Essen. Im November starben in Essen mehr Menschen in Verbindung mit einer Corona-Infektion als in den gesamten acht Monaten der Pandemie zuvor.
Die Zahl der Essener, die in Verbindung mit einer Corona-Infektion gestorben sind, ist im Monat November massiv angestiegen. Gab es seit dem Ausbruch der Pandemie im März bis zum 1. November 56 Tote zu beklagen, waren es Ende des Monats 123 Tote – die Zahl hat sich also im vergangenen Monat mehr als verdoppelt. Im November starben mehr Menschen in Verbindung mit einer Corona-Infektion als in den acht Monaten zuvor.
In der Regel waren Menschen betroffen, die älter als 70, häufig älter als 80 Jahre waren, und immer litten sie an so genannten Vorerkrankungen. 106 der bislang 123 Toten waren 70 Jahre und älter; elf Patienten waren zwischen 60 und 69 Jahren. Der bislang jüngste Essener Patient, der in Verbindung mit einer Corona-Infektion starb, war ein 26 Jahre alter Mann aus Kray, der dem Vernehmen nach ebenfalls Vorerkrankungen hatte. Er starb Ende April.
Mediziner: Todesrate folgt dem Verlauf der Epidemie
Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Uniklinikum, erklärt, warum es aktuell so viele Todesfälle zu beklagen gibt: „Die jetzt gestiegene Mortalitätsrate folgt dem Verlauf der Epidemie. Eine stark gestiegene Zahl von Infektionen hat eine stark steigende Zahl von Todesfällen zur Folge – zumindest unter den Risikopatienten, zu denen die alten Patienten zählen.“
Der erste Corona-Fall in Essen wurde am 1. März bestätigt. Wenige Tage später kam die Nachricht vom ersten Todesfall – es war eine 89 Jahre alte Frau. Die höchste Anzahl akuter Infektionen wurde während der so genannten ersten Welle Ende März erreicht – da waren gleichzeitig 317 Bürger in Essen mit Corona infiziert. Die jetzigen Zahlen sind fast viermal so hoch: Derzeit gibt es in Essen rund 1.200 bestätigte Corona-Infektionen. „Entsprechend überrascht die derzeit hohe Zahl der Todesfälle aus medizinischer Sicht nicht“, sagt Oliver Witzke. „Die teilweise hoch betagten Patienten haben häufig keine Reserve mehr, um das Virus zu bekämpfen.“
Besuchszeiten sollen nicht weiter eingeschränkt werden
Im Sommer, als die Zahlen niedrig waren, hätten sich vor allem Jüngere angesteckt – zum Beispiel auf Reisen. „Was wir dagegen jetzt erleben“, erklärt Witzke, „ist, dass das Virus trotz aller erfolgreichen Bemühungen zum Beispiel nicht vollständig aus den Pflegeeinrichtungen herauszuhalten ist. Dafür ist dort zu viel Betrieb durch Personal und Familienbesuche.“
Weil die meisten Corona-Opfer derzeit ältere Senioren und Pflegepatienten sind, hat Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel laut darüber nachgedacht, ob man die derzeit eingeschränkten Besuchsregeln in Altenheimen wieder verschärfen müsste. Ein Gespräch mit den Pflegedienst-Leitungen und Verbandsvertretern kam jedoch zum Ergebnis, dass derzeit nichts geändert werden müsse. Ein generelles Besuchsverbot sei kontraproduktiv, hieß es übereinstimmend. „Wir kommen mit den derzeitigen Regeln gut zurecht und haben die Lage im Griff“, sagt zum Beispiel Heribert Piel, Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft GSE, die sieben Altenheime in Essen sowie eine ambulante Tagespflege betreibt. Außer Einzelfällen habe es keine weiteren Infektionen in den GSE-Heimen gegeben, und an die Einschränkungen bei den Besuchsregeln hätten sich alle Beteiligten gewöhnt.
Täglich werden alle Bewohner auf Symptome untersucht
Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel betont, dass alle Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen von größter Bedeutung seien: Täglich würden sämtliche Bewohner und Mitarbeiter auf Symptome hin überprüft. Bei leichtesten Symptomen dürften Pfleger und Pflegerinnen nicht arbeiten und die Bewohner würden dann einem Schnelltest unterzogen. Wird derzeit in einem Pflegeheim ein Corona-Verdacht bestätigt, wird der Wohnbereich der Station – also die offenen Zonen – geschlossen. Die Maßnahmen, betont Renzel, würden derzeit nicht nur in den Heimen angewandt, sondern auch bei der ambulanten Pflege. Von 24.000 pflegebedürftigen Menschen in Essen würden zwei Drittel zu Hause von Pflegediensten und Angehörigen versorgt. „Wir müssen weiter wachsam sein“, mahnt Renzel.
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