Essen-Kray. Trennwände, kleine Gruppen: So singen Kinder beim Verein Übehaus Kray in Essen. Der bietet kulturelle Bildung und Integration. Und sucht Räume.

Als die Kinder so richtig loslegten, wackelten im ehrwürdigen Krayer Rathaus die Wände: „Singen ist ‘ne coole Sache. Etwas, was ich gerne mache...“, diese Überzeugung eint 80 Grundschüler, die sich zum Herbstworkshop angemeldet hatten. Doch die Pandemie schränkte das kräftig ein und das „Übehaus Kray“ konnte lediglich zwei Ferienkurse für je acht Schüler anbieten. Und zeigte gleichzeitig wie Singen auch in Zeiten von Corona möglich ist.

Die erste Woche stand unter der Leitung von Elena Stan und Mohamad Usaid Al Drobi, den zweiten Workshop begleiteten Sujeewa Schimaniak und Mohammad Khaled. Die studierte Musikpädagogin kam vor 22 Jahren aus Sri Lanka nach Deutschland, ihr syrischer Kollege studierte in Damaskus Musik und Pädagogik und kam 2015 nach Deutschland.

Ein Stadtteil mit spärlichen Freizeitangeboten für Kinder

Er hat den Verein ins Leben gerufen: Matthias Rietschel, Leiter des  Übehauses Kray, hat Kindern in den Herbstferien Workshops ermöglicht.
Er hat den Verein ins Leben gerufen: Matthias Rietschel, Leiter des Übehauses Kray, hat Kindern in den Herbstferien Workshops ermöglicht. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Für den Übehaus-Leiter Matthias Rietschel ist die unterschiedliche Herkunft der Dozenten Programm: „Wir haben elf Kollegen aus acht Ländern. Das spiegelt auch die Vielfalt in Kray wider.“ Der Stadtteil habe einen hohen Anteil an Migranten und sozio-ökonomische Schwierigkeiten. Große Heterogenität und spärliche Freizeitangebote für Kinder: Da müsse man doch was tun, dachte sich der freischaffende Musikpädagoge und gründete das Übehaus Kray.

Seitdem leistet der gemeinnützige Verein stadtteilbezogene Integrationsarbeit durch kulturelle Bildung: Kinder werden gefördert und wertgeschätzt. Seit 2013 im alten Rathaus zu Hause, teilt man sich die Räumlichkeiten mit der Außenstelle des Jugendamts. Hier gibt es regelmäßige musikalische Angebote: von der Musikwerkstatt bis zum Community Orchestra, vom Kinderkonzert bis zum Ferienprojekt. An die 500 Krayer Kinder nehmen regelmäßig an den Angeboten teil.

Die Kinder lernten wieder, produktiv in einer Gruppe zu arbeiten

Kooperationspartner und Kontakt zum Übehaus Kray

Da Kooperationen vielseitige Angebote für kulturelle Bildung sichern, hat auch das „Übehaus Kray“ engagierte Partner: So gibt es ein musikpädagogisches Kooperationsprojekt mit Studierenden der Folkwang Universität der Künste.

Ein wichtiger Partner ist die Philharmonie Essen mit dem Programm „Musik kommt um die Ecke“. Das „Musikalische Netzwerk Kray“ mit vielseitigen Angeboten für kulturelle Bildung ist bis Juni 2022 durch eine Förderung in Höhe von 75.000 Euro gesichert.

Weitere Informationen sind auf der Webseite www.uebehaus.de zu erhalten. Geschäftsführer Matthias Rietschel ist per Mail unter info@uebehaus.de oder telefonisch unter 0175-4107703 zu erreichen.

Normalerweise müsse man sie nur von der Straße aufsammeln: „Die meisten Kinder haben keine Chance, woanders hinzukommen. Hier fährt man nicht in den Urlaub.“ Die Kleinen seien im Corona-Frühjahr schon genug gestraft worden: „Sie waren quasi zuhause eingesperrt. März, April und Mai waren schlimm.“ Was Matthias Rietschel spüren konnte, als die Kinder endlich „freigelassen“ wurden: „Die Motivation war riesengroß, endlich wieder live Musik machen zu können. Das war eine gute Vorbereitung auf die Rückkehr in die Schulen. Die Kinder lernten wieder, produktiv in einer Gruppe zu arbeiten. Auch jetzt noch sind sie mit unbändiger Lust und erstaunlicher Konzentration dabei.“

Das sollte in den Herbstferien nicht abbrechen: „Überall hört man schlechte Nachrichten. Da wollten wir Positives dagegen halten.“ Corona-bedingt wurden kleine Gruppen gebildet, in denen die Kinder zusammen und einzeln musizierten und durch engagierte Lehrkräfte individuell gefördert wurden. Da wurde getrommelt, Klavier und Gitarre gespielt, in der Malstunde weitere Instrumente kennengelernt.

Hinter Wänden können Kinder ohne Maske und aus voller Kehle singen

In kleinen Gruppen sind die Musikworkshops für Kinder im Übehaus Kray möglich gewesen, die Kinder haben gesungen und Instrumente gespielt.
In kleinen Gruppen sind die Musikworkshops für Kinder im Übehaus Kray möglich gewesen, die Kinder haben gesungen und Instrumente gespielt. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Auch hinter den Alltagsmasken war den Nachwuchsmusikern die Freude anzumerken und Matthias Rietschel höchst zufrieden: „Alle sind mit Feuereifer dabei und so was von konzentriert.“ Zum Schutz gibt es durchsichtige Trennwände. So können die Kinder ohne Maske und aus voller Kehle singen. Wie viel Spaß ihnen das macht, demonstrierte der ausgelassene Kinderchor mit „The lion sleeps tonight“ und einem fröhlichen „Hei hei hussassa, der Herbst ist da“.

Die von der Folkwang-Universität der Künste gestifteten Spuckschutzwände nahm Matthias Rietschel als Stichwort: „Das ist ein Stück weit die Zukunft für uns. Wir werden wohl noch sehr lange mit dem Virus leben und mit kleinen Gruppen arbeiten müssen.“ Der Musikpädagoge zieht den Vergleich zu den Schulen: „Mir tun die Lehrer leid mit ihren viel zu großen Klassen. Differenzierte Arbeit mit 30 Kindern hat ihre Grenzen.“

Weitere Räume für kleine Miete gesucht

Das Übehaus werde jetzt noch intensiver auf die Ideen und Bedürfnisse auch einzelner Kinder eingehen: „So komisch es klingen mag: Corona ist nicht nur ein Nachteil. Die Arbeit in kleinen Gruppen bringt auch Vorteile.“ Doch für solche konzeptionelle Überlegungen brauche man weitere Räumlichkeiten: „Wir platzen jetzt schon aus allen Nähten.“

Eine erste Zusage: „Wir dürfen eine kleine Lagerhalle nutzen. Die ist zu beheizen, zu lüften und vor allem fußläufig erreichbar.“ Es wäre Rietschel eine große Freude, wenn noch weitere sozial eingestellte Vermieter ohnehin leerstehende Räume in Kray anbieten würden: „Allerdings können wir wirklich nur eine kleine Miete zahlen.“

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