Essen. Beide Parteien verständigen sich auf eine Kooperation. Die “grüne Handschrift“ ist nicht zu übersehen. Zentrales Ziel: der Klimaschutz
Mehr als drei Monate nach der Kommunalwahl am 13. September haben CDU und Grüne ihre Kooperation im Rat der Stadt besiegelt. "Wir tragen dem Wahlergebnis Rechnung", sagte Essens CDU-Vorsitzender Matthias Hauer, als er am Dienstag gemeinsam mit Vertretern der Grünen das Ergebnis der Verhandlungen vorstellte. Vereinbart worden sei eine "Gestaltungskoalition". Im Kooperationsvertrag sei "die grüne Handschrift klar sichtbar", sagte Kai Gehring, Sprecher der Essener Grünen, sichtlich zufrieden.
Essen soll im Ruhrgebiet eine Vorreiterrolle einnehmen
Tatsächlich räumen beide Parteien dem Klimaschutz eine zentrale Rolle ein. Wörtlich heißt es in dem Papier: "Die Kooperationspartner sehen den Schutz der Umwelt und des Klimas als die große Herausforderung unserer Generation an." Maßstab des gemeinsamen Handelns ist die Pariser Klimaschutzvereinbarung mit dem Ziel einer Klimaneutralität. "Für den Ruhrpott ist das eine Riesenchance", sagte Gehring. Essen könne hier ein Vorreiterrolle einnehmen.
So soll die Stadt bei der Aufstellung von Bebauungsplänen Vorgaben zum Klimaschutz machen. Welche das seien werden, bleibt vorerst abzuwarten. Hausbesitzer sollen überzeugt werden, in die energetische Sanierung ihrer Immobilien zu investieren. "Beratung und Anreize stehen vor Geboten und Verboten. Das war uns wichtig", wie Hauer für die CDU betonte.
Vieles in dem 27 Seiten umfassenden Koalitionspapier bleibt vage. Hier und dort haben sich die Partner Hintertürchen offen gelassen. So sollen in Landschaftsschutzgebieten und regionalen Grünzügen keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden. Ausnahmen bleiben im Einzelfall aber möglich. Den öffentlichen Wohnungsbau wollen CDU und Grüne fördern und damit dem steigenden Bedarf nach günstigem und barrierefreiem Wohnraum Rechnung tragen. Aber auch Häuslebauer sollen ihren Traum vom eigenen Heim in Essen weiterhin verwirklichen können. Grundsätzlich gilt: Die Innenentwicklung hat Vorrang vor der Außenentwicklung. Was nichts anderes ist als geltendes Baurecht.
Zu den wenigen konkreten Aussagen zum Thema Wohnungsbau gehört, dass der Messeparkplatz P2 am Girardethaus in Rüttenscheid bebaut werden soll - unter Berücksichtigung der Interessen der Anwohner wie auch der Messe. Dass das Gelände nicht so bleiben könne, wie es heute aussieht, sei doch klar, so Gehring. Mit dem vorliegenden Entwurf der Hopf-Gruppe hatten sich die Grünen nie anfreunden können.
Einig sind sich die beiden Partner darin, dass Essen auch Flächen für Gewerbe benötigt. Wo diese ausgewiesen werden könnten über bekannte Areale wie beispielsweise das Entwicklungsgebiet "Freiheit Emscher" hinaus, bleibt offen. Überhaupt sind viele Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung allgemein gehalten. "Flächen müssen wir suchen", stellte CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf für seine Partei klar. Mit den Grünen dürfte darüber noch zu reden sein. Sie sehen die Zukunft der Wirtschaft eher in der Digitalisierung und setzten zudem auf das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten in bestehenden Quartieren, wo sich zum Beispiel Handwerksbetriebe ansiedeln sollen.
