Essen. Essener Feuerwehrleute haben mangelhafte Schutzanzüge. Jetzt gibt's für 2,8 Mio Euro neue. Feuerwehrchef weist Vorwürfe zurück.

Die Essener Feuerwehr hat gravierende Mängel an der Schutzkleidung ihrer mehr als 1200 Feuerwehrleute festgestellt. Der Schaden ist so groß, dass alle Feuerwehrangehörigen neu eingekleidet werden müssen: jeweils mit Brandschutzjacke, -überhose und Flammschutzhaube. Der unvorhergesehene Kleiderwechsel kostet die Stadt rund 2,8 Millionen Euro.

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Einvernehmlich und geräuschlos nickte der Rat diese Anschaffung in der Sitzung am 16. Dezember ab. Dabei hat die kaputte Kleidung hinter den Kulissen offenbar für reichlich Wirbel gesorgt. In einem jetzt veröffentlichten offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen halten "enttäuschte Feuerwehrleute" mit ihrem Frust und ihren Ängsten nicht hinter dem Berg.

In dem anonym verfassten Brandbrief, der überschrieben ist mit "Triage bei der Feuerwehr Essen", wird die Frage, wie angesichts der "lebensgefährlichen Einsatzkleidung" im Ernstfall vorzugehen sei, auf dramatische Weise zugespitzt: "Was sollen wir machen - in das Feuer oder die Person verbrennen lassen?".

Feuerwehrchef bestätigt: "50 bis 60 Prozent der Schutzanzüge weisen Mängel auf"

Feuerwehrchef Thomas Lembeck bestätigt größtenteils die in dem Offenen Brief geschilderten Probleme mit der Schutzkleidung seiner Feuerwehrleute. Gleichzeitig weist er Vorwürfe gegen die Feuerwehrführung entschieden zurück und versichert, offen mit dem Problem umgegangen zu sein. "Ich habe nichts zu verheimlichen."

Es handele sich tatsächlich um einen Fehler in "signifikanter Größe". In den aus mehreren Textilschichten bestehenden Schutzanzügen seien Membrane offensichtlich nicht sachgemäß verklebt. Dieser Defekt könne schlimmstenfalls dazu führen, dass kochend heißer Wasserdampf in Extremsituationen wie etwa bei einem Löschangriff in einem vollentwickelten Kellerbrand durch die Kleidung dringe und den Feuerwehrmann selbst in große Gefahr bringe.

Zum ersten Mal seien die Mängel an der Schutzkleidung im "Spätsommer/Herbst" festgestellt worden. Daraufhin habe das Qualitätsmanagement der Feuerwehr genauer hingeschaut, jede Jacke und jede Hose genauer unter die Lupe genommen und das erschreckende Ausmaß des Schadens erfasst. Thomas Lembeck: "Gut 50 bis 60 Prozent der Schutzausrüstungen weisen Mängel auf."

Betroffen sind übrigens nicht nur ältere Schutzanzüge, die schon etliche Male in der Wäscherei waren, sondern auch relativ neue Jacken und Hosen. Unklar sei, ob es sich um einen technischen Fehler handele, der möglicherweise vom Hersteller zu verantworten sei. Die Essener Feuerwehr bestellt ihre Schutzanzüge seit Jahren beim selben Hersteller.

Bevor die neuen Anzüge eintreffen, behilft sich die Feuerwehr mit Leihanzügen

Der Feuerwehrchef versichert, dass die Verantwortlichen sofort reagiert hätten, als sich das ganze Ausmaß des Schadens abgezeichnet habe. "Wir haben alles unternommen, um den Angehörigen der Essener Feuerwehr intakte Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen." So seien kurzfristig im großen Stil Schutzanzüge bei anderen Feuerwehren oder Herstellern ausgeliehen worden.

Das Ergebnis dieser "Nachtaktion": Hunderte funktionsfähige Schutzkleidungskombinationen seien inzwischen vorrätig. "Es wäre fahrlässig gewesen, die Frauen und Männer unserer Feuerwehr mit fehlerhafter Schutzkleidung in Einsätze zu schicken", sagt Thomas Lembeck.

Die "enttäuschten Feuerwehrleute" kritisieren die Anschaffung von Schutzkleidung auf Leihbasis in ihrem offenen Brief an den OB unterdessen als "Verschwendung von Steuergeldern". Gleichzeitig dringen sie auf eine rasche Ausschreibung, nachdem der Rat grünes Licht zur Anschaffung neuer Schutzkleidung gegeben habe.