Essen. “Traurig und stolz zugleich“ sind zwei Angler, die im Oktober einen 2,25 Meter langen Wels in Essen aus der Ruhr fischten.
Es war ein Nachmittag im Oktober, als die Angelfreunde Frank Petschulat und Ulrich Bohnen auf ihrem Boot saßen, um Hechte aus der Ruhr zu fischen. Plötzlich ein Ruck. Der Zug auf der Angelschnur war so heftig, dass ihr Boot eine Stunde lang über den Fluss gefegt wurde.
„Mir war sofort klar, dass es ein Wels ist“, sagt Frank Petschulat, 61, ein ehemaliger Industriemeister, als er drei Wochen später am Ufer der Ruhr in Werden steht. Er zeigt auf die Stelle, wo es passierte: einige hundert Meter hinter der Brehminsel, Richtung Kettwig. Mit dem Finger macht er Zick-Zack-Bewegungen, um den Weg des Bootes nachzuzeichnen.
Essen: Zwei Angler fangen Riesen-Wels in der Ruhr in Werden
„Das Angeln wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt Petschulat. Sein Vater hat ihn schon als 3-Jährigen mit an den Fluss genommen. Am Angeln gefällt ihm, in der Natur zu sein, und das Listige – sich zu überlegen, wie man den Fisch austricksen kann. „Auch die Ungewissheit: ‚Was ist da unten?’ reizt mich“, sagt er.
Nun hat er hat den größten Fisch zwischen Kettwig und Werden geangelt, seit dort Fanggrößen aufgezeichnet werden. Der Wels war eine Welsin, sie wog 70 Kilogramm und maß 2,25 Meter. „So lang wie eine Tür plus ein bisschen“, sagt Petschulat, streckt den Arm hoch und stellt sich auf Zehenspitzen.
Am Morgen des 14. Oktober ließen die beiden Männer gegen 10 Uhr ihr Boot ins Wasser, in der Nähe des Fischereivereins im Löwental. Sie tuckerten los, anfangs war noch Henry dabei, der Enkel von Ulrich Bohnen. „Zum Glück haben wir den vor dem Fang abgesetzt“, sagt Bohnen. „Was danach passierte, ist nichts, womit man ein Kind ans Angeln heranführt.“ Der Wels biss an, als sie um 15.30 Uhr hinter der Werdener Brücke mit dem Boot lagen. In 2,50 Metern Tiefe, schätzt Petschulat.
Wels ernährt sich auch von Nutrias und Enten
Wenn man einen Wels sieht, wirkt er zunächst so, als gehöre er nicht in die Ruhr. Eher in die Tiefsee: die kleinen schwarzen Augen und die sechs knorpeligen Barthaare, die aus seinem Kopf ragen. Öffnet er sein Maul, entsteht ein Sog, durch den er sogar Nutrias und Enten in seinen Magen saugen kann. „Der Wels war nicht unser Zielfisch, ich hatte einen kleinen gelben Gummiköder an der Schnur. Damit fängt man eher Hechte.“ Nachdem der Wels „unser kleines Motorboot eine Stunde diktiert hat“, verlor er an Kraft.
Sie versuchten, ihn ins Boot zu hieven, aber er war zu schwer. „Damit wären wir umgekippt“, sagt Bohnen. Die Angler steuerten es an einen kleinen Sandstrand. Petschulat stand bis zu den Knien im Wasser und zog den Riesen an Land. Ein Vater und seine beiden Söhne blieben stehen, um das zappelnde Ungetüm zu beobachten. Bohnert bat den Vater zu gehen, was jetzt komme, sei nichts für Kinder. Sie entfernten sich.
Mit einem Fischtöter schlug Petschulat auf den Kopf des Welses, um ihn zu betäuben. Mit dem Messer stach er ins Herz, um ihn auszubluten. Eine rote Pfütze breitete sich vor dem Wels aus. Er war tot. Hin und wieder zuckte sein graugrünlicher, schuppenloser Körper.
Petschulat: „Ich bin traurig und freue mich“
Eine Passantin sah, wie der Körper zuckte, und ging auf die Angler los. „,Töten Sie den Fisch richtig, er leidet, rief sie und beschimpfte uns!‘“, sagt Bohnen. Die Angler setzten die Arbeit fort. Mit einem Seil zogen sie den Wels zu ihrem Vereinshaus.
„Bah, wie ekelig“, sagte seine Frau und floh, als er mit einer Säge und einem Beil den Fisch im Garten auf einem Campingtisch zerlegte. Seine drei Söhne gratulierten ihm. Am nächsten Tag räucherte er das Fleisch.
Auf Facebook hat Ulrich Bohnen Bilder vom toten Wels gepostet, darauf folgten negative Kommentare: Dass er den Wels nicht hätte töten dürfen. Dass er ihn hätte zurücksetzen sollen. Dass es für den Fisch eine Qual gewesen sei. „Die Kritik nagt an mir“, sagt Petschulat. Auch, dass es so ein großer Fisch ist, lässt ihn zweifeln.
Ruhrfischereigenossenschaft: Petschulat hat richtig gehandelt
Doch er sagt auch: „Ein Fisch in der Größenordnung gehört hier nicht hin.“ Die Welse breiten sich aus, sie wachsen ihr 80 Jahre langes Leben, fressen dabei zu viele andere Fische und haben keine Feinde außer dem Angler, erklärt er. Der Geschäftsführer der Ruhrfischereigenossenschaft, Stefan Jäger, sagt: „Mit dem Fang und der Entnahme des Welses zum Verzehr hat der Angler richtig gehandelt.“ Das ergebe sich aus der Landesfischereiverordnung und dem Tierschutzgesetz. Der Wels hat keine Schonzeit und kein Mindestmaß.
Frank Petschulat streicht seine Schuhspitze über einen Stein am Ufer und sagt: „Der Wels ist ein besonderer Fisch. Sie mögen es im Schlamm, im Verborgenen, wo es warm und kuschelig ist.“ Ihre Maserung fasziniere ihn, ein schöner Fisch. Er blickt auf den Boden. „Ich bin traurig und stolz zugleich.“