Essen. In der heißen Anmeldephase können Kitas wegen Corona keine Besichtigungstermine anbieten. Eine Mutter aus Essen ist verzweifelt.

Als Nele im Februar dieses Jahres auf die Welt kam, war diese noch in Ordnung. Zumindest in Deutschland. Wenige Wochen später schlossen wegen der Corona-Pandemie nicht nur Restaurants, Schulen und Kindergärten, sondern auch Babykurse. Massage, Pekip und Elterncafés wurden nicht mehr angeboten. Und jetzt steht Jennifer Schacht vor dem nächsten Problem: Sie kann keine Kindergärten besichtigen.

Essener Eltern fehlen Austauschmöglichkeiten

Für die Bankangestellte ein Drama. Nele ist ihr erstes Kind. Gerade dann haben Eltern viele Fragen und fühlen sich verunsichert. Warum weint das Baby, wie lange muss man stillen, wie funktioniert ein Abendritual, welche Kindertagesstätte ist geeignet? Die 35-Jährige hätte sich über mehr Austauschmöglichkeiten gefreut, obwohl sie die Situation versteht. Im nächsten Sommer soll Nele in einem Kindergarten betreut werden.

Tage der offenen Tür wurden von den Kitas allesamt abgesagt und auch die persönlichen Besichtigungstermine, die Jennifer Schacht mit den Einrichtungen in Essen-Frintrop, für die sie Nele über das Kita-Portal „Little Bird“ angemeldet hat, wurden gestrichen. „Mir wird immer rückgemeldet, dass keine Besucher rein dürfen“, erklärt die Mutter, der es schon jetzt emotional schwer fällt, ihre Nele abzugeben. „Informationen über das jeweilige Konzept bekomme ich über das Internet, aber ich würde mir gerne ein Bild von der Atmosphäre und dem Betreuungspersonal machen.“

Alle wichtigen Corona-Entwicklungen in Essen lesen Sie in unserem Newsblog

Ein Jahr länger zu Hause zu bleiben, die Pandemie abzuwarten und dann die Einrichtungen zu besichtigen, ist für Jennifer Schacht keine Option: „Das geht finanziell nicht.“ So geht es ihr derzeit wie vielen Mamas und Papas.

Auch interessant

Nicht nur für die Eltern, auch für die Einrichtungsleitungen ist das eine schwierige Situation, der sie mit unterschiedlichen Strategien begegnen. Einige haben die Eltern in Kleingruppen auf ihr Außengelände eingeladen, so konnten die Eltern einen Teil der Erzieherinnen kennenlernen und durch die Fenster schauen. „Mittlerweile sind wir zu Einzelterminen übergegangen“, erklärt Elisabeth Voßenberger, Leiterin der städtischen Kindertageseinrichtung Kämpenstraße. Sie weiß: „Die Eltern geben das größte Glück, das sie haben, in fremde Hände.“ Diese Beziehungsarbeit und die Begleitung der Entwicklung des Kindes sei etwas sehr Intimes. Daher ist es Elisabeth Voßenberger auch wichtig, die Eltern kennenzulernen: „Ich würde nie einen Platz an Fremde vergeben.“

Die Kita Am Heierbusch in Essen-Bredeney hatte Besuchstermine unter Hygienebedingungen angeboten, diese aber mit den stadtweit steigenden Corona-Infektionen wieder abgebrochen: „Es wäre eine Katastrophe, wenn der Kindergarten schließen müsste, weil Besucher eine Infektion eingeschleppt hätten“, erklärt die Leiterin Katja Eimers.

Kennenlern-Termine in einigen Kitas derzeit nur telefonisch möglich

Eigentlich sei jetzt die Zeit, in der man die Familien kennenlernt – derzeit sei das aber nur telefonisch möglich, teilweise hätte sie weinende Eltern am Telefon, die verunsichert sind, um einen Kita-Platz bangen und diverse Spenden anbieten, um diesen auch zu bekommen.

Keine Priorisierungen mehr bei Little Bird

Die Priorisierung von Einrichtungen in dem Anmeldesystem Little Bird wurde nach entsprechenden Rückmeldungen von Kitaleitungen und Eltern entfernt. Diese Entscheidung ist nach Angaben der Stadt gemeinsam mit Jugendamtselternbeirat, Jugendamt und Trägern gefallen.

Häufig habe die Angabe von Priorisierungen von Einrichtungen zu Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Eltern und Kitas geführt. Viele Eltern waren verunsichert, ob sie in anderen Kitas, die nicht ihrer ersten Priorität entsprachen, auch Chancen auf einen Platz hätten.

Aktuell plant das Little-Bird-Projektteam einen Änderungsservice für Eltern – bislang müssen beispielsweise Umzüge im Familienpunkt oder in den Einrichtungen gemeldet werden. Künftig soll es möglich sein, solche Änderungen direkt im System über den Elternaccount vornehmen zu können.

Darüber hinaus arbeitet das Projektteam an einer Schnittstelle zwischen Little Bird und anderen Verwaltungssystemen von Trägern. So sollen die Verwaltungsaufgaben in einer Kita bei der Platzvergabe effektiver gestaltet werden.

Für alle Fragen rund um Little Bird steht der Familienpunkt 0201/ 88-51777 oder per E-Mail: zur Verfügung.

Doch darauf lässt sich Katja Eimers nicht ein, obwohl sie Verständnis für das Dilemma der Eltern hat: „Ich habe 14 Plätze, die zum Großteil an Geschwisterkinder gehen.“ Bisher seien aber bereits über 100 Anmeldungen eingegangen.

Unter normalen Umständen würde sie auch alle Eltern kennenlernen, die im Kampf um einen Kindergartenplatz auf ihre Einrichtung setzen. Jetzt pflügt sie sich durch die Listen und schaut, welche Kinder aufgrund ihres Alters, Geschlechts und dem Einzugsgebiet am besten passen. „Dann wollen wir gezielt die Eltern einladen, deren Kinder in Frage kommen.“

Voraussichtlich fehlen mindestens 1000 Plätze

Noch bis Anfang des Jahres werden Eltern weitere Anmeldungen erreichen, ab dem 1. März werden die Plätze dann vergeben. Schon jetzt ist klar, dass einige Eltern leer ausgehen werden. Voraussichtlich fehlen auch im kommenden Kindergartenjahr mindestens 1000 Plätze in Essen.

Jennifer Schacht hofft, dass sie nicht eine der Leidtragenden ist: „Ich muss definitiv ab August wieder arbeiten.“ Doch sie weiß um die Platznot der Essener Kindergärten und hat schon diverse Szenarien durchgespielt. Eventuell bekommt Nele einen Platz in einer Einrichtung, die ihre Eltern nie von innen gesehen haben. Ansonsten muss sie zunächst von einer Tagesmutter betreut werden und dann in einen Kindergarten wechseln.

Keine Nachricht aus Essen verpassen - mit unserem Newsletter.