Essen. Vor der geplanten Herbst-Tournee der „Ärzte“ gab’s in Essen jetzt einen Solo-Abend mit Sänger Farin Urlaub. Ein Gespräch über Songs und Katzen.

Corona macht auch vor der selbsternannten besten Band der Welt nicht Halt. Hinter der im Herbst geplanten „In The Ä Tonight“-Tournee der „Ärzte“ steht derzeit wohl noch ein Fragezeichen. Doch während am Wochenende in der Leipziger Arena noch getestet wurde, wie solche Großkonzerte in Zukunft möglicherweise aussehen können, durfte Ärzte-Musiker Farin Urlaub auf der Essener Zeche Zollverein schon einen Solo-Auftritt vor ausverkauftem Haus absolvieren. Im Gespräch mit der Autorin und langjährigen Lit.Cologne-Programm-Macherin Traudl Bünger ging es um das Songschreiben an sich und die Reimkunst im Besonderen.

Farin, der Verseschmied: Dass es der Mann mit der weißblonden Haarschopf und dem breitesten Grinsen der Musikwelt zu einer gewissen Meisterschaft im Reich der Binnen- und Schüttelreime gebracht hat, das wissen nicht nur Ärzte-Fans, die die Punk-Institution seit über 35 Jahren auf ihren herrlich schrägen, manchmal herzzerreißend holpernden und ironiegebrochenen Exkursionen durchs deutsche Sprachreich begleiten. Wo auch auf den ersten Blick eher Refrain-untaugliche Begriffe wie Grenzwertunterschreitung und Aphasie Verwendung finden, wenn der Reim danach verlangt. Über 30 Alben umfasst inzwischen das Gesamtwerk, vom ersten, noch indizierten Album „Debil“ bis zur für Oktober angekündigten Neuveröffentlichung „Hell“. Lied-Zeilen wie „Manche Männer lieben Männer, manche Frauen eben Frauen, da gibt’s nix zu bedauern und nix zu staunen“ bringen seither gesellschaftspolitische Statements in dreiminütigen Gute-Laune-Hits mühelos auf den Punkt.

Die besten Ideen kommen ihm beim Wandern durch den Urwald

Einen Corona-Song haben die Ärzte inzwischen auch gemacht. Zu Hause sitzen ist schließlich blöd für einen Weltenbummler wie Farin Urlaub, der seine Eingebungen sonst bei Wanderungen durch den brasilianischen Urwald erhält und nebenbei auch noch schwartendicke Fotobücher über seine Reisen durch Afrika auflegt.

„Texten ist wie Atmen“-Abend mit Maske

Die Veranstaltung „Texten ist wie Atmen“ wurde schon vor Corona geplant und war bereits nach wenigen Stunden restlos ausverkauft. Für manchen Besucher inzwischen schon ungewohnt: Ein Mindestabstand zwischen den über 500 Zuschauen war nach aktueller Coronaschutz-Verordnung des Landes NRW nicht erforderlich. Die Stiftung Zollverein hatte aber ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet.

Das Tragen von Alltagsmasken am Platz war dabei nicht verpflichtend, wurde aber nicht nur von Sänger Farin Urlaub befürwortet: Mit Mitte 50 sei er ja fast schon „Risikogruppe“ und außerdem wie viele andere „mit ein bisschen Bammel geboren“.

Die Inspiration wartet nicht auf dem heimischen Sofa – so viel ist für Farin Urlaub schon mal sicher. Sorgen um die Produktion neuer Punk-Poesie-Perlen muss man sich angesichts der aktuellen Reiseeinschränkungen trotzdem nicht machen, versichert Farin Urlaub, der sich bei allem Spaß an kruden Kalauern und absurden Wortspielereien keine „Wurschtigkeiten“ verzeiht. Textideen entwickelt der Musiker nämlich nicht nur, wenn er in der Wüste Thar gerade mal wieder für eine Antilope Gitarre spielt, sondern bisweilen auch am heimischen Bügelbrett. Oder beim Motorradfahren. „Unter den Crosshelm passt mein altes Diktiergerät“, verrät der 56-Jährige. Wer einen neuen Ärzte-Hit will, der muss den Gitarristen und Sänger also einfach mal fahren und das Band vollsabbeln lassen. „Nach zehn Tagen auf dem Motorrad ist ein neues Album fertig“, grinst Farin Urlaub.

Rapper Eminem hat Farin Urlaub reimtechnisch inspiriert

Es wird viel gelacht an diesem Abend, von dem sich mancher vielleicht ein wenig mehr aktuelle Bezüge erwartet hätte. Dafür geht es aber auch um Katzen (die mag Farin Urlaub nicht) um die Kindheit. Schon als Schüler habe er seine Hausaufgaben in Reimform abgeliefert hat, erzählt der Musiker gut gelaunt. Und verrät ganz nebenbei, wer ihn in Sachen Binnenreim wirklich inspiriert hat: Keine literarischer Übervater wie Schiller war’s, sondern der amerikanische Rapper Eminem!