Essen. Unfallchirurgen begrüßen das Verkaufsverbot für Böller. Prof. Marcel Dudda von der Uniklinik Essen berichtet über Silvester in der Notaufnahme.

Alkohol, Feuerwerk und Feierlaune – diese explosive Mischung sorgt zu Silvester für teils schwere Unfälle und Hochbetrieb in den Notaufnahmen. Die durch die Corona-Pandemie stark belasteten Krankenhäuser sind daher dankbar für das erneute Verkaufsverbot für Böller zur Jahreswende. Es gebe Feuerwerksunfälle, die das Opfer lebenslang zeichnen und auch erfahrenen Unfallchirurgen im Gedächtnis bleiben, sagt Prof. Dr. Marcel Dudda (48) vom Uniklinikum Essen.

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Dudda leitet an dem Essener Haus die Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie; gleichzeitig ist er ärztlicher Direktor des BG Unfallklinikums Duisburg, das Patienten von der „Rettung bis zur Reha“ versorgt. Schnitte, Stürze, Quetschungen, Verbrennungen sind für ihn Tagesgeschäft.

"Das war eher Bombe als Böller"

Trotzdem erinnert er sich an den Jahreswechsel 2018/19, als zwei Essener (31, 33) auf einem Schulhof in der Innenstadt mit selbstgebauten Sprengmitteln hantierten. Und sich lebensgefährlich verletzten, als der Eigenbau kurz nach Mitternacht in die Luft flog. Die jungen Männer konnten im Essener Uniklinikum gerettet werden, überlebten mit Folgeschäden. „Die beiden hatten schwerste Kopfverletzungen. Was sie da gebaut hatten, war eher Bombe als Böller. Da musste sogar der Kampfmittelräumdienst anrücken, um das zu entschärfen.“

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Er und seine Kollegen warnten daher grundsätzlich davor, nicht zertifizierte Böller zu kaufen oder welche zu basteln. Wer angesichts des aktuellen Verkaufsverbots über solche Alternativen nachdenken sollte, den mahnt Dudda: „Illegale und selbstgebaute Feuerwerkskörper sind völlig unberechenbar.“ Vier Jahre ist es her, dass in NRW ein erst 22-Jähriger starb, weil ein Feuerwerkskörper offenbar zu früh explodierte.

Todesfälle und schwerste Verletzungen seien glücklicherweise selten. „Dass jemand Gliedmaßen verliert, sehen wir nicht jedes Jahr.“ Ohnehin weist Dudda die Annahme zurück, dass es in der Notaufnahme in der Silvesternacht wie im Katastrophenfilm zugehe. Man müsse schon mal 20 Patienten behandeln, am Duisburger Standort vielleicht auch mehr, aber es kämen „keine Patientenmassen“; und es habe auch nicht jeder Zweite eine Böllerverletzung.

Alkohol überdeckt den Schmerz und befeuert den Leichtsinn

Natürlich bekommen Dudda und seine Kollegen in dieser letzten Nacht des Jahres Schnitt- und Brandwunden zu Gesicht, doch frequentierter sei die Notaufnahme am Neujahrstag. Da werden Kinder eingeliefert, die vermeintlich abgebrannte Böller aufgehoben haben. Oder es kommen diejenigen, die ins Neue Jahr gestolpert sind, sich Prellungen und Brüche zugezogen haben. „Wenn jemand sehr viel getrunken hat, spürt er den Schmerz erst nicht, bemerkt nicht, wie schwer er sich bei einem Sturz verletzt hat.“

Mit steigenden Promillewerten gerate leider auch ein vorsichtiger Umgang mit Feuerwerkskörpern immer mehr aus dem Blick: „Dass manche Leute die Raketen aus der Hand steigen lassen, ist purer Wahnsinn", sagt Dudda. Andere achteten nicht auf ausreichenden Sicherheitsabstand, und so träfen Querschläger die Köpfe oder Hände von Umstehenden.

"Es ist auch unvernünftig, mit 300 Stundenkilometern über die Autobahn zu brettern"

Marcel Dudda kann sich ein schönes Feuerwerk ansehen, selbst geböllert hat er noch nie; schon als Jugendlicher habe ihm das keine Freude gemacht. Ärgert er sich nicht manchmal auch über den Leichtsinn eines Patienten, der sich selbst die Hand weggesprengt hat? Das sei keine Frage, die man sich im Akutdienst stelle, da gehe es darum, Menschen zu versorgen, zu retten: „Wir behandeln die Notfälle, wie sie kommen.“ Er werde in seinem Beruf ganzjährig mit vermeidbaren Unfällen konfrontiert: „Es ist auch unvernünftig, mit 300 Stundenkilometern über die Autobahn zu brettern.“ Oder auf eine S-Bahn zu klettern.

Aber Menschen tun solche Dinge. Seit zwei Jahren gibt es eine enge Kooperation zwischen den Unfallchirurgen am Essener Uniklinikum und der BG Unfallklinik in Duisburg. Durch sein Doppelamt wechselt Dudda ständig zwischen beiden Standorten und sieht eine enorme Bandbreite von Verletzungen, von Sprunggelenk bis Splitter im Auge. Von Sportverletzung über Haushalt- und Arbeits- bis Verkehrsunfall. Duisburg ist außerdem auf Brandopfer spezialisiert und hat einen eigenen Rettungshubschrauber, der etwa Autofahrer bringt, die aus ihrem Wagen geschnitten werden mussten.

Unfallchirurgen versprechen: "Wir sind für Sie da. Immer"

Marcel Dudda ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, „aber im Herzen bin ich vor allem Unfallchirurg“. Der Vater eines fünf Jahre alten Sohnes steht um 4.30 Uhr auf, startet um 6 Uhr in der Klinik in einen oft atemlosen Tag; „um zehn Uhr abends bin ich weg vom Fenster“. Seit fast 20 Jahren arbeitet er in diesem Bereich, war früher oft im Rettungswagen im Einsatz, hat seine Patienten noch am Unfallort gesehen. Junge Kollegen müsse man an vieles erst heranführen, „aber es gibt Fälle, die auch einen erfahrenen Unfallchirurgen anfassen“.

Die Patienten, die drei Wochen unter Rückenschmerzen leiden, um dann an einem Sonntagabend ins Krankenhaus zu kommen, blieben in Corona-Zeiten übrigens zu Hause. Die zehn Ober- und 20 Assistenzärzte, die in der Essener Unfallchirurgie arbeiten, sind dennoch ausgelastet. In der Notaufnahme sind normalerweise rund um die Uhr drei von ihnen tätig, zum Jahreswechsel werde das Team sicherheitshalber verstärkt. Sie appellieren in diesen Zeiten, sich nicht unnötig in Gefahr zu bringen, das Gesundheitssystem nicht weiter zu belasten. Sie versprechen auf ihrer Homepage aber auch: „Wir sind für Sie da. Immer."