Essen. Gesundheitsminister Spahn, OB Kufen und Akteure der Essener Gesundheitsversorgung beraten nach Kliniken-Aus über neues Modell für den Stadtnorden

Vergangene Woche hatte die Mehrheit im Essener Stadtrat noch die Verwaltung damit beauftragt, zu prüfen, unter welchen Umständen die Stadt selber ein neues, modernes Krankenhaus im Essener Norden bauen könnte, um dieses von einem erfahrenen Krankenhausträger betreiben zu lassen. Vorausgegangen war dem Antrag von SPD und CDU bekanntermaßen die vielfach kritisierte Entscheidung des Krankenhausbetreibers Contilia mit dem Marienhospital und dem Vincenz-Krankenhaus zwei Drittel der Hospitäler jenseits der A 40 zu schließen.

Doch neben der Option eines städtischen Neubaus, das wiederum ausgerechnet von Contilia betrieben werden könnte, schmiedet die Stadt zugleich noch ganz andere Pläne für die Gesundheitsversorgung im Essener Norden. Im Beisein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) berieten am Montag Vertreter der Stadt und der hiesigen Gesundheitsbranche über die „Essener Lösung“.

Neues Gesundheitsmodell für den Essener Norden

Das „Innovationsmodell“, wie es Gesundheitsdezernent Peter Renzel nennt, könnte den Wegfall der Krankenhäuser kompensieren, indem es die einzelnen Akteure vernetzt und so ein Zentrum der Gesundheit entsteht. Obgleich nicht im selben Umfang wie die beiden Krankenhäuser es bisher bieten, die geschlossen werden, soll dann auch künftig die stationäre und ambulante Versorgung von Patienten gewährleistet sein.

Doch die Vision der Gesundheitsversorgung im Norden der Stadt geht über die klassische Krankenhausversorgung hinaus. „Die Entwicklung eines Zentrums für Gesundheit für den Essener Norden wäre eine echte Innovation für rund 200.000 Bürger. An diesem Standort kann ein vernetztes und sektorenübergreifendes stationäres, ambulantes und präventives System entstehen, was es in Deutschland bisher so noch nicht gibt. Dazu arbeiten wir weiteren Partnern in der Gesundheitsversorgung, mit der Uni, der Universitätsmedizin, mit den niedergelassenen Ärzte, den Psychotherapeuten, Klinikträgern, Reha-Einrichtungen und Apothekern zusammen“, erklärt Gesundheitsdezernent Peter Renzel.

Im Essener Norden sollen mehr Kinderärzte praktizieren

Professor Susanne Möbus, Direktorin des Urban Public Health Instituts der Uni Duisburg-Essen spricht von einer „Vision und Idee für die Gesundheitsversorgung im Norden der Stadt“, die über die klassische Krankenhausversorgung weit hinaus gehe. „Es geht nicht nur um die Behandlung von kranken Menschen, sondern auch um Prävention. Zusammen mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort, den Apotheken, Therapeuten, dem Jugendamt, dem Job-Center, dem Sozialamt und den Akteuren in den Stadtteilen wollen wir auch ein Präventions-Netzwerk schaffen, also einen Ort, an dem wir Angebote für eine gesunde Lebensführung schaffen“, erklärt Möbus.

Mit am Tisch sitzen bei den Planungen auch die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer. Denn bei der Neugestaltung der Gesundheitsversorgung soll auch die Versorgungssituation in den Stadtteilen berücksichtigt werden. Dass beispielsweise im Essener Süden mehr Kinderärzte praktizieren als im Norden, obwohl dort deutlich mehr Kinder leben, möchte die Stadt künftig als Teil der „Essener Lösung“ ins Lot gebracht wissen. Welche medizinischen Fachrichtungen im Norden am häufigsten gebraucht werden, worauf sich so eine Art „Gesundheitszentrum“ fokussieren sollte, untersucht Susanne Möbus bereits.

Gesundheitsminister Jens Spahn, der vor drei Jahren auf Schloss Borbceck von Oberbürgermeister Thomas Kufen getraut wurde, soll dem Vernehmen nach Interesse an dem Essener Modell bekundet und mögliche Fördermittel des Bundes in Aussicht gestellt haben. Um die möglichen Kosten eines solchen Zentrums zu benennen, sei es indes noch zu früh, so die Stadt.

Gerade weil die Planungen für ein innovatives Gesundheitsmodell im Norden noch am Anfang stehen, ist es Kufen und Renzel wichtig, wie sie betonen, dass in Altenessen von der Contilia, möglicherweise gemeinsam mit Partnern anderer Kliniken, ein Übergang statt der schnellen Schließung aller Abteilungen ermöglicht wird.

Springt die Uniklinik im Essener Norden ein?

„Bis der Standort gemäß des heute überlegten Innovationsmodells entwickelt ist, muss auch der Übergang für die Bürger gestaltet werden. Also sollte auch ein Teil der bisherigen stationären Versorgung im Marienhospital verbleiben, bis die neuen Konzepte auch greifen“, unterstreicht Kufen seine Erwartung. Die Aufsichtsratsvorsitzende des Universitätsklinikums, Bärbel Bergerhoff-Wodopia, machte deutlich: „Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich auch unsere Universitätsmedizin sich im Essener Norden engagiert.“

Kufen und Renzel freuen sich über dieses Signal: „Vielleicht ist es der Universitätsmedizin möglich, für eine Übergangszeit Teile des Marienhospitals anzumieten und dort Angebote für die Bevölkerung so lange aufrecht zu erhalten, bis die neuen innovativen Konzepte greifen können“, so Renzel.