Essen-Rüttenscheid. Das Bürgerzentrum Villa Rü im Essen-Rüttenscheid hat Leiter Werner Settels in 30 Jahren maßgeblich geprägt. Jetzt geht er in den Ruhestand.
Es sollte eine Art Ehrenrunde werden für Werner Settels. Der langjährige Leiter des Bürgerzentrums Villa Rü hätte schon Ende vergangenen Jahres in den Ruhestand gehen können, doch er verlängerte, weil ihm das Haus so sehr am Herzen liegt und es immer was zu tun gibt. Dann aber kam Corona - und in einem Haus, in dem sonst das pralle Leben tobt, war es plötzlich still. Für den 66-jährigen ein eher beklemmendes Gefühl. Er mag es gar nicht laut sagen, aber in gewisser Weise macht es ihm auch den Abschied leichter, denn die Villa Rü ist irgendwie auch sein Kind.
Leiter des Bürgerzentrums in Essen-Rüttenscheid haderte anfangs mit der neuen Aufgabe
Jetzt hat er den Eindruck, dass er sich auf leisen Sohlen aus dem Haus schleicht. Zum Abschied blieb es bei einem Frühstück im engsten Mitarbeiterkreis – mit Abstand und Maske. Im 30. Jahr lenkt er die Geschicke einer Einrichtung, mit der anfangs haderte. Er hatte zwar Sozialarbeit studiert und vorher noch Jugendliche in Berufsprojekten begleitet, doch ein Jugendzentrum, das es damals war, „ist dann doch eine andere Hausnummer“. Wenn er Manschetten vor dem Job gehabt haben sollte, waren sie auf jeden Fall schnell verschwunden.
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![Werner Settels (links) und Alex Bremer leiten die Villa Rü. Ob das Hoffest in diesem Jahr gefeiert werden kann, ist noch vollkommen unklar. Werner Settels (links) und Alex Bremer leiten die Villa Rü. Ob das Hoffest in diesem Jahr gefeiert werden kann, ist noch vollkommen unklar.](https://img.sparknews.funkemedien.de/228972101/228972101_1596110630_v1_1_200.jpeg)
Dass das Haus sein Ding war und ihm der Umgang mit jungen Menschen lag, für diese Erkenntnis brauchte es nicht lange. Der erste Schock ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Nur wenige Monate in Amt und Würden, da sollte die Villa Rü geschlossen werden. Settels konnte aber bleiben, Bürgerproteste verhinderten das Aus für das Haus an der Girardetstraße. Die eigentliche Bewährungsprobe sollte aber erst noch kommen, Zeiten, in denen Werner Settels mit dem Job haderte und kurz vor dem Absprung stand.
Es gab Zeiten, da gehörte auch die Polizei zu den ständigen Gästen im damaligen Jugendhaus
Nachfolger ist bereits gefunden
Die Villa Rü ist in einem ehemaligen Hauptschulgebäude untergebracht und wurde 1980 als Jugendzentrum eröffnet.
Nachfolger von Werner Settels wird der 38-jährige Dominik Duhme. Der Erziehungs- und Sozialwissenschaftler hat bislang für die Awo gearbeitet. Während eines Praktikums hatte er bereits Kontakt mit dem Bürgerzentrum.
Als weitere Leiterin in der Villa Rü ist Alex Bremer tätig.
Es waren die Jahre, als nicht nur Jugendliche zu den ständigen Gästen zählten, sondern auch die Polizei. „Bildlich gesprochen hat man hinten ein Feuer gelöscht, da flammte vorne schon wieder eins auf“. Drogen, Alkohol, Übergriffe: Die Treffen der Jugendlichen liefen immer wieder aus dem Ruder, trotz aller Versuche gegenzusteuern. Ein Ende nahm diese haarige Phase erst mit einem klaren Schnitt: Seit 2008 firmiert die Villa Rü als Bürgerzentrum.
Jugendliche müssen zwar jetzt nicht draußen bleiben, „aber wir setzen jetzt auf viel kreative Angebote, die von Tanzprojekten über Karaoke bis hin zu Musikprogramm reichen“. Worauf Settels aber ebenso stolz ist, zeigt sich, wenn er auf die weitere Belegung des Hauses schaut, wenn jetzt nicht gerade Corona wäre. Es sei nämlich gelungen, die Villa als Treffpunkt im Stadtteil zu verankern und zugleich als einen Ort, an dem die Leute Hilfe und Beratung bekommen können.
