Essen. Die Erhöhung der Mietobergrenze hat viele Hartz-IV-Haushalte in Essen entlastet. Für über 5800 Bedarfsgemeinschaften reicht das aber nicht.
Obwohl die Stadt die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Haushalte Anfang September deutlich angehoben hat, reicht das für Tausende Bedarfsgemeinschaften in Essen nicht aus. Sie müssen monatlich weiterhin Geld aus der eigenen Tasche drauflegen, um ihre Miete bezahlen zu können. Das geht aus einer Antwort der Stadt auf eine Anfrage der Linksfraktion im Sozialausschuss hervor.
Betroffen sind zum Stichtag 1. September 5846 Bedarfsgemeinschaften und somit fast 14 Prozent aller Hartz-IV-Haushalte in Essen. Die Familien leben in Wohnungen, die nach der Definition der Stadt zu teuer und damit nicht angemessen sind. Das Jobcenter übernimmt in diesem Fall nur einen Teil der anfallenden Miete bis zur festgelegten Mietobergrenze. Den Rest müssen die Haushalte aus ihrem Hartz-IV-Satz aufbringen.
Linkspartei fordert Erhöhung der Mietobergrenze
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Für die Linkspartei steht daher fest: „Die Mietobergrenzen müssen dringend weiter angehoben werden. Die Anhebung, zu der sich die Stadt zum 1. September auf Grundlage des Mietspiegels gezwungen sah, ist unzureichend und kann die jahrelange strukturelle Unterfinanzierung für Sozialleistungsbeziehende nicht ausgleichen“, forderte die Noch-Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke.
Mit Erscheinen des neuen Mietspiegels hatte die Stadt die Mietobergrenzen für Bedarfsgemeinschaften um durchschnittlich zehn Prozent angehoben. Seither kann ein Ein-Personen-Haushalt eine Wohnung für monatlich 410 Euro anmieten. Bislang waren es 361 Euro. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt stieg die Obergrenze von 458,90 auf 516,75 Euro. Einer Familie mit vier Personen werden nun 773,30 Euro Miete zugestanden, vorher nur 681 Euro. Die Werte beziehen sich auf die Bruttokaltmiete (Kaltmiete einschließlich der kalten Betriebskosten).
Tausende Hartz-IV-Haushalte werden durch neue Mietgrenzen entlastet
Zur Wahrheit gehört auch: Diese Anhebung entlastet seither auch tausende Haushalte, die nun bei der Miete nicht mehr draufzahlen müssen. Wie die Stadtverwaltung in der Anfrage weiter mitteilte, waren im November 2019 noch rund 10.200 Bedarfsgemeinschaften und somit jede vierte betroffen. Ein Effekt, den auch die Linken nicht abstreiten. Für sie ist der deutliche Anstieg der Mietobergrenze ein Zeichen dafür gewesen, dass die Stadt jahrelang den Hartz-IV-Empfängern zu wenig gezahlt habe.
Höhe der Mietzuzahlung
Wie viel die 5846 betroffenen Bedarfgemeinschaften selbst zahlen
bis zu 10 Prozent: 2286 Bedarfsgemeinschaften
zwischen 10 und 19 Prozent: 1326 Bedarfsgemeinschaften
zwischen 20 und 29 Prozent: 726
zwischen 30 und 49 Prozent: 786
50 bis 99 Prozent: 560
100 und mehr Prozent: 162
Dass dennoch immer noch so viele Haushalte in aus Sicht der Stadt in zu teuren Wohnungen leben, hat viele Gründe, wie Sozialanwalt Peter Karaiskas berichtet. So würden gerade große Familien nur schwer Wohnungen finden, die im zugelassenen Mietrahmen liegen.
Auch die um sich greifende Sanierung vieler Wohngebäude habe die Mieten in den vergangenen Jahren stark steigen lassen. „Allerdings ziehen die Menschen trotz Mieterhöhung auch nicht gerne aus und wollen lieber in ihrem Umfeld bleiben“, sagt er. Viele zahlen dann lieber die Mietlücke aus ihrem kargen Hartz-IV-Satz. Das betreffe gerade ältere Menschen, die kurz vor der Rente stehen.
Anwalt kämpft dafür, dass der neue Mietspiegel rückwirkend gilt
Karaiskas berichtet aber auch von Familien, deren Kinder zeitweise im Heim leben und die dann nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gezählt werden. Allerdings bräuchten die Familien die größere Wohnung, wenn das Kind zurückkommt oder auf Besuch ist. „Ich denke, es gibt viele individuelle Faktoren, warum Menschen nicht umziehen wollen oder können, obwohl sie es mit Blick auf die Angemessenheit der Wohnung eigentlich müssten“, sagt Karaiskas.
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Er teilt dagegen die Auffassung der Linkspartei nicht, dass die Mietobergrenzen nach der jüngsten Erhöhung immer noch zu niedrig seien. Allerdings fordert er, wie Mietervertreter in der Vergangenheit auch schon, dass das Jobcenter bei der Erstattung der Wohnkosten nicht nur die Bruttokaltmiete betrachten dürfe. Beispiel: Nach einer Sanierung der Wohnung sinken meist auch die Heizkosten. Dies, so Karaiskas, müsste die Stadt dann mit berücksichtigen.
Karaiskas kämpft derweil dafür, dass die Erhöhung der Mietobergrenzen rückwirkend ab März gelten soll. Damals lief der alte Mietspiegel aus und ein neuer lag noch nicht vor. „Dazu haben wir eine Klagewelle beim Sozialgericht angestoßen“, sagte er.