Essen. Die erste Impfwelle gegen das heimtückische Coronavirus kommt nur langsam ins Rollen: 750 Dosen geben die Chance, das System langsam hochzufahren.
Wer schon sehnsüchtig auf die große Impf-Welle gegen das Coronavirus wartet, der dürfte enttäuscht sein angesichts der Größenordnung, die da zum Start nach Essen schwappt: Zwar geht es wohl noch in diesem Jahr los, aber für die Impfwilligen zwischen Karnap und Kettwig stehen in einem ersten Rutsch gerade mal 750 Impf-Dosen zur Verfügung. Nur zum Vergleich: Knapp 8000 Menschen leben in den Alten- und Pflegeheimen der Stadt – und da sind die Pflegekräfte noch gar nicht berücksichtigt.
Wer bekommt die Corona-Impfung zuerst?
Bis zum 21. Dezember will die Ständige Impfkommission, eine ehrenamtlich arbeitende Expertenrunde am Robert-Koch-Institut, endgültig eine Empfehlung dafür abgeben, bei welchen Bevölkerungsgruppen sie eine bevorzugte Impfung empfiehlt.
Dazu dürften Menschen mit dem höchsten Sterberisiko und dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs von COVID-19 gehören. Hochbetagte also und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen.
Daneben aber auch medizinisches Personal mit hohem Ansteckungsrisiko, etwa auf Intensiv- und COVID-Stationen oder in Notfallaufnahmen sowie das Pflegepersonal in den Heimen.
An der Stadtspitze hält man sich dennoch mit Lamentieren nicht lange auf: „Es ist ein Anfang. Und der gibt uns immerhin die Chance, die Systeme langsam hochzufahren“, sagte Stadt-Sprecherin Silke Lenz am Donnerstag auf Nachfrage: „Für uns ist das schließlich auch alles Neuland.“ In der Endausbaustufe rüstet sich die Stadt gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein dafür, bis zu 3000 Personen am Tag zu impfen, sieben Tage die Woche.
Für die ersten Impfungen muss das Impfzentrum in der Messe nicht öffnen
Um diese Massen durch einen Prozess zu schleusen, der ja nicht nur die Impfung selber beinhaltet, sondern mit Impfbescheinigung, Zweit-Termin und Co. auch bürokratischen Aufwand birgt, hat die Stadt in der Halle 4 des ohnehin brachliegenden Messegeländes ein Impfzentrum errichtet. Dieses wäre einsatzbereit, bleibt aber zu täglichen Kosten von 4300 Euro einstweilen im Off-Betrieb.
Denn die besonders „vulnerablen“, also verwundbaren Gruppen, die als erstes vom Impfschutz profitieren sollen, mag man aus naheliegenden Gründen nicht mühsam zum Messe-Gelände kutschieren. Stattdessen werden die 750 vom Land NRW zugeteilten Impfdosen durch ein mobiles Team verabreicht, das gezielt die Alten- und Pflegeheime anfährt. Welche Standorte als erstes an der Reihe sind, richtet sich nach der jeweiligen Altersstruktur der Bewohnerschaft und dem Grad ihrer Erkrankung.
Wer kommt dran? „Wir gucken nicht nach Himmelsrichtungen“, sagt die Stadt
Ersten Erkenntnissen zufolge dürften Heime im äußersten Süden genauso darunter sein wie Häuser im Norden. „Wir gucken aber nicht nach Himmelsrichtungen“, betont Lenz, wichtig sei allein der durchschnittliche Gesundheitszustand in den Häusern. Geimpft werden die Heimbewohner aller Voraussicht nach mit dem Impfstoff BNT162b2 der Pharma-Firmen BioNTech und Pfizer, dessen europaweite Zulassung für den kommenden Montag erwartet wird.
Am Tag nach dem zweiten Weihnachtstag, ein Sonntag, geht es dann los. Unklar bleibt, in welchem Abstand und in welcher Größenordnung die zweite Lieferung eintrifft. Fest steht nur, dass den Impflingen beim BioNTech-Impfstoff nach 21 Tagen eine zweite Dosis verabreicht werden muss.
Knapp 43.000 Essener sind über 80 – und damit in Priorität 1 des Impfplans
Überschlägig hat die Stadt bereits kalkuliert, wieviele Personen welcher Prioritäts-Stufe beim Impfen angehören. So gibt es in der Priorität 1 rund 7900 Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen sowie 6340 Menschen, die durch ambulante Pflegedienste betreut werden.
Hinzu kämen knapp 43.000 Menschen ab 80 Jahren und nicht zu vergessen das Personal in Alten- und Pflegeeinrichtungen (rund 4350 Personen) sowie bei ambulanten Pflegediensten (weitere 2800).
Vier Apotheken kontrollieren die Aufbereitung des Impfstoffs
Selbst wenn nur jeder Zweite in die Impfung einwilligte, zeigt dies die Dimension der Aufgabe gleich zu Beginn. Wenn das Land den Impfstoff der Stadt demnächst also massenweise zuweist, wird dieser in Großgebinden angeliefert. Und dann unter der Aufsicht von vier Apotheken aufbereitet, die Erfahrungen im Umgang mit sogenannten Zytostatika haben – Substanzen, die viele von Chemotherapien gegen Krebs kennen. Im Impfzentrum gibt es dazu eigene Räumlichkeiten.
Die Stadt bleibt mit der Feuerwehr im weiteren Prozess für die Infrastruktur und die technischen Gerätschaften zuständig, den medizinischen Part übernimmt dagegen die Kassenärztliche Vereinigung. Koordiniert wird die Arbeit in einer kommunalen Impfkonferenz, die an diesem Freitag tagt.
Und irgendwo in Essen lebt in einem Altenheim jemand, der am 27. Dezember die erste Impfung verabreicht bekommt. Die Freigabe kommt vom Land. Via E-Mail.