Essen. Verkaufen auf Abstand und Einzelstände statt trubeliger Marktgassen – auf schmalem Grat will die Stadt vom Budenzauber retten, was zu retten ist.
Hilft ja alles nichts: Weihnachtsmärkte sind in NRW bis zum Monatsende „unzulässig“, so steht es in der gestern erst wieder überarbeiteten Corona-Schutzverordnung, Paragraf 11. Aber weil nicht nur den Fachleuten im Rathaus kaum einleuchten mag, warum der Christbaumkugel-Verkauf im Kaufhaus erlaubt bleibt, beim Budenzauber aber nicht, sinnt man jetzt nach Auswegen aus der Misere – und landet bei einer abgewandelten Textzeile aus dem Schaffenswerk von Herbert Grönemeyer: Wann ist ein Markt ein Markt?
Denn die Sache ist ja die: Verkaufsstände sind nicht per se verboten, sondern nur – wie heißt es in der Gewerbeordnung so schön? – jede „zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Anbietern bestimmte Waren feilbietet“. Aber was ist schon viel? Fünf Buden und ein Karussell? Zehn? Oder mehr?
Steele als besonderes Markt-Problem
Sollte sich ein Stück vom Weihnachtsmarkt in der Innenstadt „retten“ lassen, wäre das nicht zuletzt den teils weitläufigen Plätzen zu verdanken.
Problematischer fällt die Lage dagegen in Steele aus: Dort habe man es mit deutlich beengteren Verhältnissen zu tun, heißt es aus dem Rathaus. Ob vor diesem Hintergrund Buden-„Inseln“ oder Ähnliches möglich sind, müsse sich zeigen.
Sind 16 Buden auf dem Kennedyplatz zu viel? Kommt drauf an, heißt es
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen ist bei der Entscheidungsfindung leider keine große Hilfe: Dort sieht man ein Marktgeschehen als gegeben an, wenn die bereits erwähnte „Vielzahl von Anbietern (...) in einem gewissen räumlichen Zusammenhang ihre Stände haben“.
Ob jene 16 Holzbuden, die da seit dem Abbruch des Budenbaus auf dem Kennedyplatz ein wenig verloren und unkoordiniert herumstehen, schon als Markt durchgehen, kann keiner sagen. „Diese unbestimmten Rechtsbegriffe sind anhand der konkreten örtlichen Verhältnisse zu beurteilen“, sagt ein Ministeriums-Sprecher, und in genau dieser Phase bewegen sich derzeit die städtischen Juristen.
Die städtischen Juristen haben eine „sehr zufriedenstellende“ Auskunft parat
Deren Prüfung der Rechtslage kommt nach den Worten von Ordnungs- und Rechtsdezernent Christian Kromberg zu dem für ihn „sehr zufriedenstellenden“ Schluss, dass äußerstenfalls 20 Buden in einer Art inneren Zusammenhang beieinanderstehen können, bevor man wirklich von einem Markt sprechen kann. Will sagen: Darunter ließen sich die Stände schlicht einzeln genehmigen, ohne gegen die Corona-Schutzverordnung zu verstoßen.
Das mag mancher arg spitzfindig finden, doch auf der Suche nach ein bisschen Handel an der frischen Luft, der nicht gleich die Bitte der Kanzlerin um ein spürbares Absenken persönlicher Kontakte konterkariert, findet sich die Stadt Essen nicht allein. Das Ministerium etwa berichtet von einer „hohen Anzahl Anfragen“. Und in Düsseldorf, so scheint’s, hat man auch schon eine Antwort gefunden.
Düsseldorf macht’s vor: Statt eines kompakten Marktes mehrere „Inseln“
Dort hat die Stadtverwaltung dem örtlichen Schaustellerverband sogenannte „Insellösungen“ für ihre Buden angeboten . Jeweils bis zu fünf verschiedene Stände, so hieß es am Dienstag in einer Mitteilung aus dem Rathaus der Landeshauptstadt, könnten „entzerrt und im Innenstadtgebiet verteilt“ errichtet werden.
Eine Idee, über die nun auch in Essen laut nachgedacht wird. In den nächsten Tagen will sich die Stadt deshalb mit der Marketing-Gesellschaft austauschen, an welchen Standorten zu welchen Uhrzeiten und mit welchem Angebot Weihnachtsmarkt-Stände öffnen könnten, ohne formell einen Weihnachtsmarkt zu bilden.
Unter den Schaustellern läuft die Umfrage: Wer wäre bereit mitzumachen?
„Wir stehen da vor einer schwierigen Abwägung“, bekennt Kromberg: Die Lösung müsse rechtlich einwandfrei ausfallen, die Gesundheits-Standards müssten eingehalten werden, die Infektionslage dem gebremsten Treiben nicht widersprechen und der Lockdown nicht gänzlich untergraben werden. Nicht zuletzt wird auch in der Bürgerschaft kritisch beäugt, wie streng oder lax die Stadt die Schutzregeln in Sachen Corona auslegt . Und schließlich müsse sich die ganze Chose auch für die Händler lohnen.
Ob die überhaupt noch ein gesteigertes Interesse an jenem Budenzauber haben, von dem ihnen 18 Öffnungstage im November bereits genommen sind, muss sich zeigen. Die Umfrage dazu läuft bereits. Gut möglich, dass so manchem Schausteller der Aufwand für drei letztlich doch nicht endgültig kalkulierbare Dezember-Wochen schlicht zu groß ausfällt.
Denn einen Schnellschuss will die Stadt nicht wagen: Knapp zwei Wochen, so schätzt der Ordnungsdezernent, werde man noch brauchen, um einen möglichen Weihnachtsmarkt freizugeben. Pardon: die Buden-Inseln natürlich.