Essen. Auch in Essen sind mehr E-Autos unterwegs. Es sind aber vergleichsweise wenig. Warum die Elektro-Mobilität nur langsam in Fahrt kommt.
Die Elektro-Mobilität nimmt in Essen nur langsam Fahrt auf. Zwar sind auch zwischen Karnap und Kettwig immer mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge unterwegs – 6745 sind laut der aktuellen Statistik der städtischen Kfz-Zulassungsstelle und damit immerhin 520 mehr als im Monat zuvor. Doch ihr Anteil ist bei insgesamt rund 359.000 in Essen zugelassenen Kraftfahrzeugen nach wie vor sehr überschaubar.
Wie lässt sich der Ausbau der E-Mobilität beschleunigen? Hildegard Müller, Vorsitzende des Verbandes der Automobilindustrie und in Essen aus ihrer Zeit als Managerin beim Energieversorger Westenergie (ehemals Innogy) wohl bekannt, forderte jüngst in einem Interview mehr Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Jede Kommune, so Müller, brauche dafür einen verbindlichen Plan.
Hat die Stadt Essen einen Plan?
Die Stadt stellt selbst keine Ladesäulen auf, vergibt dafür aber eine Erlaubnis auf Sondernutzung. Über das Stadtgebiet wurde dafür ein Raster gelegt mit 200 mal 200 Meter großen Feldern. Innerhalb eines Feldes darf eine Ladesäule stehen. Ist diese zu mehr als 70 Prozent belegt, darf eine zweite hinzukommen. Von einer solchen Auslastung sind die vorhandenen Ladesäulen allerdings weit entfernt.
Der Oktober war mit 3339 Ladungen laut Westenergie der beste Monat
Westenergie betreibt in Essen 227 Ladepunkte für Elektro-Mobile, die sich auf etwa halb soviele Ladesäulen verteilen. Deren Nutzung habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, heißt es aus der Unternehmenszentrale am Opernplatz. Der bislang „beste Monat“ sei der vergangene Oktober gewesen mit insgesamt 3339 Ladevorgängen. Das klingt euphorisch. Umgerechnet aber macht das nicht einmal einen Ladevorgang pro Ladesäule. Und wie gesagt: Es war der beste Monat.
Das Berliner Unternehmen Allego unterhält in Essen weitere 66 Ladesäulen. Dazu eine Schnellladesäule am Hauptbahnhof sowie einen Ultraschnelllader an der Messe Essen, wo sich eine Reichweite für 200 Kilometer binnen zehn Minuten tanken lässt. Die Auslastung der Allego-Ladesäulen liegt bei 0,6 Ladevorgängen pro Tag. Zum Vergleich: In Berlin seien es durchschnittlich drei bis vier Ladevorgänge täglich, an stark frequentierten Ladesäulen sogar sechs bis sieben. „Es entwickelt sich in Essen leider sehr langsam“, bedauert Geschäftsführer Ulf Schulte.
Kurze Wege: Das Ruhrgebiet ist eigentlich prädestiniert für Elektro-Mobilität
Dabei sei das Ruhrgebiet aufgrund der geringen Entfernungen prädestiniert für E-Mobilität. „Man muss sich nur mal die Pendlerzahlen ansehen“, betont Schulte. Die Zurückhaltung beim Kauf eines Elektroautos scheint dennoch groß zu sein, wie Blick auf die Statistik belegt: Von den 6745 in Essen zugelassenen Elektro- und Hybridfahrzeuge sind nur 1815 reine E-Mobile. Ein Grund dürfte die geringere Reichweite sein.
Allego wird im kommenden Jahr in Essen keine weitere Ladesäulen aufstellen. Westenergie konzentriert sich beim Ausbau der Ladeinfrastruktur auf Firmen und auf Betreiber von Parkhäusern, will aber nicht ausschließen, dass auch im öffentlichen Raum weitere Ladestationen hinzukommen könnten. Konkrete Pläne gibt es dafür nicht.
Essens Verkehrsdezernentin Simone Raskob will das Gespräch mit beiden Unternehmen suchen. „Wir wären offen für weitere Standorte“, betont Raskob und setzt dabei auf eine finanzielle Förderung des Bundes, wie sie Verkehrsminister Andreas Scheuer jüngst angekündigt hat. Die Stadt müsste die eigene Messlatte einer 70-Prozent-Auslastung allerdings niedriger hängen und in Kauf nehmen, dass an öffentlichen Straßen weitere Ladesäulen aufgestellt werden, an denen nur selten ein E-Auto tankt – zu Lasten anderer Autofahrer, die einen Parkplatz suchen.
Auf privaten Grundstücken stehen drei Mal so viele Ladesäulen wie im öffentlichen Raum
Essens Verkehrsdezernentin bezeichnet den öffentlichen Raum als „Ergänzungsnetz“. Das Hauptnetz wären demnach private Grundstücke. Dort stehen mittlerweile knapp 600 Ladesäulen, also mehr als drei Mal so viele wie an öffentlichen Straßen. Raskob setzt also auf die Eigeninitiative der Bürger.
Im Vorteil ist, wer ein eigenes Haus besitzt. Wer aber zur Miete in einem Mehrfamilienhaus in Frohnhausen, Holsterhausen oder einem anderen der dicht bebauten Stadtteile Essens wohnt, hat es da deutlich schwerer und ist auf das Entgegenkommen seines Vermieters angewiesen.
Auch da gibt es Bewegung: Der Allbau, mit 17.700 Wohnungen, der größte Vermieter in Essen, will bis zum Jahr 2025 an seinen Immobilien 100 Ladesäulen für Elektro-Fahrzeuge aufstellen. Das ist ein Anfang, mehr nicht. Die städtische Wohnungsgesellschaft besitzt 2500 Immobilien.
Verfolgt Essen beim Ausbau der E-Mobilität die richtige Strategie?
Die Frage sei: „Wie sieht die Mobilität von Morgen aus“, sagt Ulf Schulte von Allego. Es sei eben nicht damit getan, ein Auto mit Verbrennungsmotor gegen eines mit E-Motor einzutauschen. E-Mobilität müsse im Zusammenhang gesehen werden mit anderen Verkehrsmitteln. Die deutlich höhere Zahl an Ladevorgängen in Berlin erklärt Schulte auch damit, dass in der Hauptstadt ein Carsharing-Anbieter am Start ist mit 1500 Elektrofahrzeugen im „free floating“, also ohne festen Standort.
In Essen verfügt das größte Carsharing-Unternehmen am hiesigen Markt über 50 Fahrzeuge, davon zwei E-Mobile. Nach Angaben der Stadt dürfen Carsharing-Anbieter öffentliche Ladestationen nutzen, doch dürfen sie dort, wie alle anderen auch, maximal vier Stunden stehen, was das Mietgeschäft erschwert. Der Aufbau einer eigenen Ladeinfrastruktur wäre eine Investition in die Zukunft, die sich rechnen muss. Das Risiko scheint in Essen noch zu groß.