Mehr Digitalisierung an Schulen und zusätzliche Stellen für Sekretariate
Die Digitalisierung wollen CDU und Grüne auch und vor allem in Schulen vorantreiben. Dort gibt es, wie Schulschließungen aufgrund der Corona-Pandemie zeigen, erheblichen Nachholbedarf. Der CDU war es aber auch wichtig, dass Grundschulen täglich auf konventionellem Wege erreichbar sind - per Telefon. Für Sekretariate sollen deshalb zusätzliche Stellen geschaffen werden.
Die Mobilitätswende will man gemeinsam voranbringen. Die Initiatoren des Radentscheides dürften zufrieden sein, sagte Kai Gehring. Der öffentliche Personen-Nahverkehr soll ausgebaut werden, Wege für Fußgänger sollen sicherer werden. Und dies alles, ohne einen "Kulturkampf um das Auto zu führen", wie der Grünen-Sprecher betonte. Gleichwohl ist die grüne Handschrift auch beim Thema Verkehr nicht zu übersehen
Streitpunkte auf diesem Feld wurden bewusst ausgeklammert. So etwa der Ausbau der A52 durch den Essener Norden. CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf verwies auf den geltenden Ratsbeschluss, der eben diesen Ausbau fordert. Gefragt sei der Bund. Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich da innerhalb der nächsten fünf Jahre etwas tut. Also muss man sich auch gar nicht erst streiten.
Den umstrittenen Ausbau der A52 haben CDU und Grüne ausgeklammert
Beim Flughafen Essen/Mülheim erinnerte Grünen-Fraktionssprecherin Hiltrud Schmutzler-Jäger auf Nachfrage an den gültigen Beschluss, der da lautet: schnellstmöglicher Ausstieg. Gemeinsam wollen CDU und Grüne aber mit der schwarz-Grünen Mehrheit im Rat der Stadt Mülheim beraten, wie es auf den Ruhrhöhen weitergeht.
Nur selten werden beide Parteien in ihrem Kooperationsvertrag so konkret wie beim Thema Doppelstreife, die pro Jahr um mindestens sechs neue Stellen verstärkt werden soll. Sicherheit und Sauberkeit seien der CDU in den Verhandlungen ein besonders Anliegen gewesen, hob Matthias Hauer hervor.
Dass beide Seiten auch miteinander gerungen haben, verdeutlicht ein Satz, der beschreibt, was in einem Rechtsstaat eigentlich selbstverständlich sein sollte: Abschiebungen werden nach geltendem Recht und Gesetz vorgenommen. Wer kriminell sei und kein Aufenthaltsrecht besitze, soll auch abgeschoben werden, forderte Hauer. Für alle anderen will man wenn möglich zumindest den Status einer Duldung erweitern.
Vereinbart wurde, dass die Stadt Essen 50 Personen aus dem griechischen Flüchtlingslager "Moria" aufnehmen wird, sobald der Bund dafür entsprechende Regelungen getroffen hat. Ihre Familienangehörigen sollen die Betroffenen ebenfalls nach Essen holen dürfen. Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) hatte ein solches Angebot für die Stadt Essen noch im September abgelehnt: Für die Aufnahme zusätzlicher Kontingente sehe er keine Veranlassung.
Zur Halbzeit der Ratsperiode wollen die Kooperationspartner Bilanz ziehen
Zur Halbzeit der Ratsperiode wollen CDU und Grüne Bilanz ziehen. "Es wird ein steiniger Weg", sagte Grünen-Fraktionssprecherin Hiltrud Schmutzler-Jäger. Wohl wissend, dass so manches Projekt auch Geld kostet. Sei es die Umrüstung des städtischen Fuhrparks auf umweltfreundlichere Technologien oder der Ankauf von Schrottimmobilien, den die Stadt forcieren soll. Den eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung wollen beide Partner weitergehen und gleichzeitig nötige Investitionen möglich machen. Im Rat der Stadt haben sie dafür mit 47 Stimmen einschließlich der des Oberbürgermeisters eine stabile Mehrheit. Mal sehen, wie weit sie kommen.
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