen auf Spatzen und sanktioniere überhart schlechte Kollegen-Scherze, machte er nach den neuesten Funden das ganze Ausmaß des Abgrunds öffentlich.

Hakenkreuz aus Bierbänken

Der Minister beschrieb Handy-Fotos, die den Blick durch ein Zielfernrohr auf einen Menschen vermutlich arabischer Herkunft zeigen. „Der Text dazu heißt: Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“, erklärt Reul. Videos zum Terroranschlag auf Moscheen in Christchurch seien mit dem Kommentar bedacht worden: „Zu viele Fehlschüsse.“ Unter dem Bild eines Maschinengewehrs fand sich die Unterschrift in altdeutscher Schrift: „Wir senden auch auf Türkisch und Arabisch. Radio Germania 90,3. Geht ins Ohr, bleibt im Kopf.“

Bierbänke, zu Hakenkreuzen zusammengestellt. „Hitler-Bilder noch und nöcher“, so Reul. Gruppenbild mit Hakenkreuz beim Kegelabend: „Selbst beim Kegeln geht diesen Kegelbrüdern das Nazi-Symbol nicht aus dem Kopf“, stöhnt der Minister. Ganz normale aktive und ehemalige Streifenbeamte sollen so ticken, Jahrgang 1951 und jünger.

Mancher im Polizei-Apparat fürchtet, dass die Verfehlungen Einzelner die gesamte Organisation mit 50.000 Beamten in Misskredit bringen. In den vergangenen drei Jahren sind landesweit 191 rechtsextreme Verdachtsfälle aktenkundig geworden, die nicht alle die Schwelle von Strafverfahren, Disziplinarmaßnahmen oder Suspendierungen überschritten. Die weitere Chat-Gruppe in Mülheim bestärkt Reul darin, mit maximaler Härte vorzugehen: „Ich weiß nicht, ob das alles bei Gericht nachher hält. Aber es ist mir auch egal. Es geht nicht. Punkt.“

Innenminister nimmt Polizeipräsidenten in Schutz

Ob die am Dienstag beschlagnahmten weiteren Handys neue Anhaltspunkte bringen, ist eher fraglich. Spätestens seit September dürfte jeder Polizist in NRW wissen, dass rechtsextreme Inhalte auf dem Privathandy den Job kosten können und sie vorsorglich löschen.

Warum ausgerechnet das Polizeipräsidium Essen/Mülheim Hotspot rechtsextremer Gesinnung sein soll, kann sich in der Spitze des Innenministeriums niemand erklären. Von Führungsversagen will Reul jedenfalls nicht sprechen: „Im gesamten Polizeipräsidium Essen kann keiner in die Privathandys reingucken.“ Polizeipräsident Frank Richter nahm er ausdrücklich in Schutz: „Der macht seine Arbeit ordentlich. Diesen ersten Reflex, immer nur über Köpfe zu reden, kann ich nicht mehr ertragen.“