Essen. Die Stadt hat berechnet, wie viele Personen bevorzugt gegen Corona geimpft werden müssen. Jeder zweite Essener wird sich hinten anstellen müssen.
„Ärmel hoch!“, so heißt die Devise, wenn der Impfstoff gegen die Corona-Pandemie nach seinem eher betulichen Start massenhaft auch in Essen ankommt. Ein Großteil der Bürger wird sich dennoch mit dem Hochkrempeln wohl reichlich Zeit lassen können. Dies legen jedenfalls Zahlen nahe, mit denen die Stadt in diesen Tagen all jene Gruppen größenmäßig kalkuliert hat, die als besonders verletzlich („vulnerabel“) gelten und die deshalb bevorzugt behandelt werden.
Im Rathaus ging man dabei zunächst von fünf bevorzugten Personengruppen aus, bevor dann der große Rest sich impfen lassen darf. Im Bundesgesundheitsministerium hat man sich aber zumindest in Teilen über die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut hinweggesetzt. Wer wann dran ist, wenn er denn überhaupt dran sein will, zeigt in einer groben Übersicht die folgende Stufen-Einteilung:
Stufe 1 – „höchste Priorität“
Los geht es mit den Bewohnern von Senioren- und Altenpflegeheimen in der Stadt, das sind etwa 7900 Personen, sowie jenen ca. 6340 Menschen, die in Essen durch ambulante Pflegedienste betreut werden. Hinzu kommen die dort tätigen Mitarbeiter: 4350 in allen Alten- und Pflegeeinrichtungen und rund 2800 bei ambulanten Pflegediensten. Das Gros dieser ersten Stufe mit „höchster Priorität“ machen die Menschen ab 80 Jahren aus – knapp 43.000 zählen im Stadtgebiet dazu.
Stufe 2 – „hohe Priorität“
In der zweiten Reihe, wenn man so will, stehen die Impflinge mit „hoher Priorität“, die über 70- und unter 80-Jährigen zwischen Karnap und Kettwig. Das sind alles in allem gut 52.000 Menschen (27.000 von 70 bis 74 und 25.000 von 75 bis 79). Hinzu kommen Demenzkranke und Menschen mit Trisomie 21, Transplantations-Patienten sowie Bewohner von Obdachlosen- oder Flüchtlings-Unterkünften. Und nicht zu vergessen: enge Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen und Polizisten wie Ordnungskräfte, die in ihren Tätigkeiten einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, dazu Ärzte oder medizinisches Personal mit regelmäßigen unmittelbaren Patientenkontakten.
Stufe 3 – „erhöhte Priorität“
Hier sind die Essener im Alter ab 60 und unter 70 gefragt (über 39.000 gibt es von 60 bis 64, rund 33.000 von 65 bis 69). Diese Bevölkerungsgruppe mit „erhöhter Priorität“ umfasst außerdem chronisch Kranke, Personen „in besonders relevanter Position“ in staatlichen Einrichtungen (Polizei, Feuerwehr, Justiz) oder der kritischen Infrastruktur (Ruhrbahn, Entsorgungsbetriebe) sowie die 4000 Erzieher und 5500 Lehrer. Auch die Mitarbeiter im Einzelhandel zählen dazu.
Stufe 4 – alle anderen
Und wer bis dahin noch nicht berücksichtigt wurde, der ist dann in dieser letzten Stufe dran: Rund 425.000 Personen zählt die Stadt Essen in einem Alter unter 60 Jahren, allerdings sind in dieser Zahl noch 97.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren enthalten, die einstweilen aber gar nicht geimpft werden sollen. Und natürlich jene, die wegen ihres Gesundheitszustands oder Jobs zu einer der oben genannten Gruppen zählen. Auch wenn die Übergänge zwischen den Gruppen fließend sein sollen: Es bleiben knapp 300.000 Personen, die sich hinten anstellen müssen – also etwa jeder zweite Essener.
Wann diese vierte Stufe erreicht wird, ist derzeit völlig unklar. Schließlich hängt die Antwort auf diese Frage einerseits vom Umfang der verfügbaren Impfdosen ab, andererseits aber auch von der Impfbereitschaft der Bürger. Landauf landab wird damit gerechnet, dass allenfalls zwei Drittel der Erwachsenen sich impfen lassen wollen.
Die zweite Impfstoff-Charge kommt erst im Januar. Wann genau, weiß noch keiner
Nach Angaben von Stadt-Sprecherin Silke Lenz wird es nach dem Impf-Auftakt mit 750 Dosen am 27. Dezember erst im Januar wieder eine neue Zuteilung für Essen geben. Wann genau im nächsten Monat ist noch nicht raus, und unklar ist bislang auch, ob die Stadt jeweils öffentlich macht, wenn die Impfwilligen einer Prioritäts-Stufe sozusagen „durchgeimpft“ sind und man die nächste Stufe ins Auge fasst.
„Das ist ein dynamischer Prozess“, sagte Lenz am Freitag, täglich gebe es neue, auch entscheidende Informationen. So variabel wie den Umgang mit dem Virus will man auch die Vorbereitungen halten: Im Vollbetrieb seiner zwölf „Impfstraßen“ kann das bereits fertiggestellte Impfzentrum in Messehalle 4 zurückhaltend gerechnet 2400 Personen pro Tag impfen – bei Öffnungszeiten von 8 Bis 20 Uhr. Weitere 640 schaffen die mobilen Teams.
Mit sechs zusätzlichen Impfstraßen wären bis zu 4200 Impfungen am Tag leistbar
Wenn Not am Mann oder auf einen Schlag besonders viele Impfstoff verfügbar ist, lassen sich auf dem Messe-Gelände an der Norbertstraße aber auch sechs zusätzliche Impfstraßen einrichten. Man käme damit in einem Zwei-Schicht-Betrieb auf bis zu 4200 Impfungen pro Tag, sieben Tage die Woche. Eine organisatorische Meisterleistung wird dazu erforderlich sein, die von den Impfwilligen etwas Mitarbeit beim bürokratischen Drumherum verlangt – und eine simple Bewegung: Ärmel hoch.