Essen. Die Stadt Essen wird weder jetzt noch an den Feiertagen Corona-Kontrollen in Privatwohnungen machen. „Wir stehen Heiligabend nicht vor der Tür.“

Mit 50 Gästen hat am Wochenende eine 17-Jährige in ihrer Dachwohnung im Essener Südostviertel gefeiert: Ohne Masken, ohne Abstand, dafür lautstark und mit Böllern, die auf der Straße gezündet wurden. Wenig überraschend, dass die Polizei dem Spektakel ein Ende bereitete . Doch dürften Ordnungshüter auch allein deswegen eingreifen, weil jemand in seiner Privatwohnung gegen die Coronaschutz-Bestimmungen verstößt? Nein, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg: „Wir können und wollen das nicht kontrollieren. Und wir stehen auch nicht Heiligabend bei Ihnen vor der Tür.“

Das Grundgesetz schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung

Seit 1. Dezember sind die Auflagen in NRW noch einmal verschärft worden : Nur maximal fünf Personen aus zwei Haushalten dürfen sich nun im öffentlichen Raum treffen; an den Feiertagen dürfen es zehn sein. Das Land appelliert eindringlich an die Bürger, sich auch in den eigenen vier Wänden an diese Regeln zu halten. Ausdrücklich verboten sind größere Treffen dort nicht. Denn Wohnungen stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, gelten als unverletzlich.

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Grundsätzlich sei es originäre Aufgabe der Stadt, die Einhaltung der Coronaschutz-Verordnung zu kontrollieren, erklärt Christian Kromberg. Die 42 Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes greifen zum Beispiel ein, wenn sich Bürger auf den Straßen der Stadt nicht an Abstandsregeln halten oder gegen die Maskenpflicht auf dem Spielplatz verstoßen. Sie verfolgen auch Meldungen von Bürgern, die über das umstrittene Online-Formular auf der städtischen Homepage eingehen. Der jeweilige Sachverhalt werde natürlich ermittelt, betont der Ordnungsdezernent. „Niemand bekommt nur aufgrund der Angaben in dem Formular eine Sanktion.“

Das Ordnungsamt kontrolliert an den Feiertagen – aber nur im öffentlichen Raum

Zwischen den Jahren und besonders zu Silvester werden die Ordnungsdienstmitarbeiter verstärkt kontrollieren; von den Betriebsferien der Stadtverwaltung sind sie ausgenommen. Die Polizei werde sie im Zuge der Vollzugs- und Amtshilfe und im Rahmen der Doppelstreifen mit dem Ordnungsdienst unterstützen sowie die Einsätze nach 22 Uhr übernehmen. Ob aber an den Weihnachtsfeiertagen oder in der Neujahrsnacht mehr als zehn Menschen im eigenen Zuhause miteinander feiern, werden weder Polizei noch Ordnungsdienst überprüfen, sagt Kromberg. Selbst wenn es der besorgte Nachbar meldet. „Es ist völlig unvernünftig, aber zu Hause können Sie sich stapeln.“

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Es sei denn, man falle zusätzlich auf, etwa durch Lärmbelästigung. Dann kann wie bei 17-jährigen Party-Gastgeberin die Staatsmacht unverhofft anklingeln. „Wir machen keine Kontrollgänge. Aber wenn Nachbarn eine Ruhestörung melden, fahren wir hin“, erklärt Pascsal Schwarz-Pettinato, Sprecher der Essener Polizei. Zeige sich die Festgesellschaft uneinsichtig, so dass die Beamten mehrfach kommen müssen, „können wir auch die Anlage sicherstellen“. Zu diesem Zweck dürften die Polizisten die Wohnung betreten.

Böller, Lärm und 50 Gäste: Polizei stoppte Party einer 17-Jährigen

Anders als mancher Laie vermutet, ist dafür kein Durchsuchungsbeschluss erforderlich „Wir sind dann zur Gefahrenabwehr dort, nicht zur Strafverfolgung“, sagt Schwarz-Pettinato. Das heißt, dass die Beamten keine Schubladen oder Schränke öffnen dürfen. „Aber wenn ein Tütchen Gras offen auf dem Tisch liegt, ist das ein Zufallsfund.“ Die Bürger seien übrigens verpflichtet, der Polizei zu öffnen, wenn die etwa wegen einer Lärmbeschwerde klingele: „Wenn jemand darauf hin nicht aufmacht, dürfen wir die Wohnung sogar von einem Schlüsseldienst öffnen lassen.“

Bei der Party im Südostviertel hätten übrigens gleich mehrere Anwohner angerufen – spätestens die Böller sorgten in der Nachbarschaft für Sprengstoff. Und weil sich das lautstarke Partygeschehen von der Wohnung auf Hausflur und Straße verlagert hatte, griff auch die Coronaschutz-Verordnung: „Das war quasi ein Gesamtpaket“, sagt Schwarz-Pettinato. „Wir haben eine Ordnungswidrigkeitsanzeige geschrieben, die an die Stadt geht.“ Die setze auch die Höhe eines möglichen Bußgeldes fest. Möglicherweise schalte sie auch das Jugendamt ein, da die 17-Jährige allein in der Wohnung lebt.

Dezernent setzt auf die Umsicht der Bürger: Wer wolle schon seine Eltern anstecken

Dass Bürger Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnungen melden, habe zuletzt nachgelassen. Im Sommer seien viele Anrufe eingegangen, die sich auf Treffen im Freien bezogen – also im öffentlichen Raum. Mitunter sei die Grenze zwischen der Lust an der Denunziation und einem berechtigten Schutzinteresse nicht leicht zu ziehen, sagt Schwarz-Pettinato. „Darum machen wir uns vor Ort ein Bild.“

Ordnungsdezernent Kromberg hofft, dass die Essener an den Feiertagen auch ohne Hausbesuche von Polizei und Stadt ein gutes Bild abgeben. Er selbst werde Weihnachten in zwei Schichten und mit reichlich Abstand feiern, um Eltern und Schwiegereltern nicht zu gefährden. Er setze auch bei seinen Mitbürgern auf Umsicht zum Fest der Liebe : „Wer will schon dafür verantwortlich sein, dass er Mutter oder Vater mit Covid-19 ansteckt.“