Essen. In Essen wurden 2019 so viele Wohnungen gebaut wie zuletzt vor fast 20 Jahren. Das reicht nicht, betont die Stadt. Woran es vor allem fehlt.

Auf dem angespannten Essener Wohnungsmarkt ist auch in den kommenden Jahren keine Trendwende zu erwarten. Diese Einschätzung legt der aktuelle Wohnungsmarktbericht der Stadt Essen nahe, der die Entwicklung der vergangenen drei Jahre betrachtet.

So wurden 2019 in Essen 1089 neue Wohnungen fertiggestellt; mehr waren es zuletzt im Jahr 2001. „Es waren aber immer noch zu wenig, sagt Stefan Schwarz, Leiter des Amtes für Stadterneuerung und Bodenmanagement.

Die Stadt Essen geht nach wie vor von einem hohen Bedarf an Wohnraum aus und beziffert diesen auf 14.339 Wohnungen bis zum Jahr 2030.

Die Bevölkerungsprognose ist erfüllt. Wofür braucht es so viele neue Wohnungen?

Diese Berechnung fußt auf der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung. Noch 2015 war das Amt für Statistik davon ausgegangen, dass die Essens Einwohnerzahl bis zum Jahr 2030 auf 595.000 Personen steigen wird. 2019 wurde die Prognose nach unten korrigiert auf 592.000 Einwohner. Diese Zahl ist bereits nahezu erreicht. Wofür braucht es dann so viele neue Wohnungen?

Das Amt für Stadtentwicklung erklärt den Bedarf damit, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung und der Haushalte verändert, was sich in der Nachfrage niederschlägt. Gesucht sind vor allem große Wohnungen für Familien, aber auch kleine Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte. Deren Anteil liegt heute bereits bei 50 Prozent.

Zudem bestehe ein qualitativer Bedarf. Auch wenn sich dieser schwer bemessen lässt, wie Stephan Schwarz einräumt. Die Stadt stützt sich dabei auf die Marktbeobachtung. Die Ansprüche an Wohnraum seien gestiegen. „Unser Wohnungsbestand ist teilweise sehr alt“, so Schwarz. Das entspreche nicht mehr den Wünschen jener, die eine Wohnung suchten.

Ein Viertel des Essener Wohnungsbestandes wurde vor 1948 gebaut

Hintergrund: Rund ein Viertel des Essener Wohnungsbestandes wurde vor 1948 gebaut. Rund 58 Prozent stammt aus den Jahren 1948 bis 1978. Nur knapp sieben Prozent der Wohnungen sind jünger als 25 Jahre. Für Wohnungen, die vom Markt verschwinden, weil sie zu größeren zusammengelegt werden, oder weil Häuser abgerissen werden, müssten neue Wohnungen her.

Nach Einschätzung der Stadt lässt sich ein Großteil des Bedarfs decken, in dem bereits dafür ausgewiesene Flächen bebaut werden, in dem Baulücken geschlossen und für Abriss Ersatz geschaffen wird. Dennoch fehlten Flächen für mindestens 5000 Wohnungen, im Höchstfall sogar für 9000. Je nachdem wie vorhandene Flächen ausgeschöpft würden. Für Diskussionsstoff bleibt also gesorgt. Zum Vorwurf von Bürgerinitiativen, die Stadt schöpfe das Potenzial von Baulücken nicht aus, weil sie darüber kein entsprechendes Kataster führe, sagt Schwarz: „Diejenigen, die als Investoren unterwegs sind, suchen nach Baugrundstücken und kennen den Markt.“

Gebaut wurden vor allem Einfamilienhäuser, auch wenn deren Anteil gesunken ist

Aber werden auch die „richtigen“ Wohnungen gebaut? Errichtet wurden in den vergangenen drei Jahren vor allem Einfamilienhäuser, auch wenn deren Anteil gesunken ist von 84,9 Prozent im Jahr 2017 auf 75,3 Prozent im Jahr 2019 als 270 solcher Eigenheimer errichtet wurden – so wenige wie zuletzt 1997. Im Gegenzug ist der Anteil an Mehrfamilienhäusern auf 20 Prozent gestiegen. Ob sich der Trend zu einer dichteren Bebauung fortsetzt, bleibe abzuwarten, heißt es.

Die meisten neuen Wohnungen wurden 2019 übrigens in Rüttenscheid gebaut, da waren es 137, und in Kettwig, wo 125 neue Wohnungen entstanden. Beide sind Stadtteile für eine zahlungskräftigere Klientel. An dritter Stelle folgte der Stadtkern mit 104 neue Wohnungen. Die durchschnittliche Größe im Neubau lag bei knapp 100 Quadratmetern. Wohnungen im Bestand sind im Durchschnitt 77 Quadratmeter groß.

Essen im Vergleich

Im regionalen Vergleich ist Bauland in Essen teuer. Für baureife Baugrundstücke für den Geschosswohnungsbau sind in guter Lage 450 Euro pro Quadratmeter fällig. Innerhalb von zwei Jahren (Stand 2018) sind die Preise um 15 Prozent gestiegen – gegenüber sieben Prozent in Duisburg und Dortmund, und 14 Prozent in Bochum. In Düsseldorf waren es 30 Prozent. Der Quadratmeter kostet dort 1500 Euro.

Baureife Grundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser kosten in Essen in guter Lage 520 Euro pro Quadratmeter. Die Preissteigerung lag bei 21 Prozent und damit deutlich über der in Bochum (10 %), Dortmund (7 %), Duisburg (3 %) und sogar höher als in Düsseldorf (17 %), wo in guter Lage 1350 Euro zu zahlen sind.

Benötigt werden aber öffentliche geförderte Wohnungen für Familien, aber auch für ältere und einkommensschwache Personen, heißt es im aktuellen Wohnungsmarktbericht. Deren Anteil am Wohnungsbestand beträgt gerade mal rund sechs Prozent. Tendenz sinkend. In den kommenden fünf Jahren fällt ein Drittel der rund 19.600 „Sozialwohnungen“ aus der gesetzlichen Mietbindungsfrist. Programme zur Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus können diesen Trend allenfalls abfedern.

Nicht nur die Preise für Wohneigentum sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen, sondern auch die Mieten – laut Mietspiegel um zehn Prozent im Vergleich zu 2016. Die Schere auf dem Essener Wohnungsmarkt zwischen Angebot und Nachfrage dürfte sich weiter öffnen und dies zu Lasten sozial Schwächerer.

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