Essen. Gedränge in der Fußgängerzone, volle Kinos und Gaststätten: Viele Essener nutzten am Wochenende die letzte Möglichkeit, um noch einmal auszugehen

Gegen 17 Uhr am Samstag Gedränge auf der Einkaufsmeile, wie sonst nur kurz vor Weihnachten. Mit Taschen bepackte Familien, Paare jeden Alters, Schüler und hier und da auch Einzelgänger eilen die Kettwiger Straße entlang. Die meisten mit Masken.

Wo Verkaufsständer, Buden oder Imbiss-Tische das Pflaster säumen, wird es eng. Manche Passanten bahnen sich kreuz und quer einen Weg durch die Menge. Der Trubel endet vor dem Traditionskino Lichtburg. Wer dem roten Teppich ins Foyer folgt, taucht ab in eine ruhigere Welt mit reichlich Abstand.

Die Essener Lichtburg bietet eine ruhige Welt mit reichlich Abstand

Mit einer Freundin aus Duisburg hat Maja Niedernolte gerade zwei Kino-Tickets an der Außenkasse erworben. Für „Jim Knopf“. Ein Kinderfilm? „Ja. In düsteren Zeiten braucht es märchenhafte Geschichten“, meint die Essenerin. Beide Frauen tragen Namen und Adressen in eine Liste ein. Plätze hatten sie nicht reserviert. Doch vor dem neuen Lockdown möchten sie noch einmal Kino-Atmosphäre erleben. „Die Schließung trifft die Falschen. Die Hygiene-Konzepte in den Lichtspiel-Theatern sind sehr gut“, betont Maja Niedernolte.

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Für die ganze Kulturszene sei das erneute Herunterfahren tragisch. Und: „Bei der Gastronomie habe ich ebenfalls das Gefühl, dass die gut aufgestellt waren.“ Marianne Menze, die Geschäftsführerin der Essener Filmkunsttheater, zu denen auch die Lichtburg zählt, ist enttäuscht: „Wir haben den zweiten Lockdown befürchtet. November und Dezember sind unsere besten Monate. Da legen wir sonst Speck für den Sommer an“, erklärt Menze.

Das Kino biete mit zahlreichen Schutzmaßnahmen größtmögliche Sicherheit in Zeiten der Pandemie. Und den Besuchern die Gelegenheit, Stress und Sorgen einen Film lang hinter sich zu lassen. Gerade angelaufen im „Sabu“ im Untergeschoss ist „Greenland“ – ein US-Desaster um einen Kometen, der die Erde bedroht. Klingt spannend.

Letzte GOP-Aufführung vor dem Lockdown ausverkauft

Im GOP-Theater sitzen die Gäste an Tischen, die mithilfe von Plexiglasscheiben unterteilt sind.
Im GOP-Theater sitzen die Gäste an Tischen, die mithilfe von Plexiglasscheiben unterteilt sind. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Im GOP-Theater an der Rottstraße warten die Abendgäste gegen 17.30 Uhr freudig vor dem Eingang. Mit Masken und vorgeschriebenem Abstand. Bald fällt auch hier vier Wochen lang der Vorhang. Doch am Samstag zur Erfolgsshow „Wet“ ist das Haus noch einmal so voll wie gerade möglich.

Lange hatten Jan und Karin Bekaan aus Hagen ihren Varieté-Abend geplant. Eigentlich sollte es „Undressed“ sein, dann wurde der Spielplan geändert. Nun gibt es Akrobatik im wogenden Nass und dazu ein Menü. „Wir sind zum dritten Mal in einer Vorstellung.“ Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben die Bekaans nicht. „In unserem Käfig fühlen wir uns wohl“, scherzen sie. In der Mitte des Tisches trennt sie eine Plexiglasscheibe vom Paar gegenüber. Klaus Hosek aus Essen lobt das Hygienekonzept des Hauses. Schlimmer sei der Weg durch die City. „In der Fußgängerzone habe ich mich sehr viel unwohler gefühlt.“

In der Gastronomie gehen beim Lockdown-Light wieder die Lichter aus

Auch in der Gastronomie gehen ab Montag vielerorts erneut die Lichter aus. Wer keinen Außerhausverkauf anbietet, sperrt den Laden ganz ab. Wie Engin Kuruoglu, der Wirt der „Temple Bar“ am Salzmarkt. Seit acht Jahren führt er das beliebte Szene-Lokal. Bis März konnte man freitags und samstags im Club-Keller tanzen. Jetzt gibt es nur noch Getränke, drinnen und draußen. „Die Einführung der Sperrstunde war schon schlimm genug“, so der Inhaber. Schweren Herzens hofft er auf staatliche Unterstützung: „Wenn die versprochenen Hilfen tatsächlich kommen, wären wir erstmal sicher.“

Anja Hvizdala bedient am Samstag, 31. Oktober, noch ein letztes Mal in der Essener „Temple Bar“ - im November bleiben die Türen geschlossen.
Anja Hvizdala bedient am Samstag, 31. Oktober, noch ein letztes Mal in der Essener „Temple Bar“ - im November bleiben die Türen geschlossen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Doch auch einige Stammgäste hätten finanzielle Sorgen. „Den Studenten fehlen die Jobs“, so der 45-Jährige weiter. „Ich habe für die Maßnahmen Verständnis“, meint Gast Michael Fietz. Die seien momentan zwar bitter für die Gastrobranche, aber wohl nötig, so der Essener.

Norbert Raschke (65) genießt eines der letzten Biere vor der Bar. Prost! Im Freien sei die Ansteckungsgefahr nur ein Zwanzigstel so hoch wie in Innenräumen, behauptet er. Magnus Müller (28) hat sich mit einem Freund in der Gaststätte „Zur kleinen Krone“ an der Viehofer Straße verabredet: ein beliebter Treff für Fußballfans, die hier Sky schauen. In Australien hat Müller den Lockdown miterlebt. „Das war viel härter. Doch hier haben die kleinen Läden am meisten unter der Schließung zu leiden.“ Julio Steppat fühlt sich sicher als Gast. Dass man den Gastronomen wieder komplett den Riegel vorschiebt, findet er schade. Doch: „Die Gesamtzahl der Infektionen muss begrenzt werden“, betont der Essener. Aber ob dies der richtige Weg sei, frage er sich.

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