Essen. ...und umgekehrt: Ausgerechnet der CDU-Chef im Rat, Jörg Uhlenbruch, verpasst ein Mandat, während ein Genosse im Elend seinen Triumph feiert.

Am Morgen nach einem bemerkenswerten Wahlabend reiben sie sich alle nochmal die Augen: Der Gewinner kann sich nicht so richtig freuen, und der Verlierer mag keine Trübsal blasen. Weil im fulminanten Sieg der Essener CDU bei dieser Kommunalwahl eben auch eine große Niederlage steckt – und irgendwo mitten im Desaster der Sozis ein überragender Triumph; Yin und Yang, ein politisches Wechselspiel, das sich auf zwei Namen verdichten lässt: Jörg Uhlenbruch und Philipp Rosenau. Der eine ist CDU-Chef im Rat, „noch“ muss man sagen, denn an diesem Abend flog er eben dort raus. Und der andere wäre eigentlich einer dieser bemitleidenswerten Genossen, hätte er nicht sein Direktmandat mit 54 Prozent der Stimmen geholt. Das muss man erstmal wegstecken. Hier wie dort.

Jörg Uhlenbruch gibt sich alle Mühe, aber seinen Frust, dem künftigen Stadtrat nicht mehr anzugehören, hört man selbst durch die Telefonleitung: „Das geht auch nicht anders, wenn Sie 21 Jahre lang Politik gemacht haben“, seufzt der 54-Jährige CDU-Chef im Rat, der das Direktmandat im Norden Holsterhausens den Grünen überlassen musste. Die „Versicherung“ für solche Fälle, eine gute Platzierung auf der Reserveliste der Partei – in Uhlenbruchs Fall gar Platz 1 –, zieht diesmal nicht, weil die CDU mit 30 Direktmandaten so viele holte, dass die Liste gar nicht erst zum Einsatz kommt.

Neben Uhlenbruch schauen auch weitere christdemokratische Frontleute in die Röhre

Die Christdemokraten in Essen – sie werden damit Opfer ihres eigenen Erfolgs, und Uhlenbruch ist nicht der einzige: Auch Barbara Rörig, Uwe Kutzner und Ex-Bürgermeister Norbert Kleine-Möllhoff schauen in die Röhre. Für sie heißt es: Adé, Rat.

Aderlass bei der CDU

Dass die Reserveliste nicht zieht und wichtige lokale Politiker das Nachsehen haben, ist nicht neu: Auch die SPD erlebte dies 2009 mit ihrem als Fraktionschef schon ausgeguckten Schulexperten Manfred Reimer.

Die CDU aber wird neben Fraktionschef Jörg Uhlenbruch mit Barbara Rörig und Uwe Kutzner auf gleich zwei Frontleute für Finanzen und Stadtplanung verzichten müssen. Ihr Listenplätze sagen alles: 1, 2 und 4.

Das ist, Uhlenbruch gibt es unumwunden zu, ein ziemlicher Dämpfer bei all der Freude über diesen Wahlabend mit einem wiedergewählten OB Thomas Kufen und der Rolle der Christdemokraten als stärkste Kraft. Es kommt, andererseits, nicht gänzlich überraschend: Theoretisch hat man diese Variante zuvor durchgespielt, aber das zu erleben ist dann noch mal was anderes und definitiv „kein persönliches Highlight“, sagt Uhlenbruch. Er werde weiter politisch aktiv sein, nur anders halt, „das ist eben ein Amt auf Zeit“ und der Bänker gottlob nicht wirtschaftlich von diesem Mandat abhängig.

Ein stadtweites Rekordergebnis für den Studenten als sozialdemokratischen Kümmerer

Im Schatten der Sparkassen-Zentrale, dort wo Uhlenbruch demnächst wieder mehr Zeit im Job verbringen dürfte, sitzt derweil Philipp Rosenau im Café und löffelt den Schaum aus seinem Latte macchiato. Der 26-jährige Student der Volkswirtschaftslehre hat nicht nur der Konkurrenz im Wahlbezirk Haarzopf/Fulerum gezeigt, was eine Harke ist, sondern auch den eigenen Genossen, die an diesem Wahlabend schnell bei der Hand waren mit bedauernden Da-kann-man-nix-machen-Hinweisen auf den allgemeinen Wahltrend, der den Sozialdemokraten nun mal so übel mitspiele.

Kann man offenbar doch: Rosenau hat sein Direktmandat – eines von stadtweit sieben für die Genossen – mit 54,54 Prozent der Stimmen geholt, einsamer SPD-Rekord. Dass er irgendwie dennoch nicht so richtig gut geschlafen hat, schreibt er nicht nur der Überraschung, sondern auch den großen Erwartungen zu, die jetzt an ihm hängen könnten, wie eine zentnerschwere Last.

Die Frage steht im Raum: „Was hat der gemacht, was wir alle hätten machen müssen?

Und er weiß, dass diese eine Frage im Raum steht: „Was hat der gemacht, was wir alle hätten machen müssen?“ Und, na? Rosenau beantwortet sie mit Verweis auf sein Netzwerk im Stadtteil, das ihm augenscheinlich zu einem jener umtriebigen Kümmerer gemacht hat, die die SPD so gern in ihren Reihen weiß. Vernetzt im Bürgerverein, aktiv in Initiativen, rege auf Veranstaltungen – er mischt mit, wo er kann, und hält sich doch für einen, „der sich nicht groß inszeniert“.

Das kam an bei den Bürgern, auch bei denen, die sonst sozialdemokratischer Sympathien unverdächtig sind. Es wird sich zeigen, ob der eine oder andere sich ein Beispiel nehmen wird oder am Ende der Neid überwiegt in einem politischen Hin und Her, das mehr denn je auf überzeugende Personen statt auf alte Parteibande zu setzen scheint. Dass nichts endgültig ist, der Sieg nicht und nicht die Niederlage – auch das ist Politik.

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