Essen. Wegen der Corona-Krise rufen mehr Menschen bei der Telefonseelsorge an als sonst. Es sind auch viele Studenten dabei.

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben deutlich mehr Menschen als üblich bei der Telefonseelsorge angerufen. Die Zahl der Gespräche in den Monaten März und April stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 25 Prozent. Im März führten die Mitarbeiter der Essener Telefonseelsorge knapp 2300 Gespräche, im April sogar knapp 2600. Mitte März hatte es den allgemeinen „Lock-Down“ gegeben mit der Schließung der Geschäfte, Schulen und vieler anderer Einrichtungen.

Die wichtigsten Themen: Angst, Einsamkeit und Gewalt

Die Telefonseelsorge, über Jahrzehnte von den Kirchen jeweils eigenständig organisiert, arbeitet mittlerweile ökumenisch; evangelische und katholische Kirche haben ihr Angebot zusammengelegt.

Angst, Einsamkeit und Gewalt seien die wichtigsten Themen der letzten Monate, bilanziert Olaf Meier, im Bistum Essen für die Telefonseelsorge zuständig. An den Themen am Telefon lasse sich die Entwicklung der Krise ablesen. Im März habe es eine rapide Bedeutungszunahme des Themas Angst gegeben, im März und April des Themas Einsamkeit. Körperliche und seelische Gewalt werde im Mai und Juni stärker wahrgenommen – „vielleicht“, analysiert Meier, „ein Indiz für die Auswirkungen des länger anhaltenden Lock-Downs“.

Viele Menschen hatten erstmals mit dem Phänomen der Einsamkeit zu tun

„Das Thema Einsamkeit begleitet uns schon lange, doch jetzt haben viele Menschen angerufen, die das Thema nicht kannten, unsere Mitarbeiter haben oft gehört: ,Mir fällt die Decke auf den Kopf’“, berichtet Meier. Ältere Anrufer fürchteten, dass es einen neuen Krieg gebe, und oft riefen Senioren an, die darunter litten, ihre Enkel nicht mehr sehen zu können. Oder Erwachsene, die ihre Eltern im Pflegeheim nicht mehr besuchen dürfen. „Da haben“, sagt Meier, „sehr viele Leute eine schwere Zeit gehabt.“

In Essen hätten auch sehr viele Studenten angerufen, berichtet Elisabeth Hartmann, die Leiterin der Telefonseelsorge in Essen. „Sie wussten oft nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen, weil sie ihren Nebenjob verloren haben.“ Auch andere Bürger hätten sich erstmals in ihrem Leben an die Telefonseelsorge gewandt aus Angst, ihre Familie nicht mehr ernähren zu können. Corona mit seinen Schließungen und Kurzarbeit lässt grüßen.

Jetzt ist Weihnachten das nächste Sorgenthema

Die Gesprächszahlen gingen mittlerweile wieder etwas zurück – das liege auch daran, dass viele Beratungs- und Therapieangebote ihre Arbeit wieder aufgenommen hätten, berichtet Olaf Meier.

Doch das Thema Corona treibt die Menschen weiter um: „Viele Ältere fragen sich derzeit, ob sie Weihnachten mit ihrer Familie feiern können“, sagt Elisabeth Hartmann. „Das ist ihnen ein wichtiges Anliegen.“

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar: 0800 111 0 222 oder 0800 1110 111.

Online-Seelsorge: www.telefonseelsorge-essen.de; www.telefonseelsorge.de