Scheidender Leiter sorgt um Mobbing unter Jugendlichen in heutiger Zeit
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![Werner Settels (links) und Alex Bremer leiten das Bürgerzentrum Villa Rü, das aufgrund von Corona keine Feiern zum 40-jährigen Bestehen ausrichten kann. Werner Settels (links) und Alex Bremer leiten das Bürgerzentrum Villa Rü, das aufgrund von Corona keine Feiern zum 40-jährigen Bestehen ausrichten kann.](https://img.sparknews.funkemedien.de/228972101/228972101_1596110630_v1_1_200.jpeg)
Zahlreiche Chöre kommen hier normalerweise zusammen, Tanzgruppen ebenso. Darüber hinaus gehören Kindertagespflege, Elterncafés und Kurse für Kleinkinder zum Programm. Die Kita Hotzenplotz und der Offene Ganztag der Käthe-Kollwitz-Grundschule haben in dem Haus ihre Heimat. Vorträge für Eltern anzubieten, die beispielsweise wissen möchten, wie sie mit ihren pubertierenden Teenagern umgehen sollen, hält der Leiter für eine ebenso wichtige Aufgabe. Und er weiß, wovon er spricht. Denn berufsbedingt ist er häufig in den umliegenden Schulen zu Gast. Gewaltprävention heißen beispielsweise solche Kurse, mit denen er dann seinen Unterricht gestaltet.
https://www.waz.de/staedte/essen/essener-newsletter-verpassen-sie-keine-nachrichten-id230430970.html
Selbst in einer Zeit groß geworden, in der man von „hänseln“ sprach und die Jugend noch im Ansatz gewusst habe, wann man damit aufhören sollte, habe sich mit Mobbing oder Cybermobbing nicht nur ein Begriff geändert. „Da gibt es offenbar auch keine Grenzen mehr, in dem, was sich junge Menschen gegenseitig antun“. Es falle daher auch immer schwerer, die Jugendlichen zu erreichen und ihnen die Folgen ihres Handelns deutlich zu machen. Bedauerlich findet Settels, dass sich Eltern allzu oft wegducken anstatt auf ihre Kinder einzuwirken.
Werner Settels will sich künftig der Familie und seiner Musikband widmen
Nach seiner Einschätzung wird es auch für die Villa Rü eine Aufgabe bleiben, sich diesem Umgang der jungen Menschen untereinander zu widmen. Da sei eine solche Einrichtung nun mal gefordert, Grenzen zu setzen, zugleich aber auch das zu tun, was Jugendliche vor allem brauchen, nämlich ihnen Halt geben und zugleich Verständnis entgegenbringen.
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![Werner Settels vom Bürgerzentrum Villa Rü, steht am Donnerstag den 07.03.2019 an dem Raumplaner in seinem Büro. Foto: Kerstin Kokoska/ FUNKE Foto Services Werner Settels vom Bürgerzentrum Villa Rü, steht am Donnerstag den 07.03.2019 an dem Raumplaner in seinem Büro. Foto: Kerstin Kokoska/ FUNKE Foto Services](https://img.sparknews.funkemedien.de/216691731/216691731_1552915700_v1_1_200.jpeg)
Hier spricht nicht nur der Sozialarbeiter Werner Settels, hier schimmert auch sein eigener Lebensweg durch. Er erzählt ganz offen, wie er durchs Abi gerasselt ist, anschließend als Versicherungskaufmann anheuerte, dem das Quäntchen Fortune aber versagt blieb. Mit dem Studium der Sozialarbeit an der Uni Essen-Duisburg fand er schließlich den für ihn richtigen Weg. Und mit der Villa den passenden Platz.
Wenn er über politische Bildung spricht, die sich noch stärker in einer Jugendarbeit wiederfinden müsse, die Fridays for Future-Bewegung lobt und meint, man müsse noch viel engagierter gegen eine Spaltung der Gesellschaft angehen, dann klingt das alles andere als nach einem Ruheständler. Zukunftspläne hat er allerdings noch nicht geschmiedet, auch daran dürfte Corona beteiligt sein.
Eines weiß er aber mit Gewissheit: Der Vater zweier erwachsener Kinder will sich zum einen mehr Zeit für die Familie nehmen, zum anderen aber auch für die Band, in der er Gitarre spielt und die sich gerade neu gefunden hat. Man wird wieder von ihm hören.