Essen. Die Tage des ehemaligen Ledigenwohnheimes von 1910 am Weberplatz sind gezählt. Der Allbau denkt bereits über einen Neubau hinaus.
Das ehemalige "Haus der Begegnung" am Weberplatz zählt zu den historischen Gebäuden in der Innenstadt, welche die Bombenangriffe der Alliierten während des Zweiten Weltkrieges halbwegs überstanden haben. Nun sind die Tage des 1910 als Ledigenwohnheim errichteten Hauses gezählt. Denn auch das Amt für Denkmalpflege im Rheinland hat einem Abriss zugestimmt.
Die Entscheidung sei auf Grundlage eines umfassenden statischen Gutachtens gefallen, teilte die beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) angesiedelte Denkmalbehörde auf Anfrage mit. Begründung: Bei einer Sanierung des Gebäudes würden rund zwei Drittel der historischen Bausubstanz verloren gehen. Das Gebäude wäre dann aber kein Denkmal mehr.
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Die für Essen zuständige Referentin für Denkmalpflege bedauere den Verlust des platzprägenden Gebäudes im Essener Stadtkern, so eine Sprecherin des LVR-Fachamtes. Denkmäler seien wichtige Zeugnisse der Vergangenheit. Auch wenn die ursprüngliche Substanz wie beim "Haus der Begegnung" nicht mehr in Gänze vorhanden ist. Das Dach hatte den Bombenkrieg nicht überstanden.
Denkmäler angemessen zu erhalten sei die Aufgabe der Denkmalpflege. Wenn eines verloren geht, "ist das immer ein Verlust für die Denkmalpflege, vor allem aber auch für die Menschen vor Ort, die ein Stück ihrer Geschichte verlieren", so das LVR-Amt.
Nur ein Gegengutachten könnte zu einer anderen Bewertung der Denkmalbehörde führen
Aus denkmalpflegerischer Sicht gebe es aber leider keine Möglichkeit, der Entscheidung zum Abriss des städtischen Gebäudes zu widersprechen. Nur ein statisches Gegengutachten, das zu einer anderen Auffassung kommt, könnte zu einer anderen Bewertung seitens der Denkmalpflege führen, heißt es weiter. Aber ein solches Gutachten ist nicht in Sicht.
Die gravierenden statischen Probleme des seit 1987 unter Denkmalschutz stehenden einstigen Ledigenwohnheims sind bereits seit vielen Jahren bekannt. Zuletzt trug sich der Allbau, der das Gebäude von der Stadt erwerben will, mit dem Gedanken einer Sanierung. Die historische Fassade mit ihren Arkaden sollte weitgehend erhalten bleiben. Eine Investition auf geschätzte fünf bis sechs Millionen Euro erschien dem Wohnungsunternehmen jedoch als unwirtschaftlich, so dass es einen Antrag auf Abriss stellte.
Für nachfolgende Generationen soll eine Dokumentation über das Gebäude erstellt werden
Nachdem die Untere Denkmalbehörde der Stadt Essen bereits ihre Zustimmung gegeben hatte, schloss sich die Denkmalbehörde des LVR dieser Entscheidung jetzt an. Unter der Bedingung, dass eine ausführliche Dokumentation über das Gebäude erstellt wird, so dass sich nachfolgende Generationen zumindest ein Bild davon machen können, wie es am Weberplatz im Schatten der restaurierten Evangelischen Kreuzeskirche einmal ausgesehen hat.
Sobald diese Dokumentation vorliegt, steht einem Abriss nichts mehr im Wege. Der Allbau verhandelt mit der Stadt bereits über ein Kauf des Gebäudes. Was an seiner Stelle am Weberplatz entstehen soll, dazu hält sich Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski weiterhin bedeckt. Vorplanungen seien in zwei Monaten abgeschlossen. Dann will die Wohnungsgesellschaft ihre Pläne zunächst der städtischen Baubehörde vorstellen. Auch die Aufsichtsgremien müssten noch zustimmen.
Eine bessere Anbindung des Universitätsviertels gilt städtebaulich als wünschenswert
Offenbar denken sie beim Allbau aber bereits größer. "Mit Abriss und Neubau ist es nicht getan", betont Miklikowski und ergänzt: "Da wollen wir mehr tun." Dem Unternehmen gehört zwischen Weberplatz und Kastanienallee ein größerer Wohnungsbestand. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass auch dieser zumindest teilweise weichen könnte.
Städtebaulich gilt seit langem eine bessere Anbindung des Universitätsviertels an die nördliche Innenstadt als wünschenswert. Gut möglich, dass sich bei der Gestaltung des Weberplatzes auch in diese Richtung etwas tut.
Info: Als Ledigenwohnheim diente das später "Haus der Begegnung" genannte Gebäude ursprünglich als Wohnstätte für unverheiratete Männer mit geringem Einkommen, die keine andere Unterkunft fanden. Lange Jahre war es Sitz der Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen. Zuletzt genutzt wurde es 2017 für Veranstaltung im Rahmen der Grünen Hauptstadt Europas.