Essen. Bisher schickte Essen viele internationale Fachkräfte zum überlasteten Ausländeramt. Nun soll das Welcome-Center seine Zielgruppe erweitern.
Das Welcome- und Servicecenter (WSC) der Stadt wird massiv personell aufgestockt und zu der zentralen Anlaufstelle für internationale Fachkräfte ausgebaut. In der Vergangenheit konnte das WSC dieser Aufgabe oft nicht gerecht werden: So wurden sogar Topkräfte abgewiesen, weil sie nicht das nötige Mindestgehalt erzielten, um zur angesprochenen Zielgruppe zu gehören. Sie wurden zur völlig überlasteten Ausländerbehörde geschickt.
Wochenlang mussten Betroffene auf einen Termin im Ausländeramt warten
Dort mussten die Betroffenen wochen- oder monatelang auf einen Termin warten, statt von der „Willkommens- und Anerkennungskultur“ zu profitieren, mit der das WSC erklärtermaßen im Werben um ausländische Spitzenkräfte punkten will. In einer Mail an Oberbürgermeister Thomas Kufen fragte ein Uni-Professor im vergangenen Jahr, „ob Sie mir erklären könnten, ob hochqualifizierte Migranten in Essen erwünscht sind“. Mit wachsendem Unmut hatte der Wissenschaftler beobachtet, wie seine Mitarbeiterin aus Vietnam mit den Behörden ringen musste.
„Das wäre genau so ein Fall, der in Zukunft beim Welcome- und Servicecenter angesiedelt sein wird“, verspricht Mario Helmich, der sowohl Ausländeramt als auch das 2016 gegründete WSC leitet. „Einem Außenstehenden war die bisherige Unterscheidung ja kaum zu vermitteln.“ Wenn der Rat in seiner Sitzung am Mittwoch, 26. August, zustimmt, wird das WSC in drei Schritten zum „Kommunalen Fachkräftezentrum International“ erweitert.
Erweiterung des Centers als überfälliger Schritt
Dann sind dort auch Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure und IT-Experten willkommen, die nicht die vorgeschriebenen Jahresgehälter erreichen. Aktuell sind das mindestens gut 43.000 Euro brutto; für die Blaue Karte EU sogar rund 55.000 Euro brutto.
Auch für andere Mangelberufe will man den Zugang erleichtern, teilt die Stadt mit. „Ausdrücklich auch für ausgebildetes medizinisches Kranken- und Altenpflegepersonal, das durch den Fachkräftemangel bereits vor der Corona-Pandemie dringend benötigt wurde“.
Der Geschäftsführer der Essener Familien- und Krankenpflege, Dirk Brieskorn, hatte schon 2019 beklagt, dass ausländischen Pflegekräften, die er händeringend suche, „von den deutschen Behörden das Leben oft schwer gemacht“ werde. Dass sie sich bald ans Welcome-Center wenden können, begrüßt Brieskorn nun als „überfälligen Schritt“.
Auch die Fachkräfte von morgen sollen künftig zur Zielgruppe gehören
Der Arbeitsantritt der gesuchten Kräfte dürfte so beschleunigt werden, da sie beim WSC „alle aufenthalts- und melderechtlichen Anliegen“ an einer Stelle erledigen können – und zwar auch auf Englisch.
Nun wünscht sich Brieskorn nur noch, dass sich auch Bewerber, die erst eine Pflegeausbildung antreten wollen, „ans Welcome-Center wenden dürfen“. Genau das sei vorgesehen, bestätigt Mario Helmich. Auszubildende und Studierende werden als „Fachkräfte von morgen“ in die Zielgruppe des WSC einbezogen.
Schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der WSC-Kunden stetig gestiegen, derzeit liegt sie bei 2529. Wenn nun die Zielgruppe erweitert wird, soll folgerichtig auch das Personal aufgestockt werden: von jetzt fünf auf bis zu 23 Stellen, die teils aus dem Ausländeramt abgezogen werden.
Für das neue Team werden die Räumlichkeiten im Gildehof nicht mehr ausreichen; daher soll nun eine innerstädtische Bürofläche zusätzlich angemietet werden. „Langfristig wünschen wir uns natürlich einen einzigen zentralen Standort“, sagt Helmich.
Die Ausländerbehörde soll entlastet werden
Die Befürchtung, dass die geplante Umstrukturierung die Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen WSC und Ausländeramt verschärfe, teilt der Behördenchef nicht. „Da die Ausländerbehörde Aufgaben abgibt, wird die Situation dort entzerrt.“ Er hoffe auf eine Entlastung für Mitarbeiter und Kunden.