Essen. Schon vor dem 1. Spatenstich wird Essen „Bürgerrathaus“ um fast 40 Millionen Euro teurer. Und das ist noch nicht das letzte Wort.
Es ist eine ebenso gängige wie bedauerliche Praxis, dass Bauvorprojekte der Stadt teurer werden als veranschlagt. Den Damen und Herren im Stadtrat bleibt dann nichts anderes übrig, als die zusätzlichen Ausgaben durchzuwinken. Die Bauarbeiten sind längst zu weit fortgeschritten, als dass sie sich noch anhalten ließen. Und den Abrissbagger will niemand rufen.
Beim geplanten „Bürgerrathaus“ liegen die Dinge anders: Weit vor dem ersten Spatenstich lässt die städtische Bauverwaltung wissen, dass der Neubau an der Bernestraße die Bürger weit mehr kosten wird, als bisher geplant. Statt 120 Millionen Euro werden es voraussichtlich rund 159 Millionen [Warum städtische Bauprojekte oft teurer werden als geplant]. Wobei auch das noch nicht sicher ist. Eine abschließende Schätzung will die mit dem Bau betraute Grundstücksverwaltung Essen (GVE) dem Rat der Stadt bis zum Frühjahr kommenden Jahres vorlegen. Erst dann soll der Rat Baubeschluss fassen.
Beim Abriss der Altbauten rechnet die Stadt mit Schadstoffen in erheblichem Umfang
Die bisherige Kalkulation beruht auf Zahlen von 2017. Angesichts der galoppierenden Baupreise hat die GVE noch einmal nachgerechnet. Unsicherheiten gibt es zudem, was Abriss und Entsorgung der Altbauten angeht. Zur Erinnerung: Das neue Bürgerrathaus soll auf der Fläche des alten Hauptbades und des ehemaligen Gesundheitsamtes entstehen. Laut GVE ist mit Schadstoffen „in erheblichem Umfang“ zu rechnen; abschließende Untersuchungen stehen dazu noch aus. Bislang sind 3,8 Millionen Euro an Abbruchkosten veranschlagt. Es könnte also noch teurer werden.
Womit sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt. Auch dazu nennt die Verwaltung eine Zahl: Die Grenze läge bei 183 Millionen Euro. Alles was darüber liegt, wäre unwirtschaftlich. Es käme die Stadt billiger, weiterhin Büroräume über weitere 30 Jahre anzumieten. Diese Kosten will sich die Stadt sich durch den Bau eines Bürgerrathauses eigentlich sparen.
Geplant ist ein Büroturm mit 14 Stockwerken und Nebengebäude
Geplant ist ein Büroturm mit 14 Stockwerken, der teilweise von einem Nebengebäude mit vier Geschossen eingerahmt wird. Für den Entwurf war das Planungsunternehmen agn Niederberghaus & Partner mit dem 1. Preis eines von der Stadt ausgelobten Architektenwettbewerbes ausgezeichnet worden. Nicht jeder war davon angetan, auch viele Bürger kritisierten den Entwurf. Aktuell befindet man sich laut GVE in den Vorplanungen. Mit dem Baubeginn rechnet die städtische Grundstücksverwaltung nicht mehr im kommenden Jahr, sondern erst 2022.
Vorgesehen war der Neubau bislang für rund 1400 Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Das Sozialamt, Teile des Jobcenters und des Jugendamtes sollen ins Bürgerrathaus ziehen. Angesichts höherer Baukosten wird nun laut darüber nachgedacht, dort weitere Verwaltungsstellen unterzubringen - allen voran das Einwohneramt nebst Bürgeramt. Aus Sicht der Stadt wäre das wirtschaftlicher, denn die angemieteten Räume im Gildehofcenter würden dann nicht mehr gebraucht. Und: In einem Bürgerrathaus würden die Bürger doch Serviceangebote erwarten.
Statt 1400 Mitarbeiter sollen im Neubau 1600 Mitarbeiter der Verwaltung Platz finden
Im Bürgerrathaus müsste der Platz dann aber nicht mehr für 1400 Mitarbeiter reichen, sondern für bis zu 1600. Dies ruft den Personalrat auf den Plan. Dessen Vorsitzender Kai-Uwe Gaida fordert, das bisherige Raumkonzept müsse dringend überarbeitet werden. „Es kann nicht sein, dass die zusätzlichen Kollegen in irgendwelche Ecken neben die Klotür oder neben die Kaffeemaschine gesetzt werden.“ Und: Mehr Bürgerservice bedeute auch mehr Publikum.
Die Verwaltung verweist auf die fortschreitende Digitalisierung. Es sei zu erwarten, dass die Zahl der direkten Bürgerkontakte deutlich zurückgehen wird, weil Bürger ihre Angelegenheiten von zu Hause aus am Computer regeln können. Zudem hat auch die Stadtverwaltung während der Coronakrise gute Erfahrung mit Homeoffice gesammelt, was Kai-Uwe Gaida für den Personalrat bestätigt. Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Personalrat, wie Homeoffice in Zukunft geregelt werden könnte, gebe es bislang nicht.
Die Planungen fürs Bürgerrathaus sind da schon einen Schritt weiter: Dort könnten sich rechnerisch bis zu zehn Mitarbeite sieben Schreibtische teilen, weil nicht alle ins Büro kommen. „Und was ist, wenn doch acht oder neun da sind?“, fragt Gaida. Es gibt Gesprächsbedarf. Vier Jahre nach Baubeginn soll das Bürgerrathaus stehen.
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