Essen. Am Samstag nahmen die Mitarbeiter endgültig Abschied von der Kaufhof-Filiale am Willy-Brandt-Platz in Essen. Es war eine ergreifende Trauerfeier.

Es ist ein Trauertag für „Essen, die Einkaufsstadt“, und vielfach auch ein Tag der Tränen: Am Samstag Vormittag nehmen bei einer emotionalen Veranstaltung auf dem Willy-Brandt-Platz zahlreiche Mitarbeiter endgültig Abschied von ihrer Galeria Kaufhof-Filiale, in der die meisten viele Jahre, teils Jahrzehnte verbracht haben.

Ein Ende im Zeitraffer: Im Juli waren die Mietverhandlungen mit der Gebäudeeigentümerin Koerfer-Gruppe endgültig gescheitert, ab Anfang August hingen dann die Schilder „Wir schließen – alles muss raus“ in den Etagen. Vergangenen Mittwoch dann waren die Regale leer, alle Waren ausverkauft.

Mit Abstand zueinander nehmen die Mitarbeiter Abschied von ihrem langjährigen Arbeitsplatz.
Mit Abstand zueinander nehmen die Mitarbeiter Abschied von ihrem langjährigen Arbeitsplatz. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die geplante Abschlussfeier im Kaufhaus war nicht mehr möglich

Eine Abschlussfeier im Haus war wegen der angestiegenen Corona-Infektionszahlen nicht mehr möglich. Gerne hätte man noch einmal angestoßen, die Getränke waren schon gekauft. Nun muss der Abschied unter freiem Himmel stattfinden. „Wie eine Beerdigung“, sagt mit brüchiger Stimme eine Mitarbeiterin, die zehn Jahre hinter der Kasse stand und ihren Namen lieber nicht nennen will.

Als zu feierlicher Trompetenmusik symbolisch ein Kranz und Rosen niedergelegt werden, kramt sie nach einem Taschentuch. Die Abstände werden eingehalten, doch wenn die Tränen kommen, dann gestattet man sich auch einmal eine Umarmung.

Thomas Stiewski ist der Kummer ins Gesicht geschrieben. 30 Jahre lang arbeitete er am Willy-Brandt-Platz: „Ich habe schon meine Ausbildung hier gemacht, erst Teil- und dann Vollzeit hier gearbeitet.“ Seine Arbeit in der Abteilung für Reisegepäck, den direkten Kontakt mit Kollegen und Kunden, nicht im Büro sitzen zu müssen – all das habe er immer gemocht. „Ich hoffe, dass ich eine neue Stelle finde, aber in dem Bereich ist es schwierig “, so Stiewski.

85 Mitarbeiter gehen in eine Transfergesellschaft oder in die Arbeitslosigkeit

„Ich bin einfach alt, das wurde mir so ins Gesicht gesagt“, berichtet eine andere Mitarbeiterin. 42 Jahre arbeitete sie für Karstadt-Kaufhof, seit 2012 am Standort Essen. Vor allem die fehlende Unterstützung mache sie traurig: „Ich habe mein Leben lang gearbeitet, und was für Stellen mir da jetzt angeboten werden, ist eine Frechheit.“ Mit 58 Jahren könne man doch keine Lagertätigkeit mehr machen wie eine 20-Jährige. „Stand heute gehen 85 Kolleginnen und Kollegen in die Transfergesellschaft und die Arbeitslosigkeit“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Ulrich Bartel in seiner Ansprache.

Tanja Siegmund hat das Thema Arbeitslosigkeit noch gar nicht wirklich an sich herangelassen. „Für mich ist gerade die Familie, die ich hier verliere, echt der schlimmste Verlust.“ Mit Familie meint sie ihre Kolleginnen und Kollegen im Warenservice. Auch Siegmund ist seit 27 Jahren, seit ihrer Ausbildung dabei.

Ein Blumenkranz wird aufgestellt. Die Aufschrift: „In tiefer Trauer – die Kolleginnen und Kollegen vom Kaufhof Essen“.
Ein Blumenkranz wird aufgestellt. Die Aufschrift: „In tiefer Trauer – die Kolleginnen und Kollegen vom Kaufhof Essen“. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Einige wenige Passanten bleiben bei der Kundgebung stehen: „Ich finde die Schließung schade“, erzählt eine Rentnerin. Sie habe hier Parfüm und Kosmetik gekauft und als junge Frau schon Schallplatten. Nun müsse sie bis zum Limbecker Platz gehen, um ein Kaufhaus besuchen zu können. Direkt neben den Trauernden steht schon der Plastik-Weihnachtsbaum, der die nahende Weihnachtszeit symbolisiert, die für den Handel traditionell die beste Zeit des Jahres ist. Im Kaufhof am Willy-Brandt-Platz wird das keine Rolle spielen.

„Der Laden ist seit Tagen leer“ zur Melodie von Udo Jürgens

Als Zeichen der Verbundenheit sind ehemalige Kolleginnen und Kollegen anwesend, die eigentlich schon in Rente sind. Auch Betriebsräte von Ikea sind da, Oberbürgermeister Thomas Kufen spricht den Menschen Mut zu. Spätestens als aus den Lautsprechern der Refrain von „Ich war noch niemals in New York“ ertönt, bleibt kaum ein Auge mehr trocken und viele schunkeln ohne Einhaken mit. „Der Laden ist seit Tagen leer – eine neue Stelle muss jetzt her“ wird Udo Jürgens Strophe umgedichtet. „Wir werden uns bald wiedersehen, es wird bestimmt bald wieder schön“, heißt es weiter.

Tanja Siegmund macht sich selbst Mut: „Da wo eine Tür zu geht, geht auch eine andere wieder auf.“

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