Essen. Museum Folkwang zeigt große Keith-Haring-Schau. Rund 200 Werke sorgen in Essen für eine vielschichtige Begegnung mit dem Künstler und Aktivisten.

Keith Haring hat in seinem kurzen Künstlerleben weit mehr als Leinwände bemalt. Dass der US-amerikanische Kunst-Superstar eine Brücke zwischen der Straße und der Kunstwelt bauen wollte und dafür auch Ausstellungsflächen wie U-Bahnhöfe und Taxi-Karosserien genutzt hat, das zeigt die große Haring-Retrospektive im Museum Folkwang.

Dass Haring auch vor textilen Flächen nicht halt gemacht hat, das war bei der Ausstellungs-Preview am Donnerstagabend zu sehen, wo zahlreiche Ehrengäste, von NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen bis zu Oberbürgermeister Thomas Kufen, einen ersten Blick in die großzügige Ausstellung mit rund 200 Haring-Arbeiten werfen konnten. Und nur lobende Worte fanden.

Haring-Kunst zum Anziehen: Viken Arslanian trägt das Meisterwerk zum Andenken an den 1990 verstorbenen Freund.
Haring-Kunst zum Anziehen: Viken Arslanian trägt das Meisterwerk zum Andenken an den 1990 verstorbenen Freund. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein „Bravo to Essen“ gab’s beispielsweise von Viken Arslanian, der für den Ausstellungsbesuch wieder die alte Lederjacke übergeworfen hatte, die ihm sein Freund Keith Haring noch vor dessen frühen Aids-Tod 1990 mit einer seiner berühmten cartoonartigen Figuren bemalt hatte.

Der Belgier hat die Haring-Schau auch schon am vorherigen Standort im Brüsseler Bozar gesehen. Doch bei allem Lokalpatriotismus muss Viken Arslanian anerkennen: „In Essen haben sie einen besseren Job gemacht.“ Das läge schon an der modernen Architektur des Chipperfield-Gebäudes, die diesen tanzenden, taumelnden und immer in Bewegung befindlichen Haring-Figuren Platz einräumen würde. „Nachts werden sie hier von den Wänden steigen und tanzen, das macht der Raum möglich“, lächelt der belgische Geschäftsmann.

Getanzt wurde bei der Museums-Preview im Folkwang natürlich nicht. Die vielen Ehrengäste, darunter auch Johannes Teyssen von Hauptsponsor Eon, Brauerei-Chef Thomas Stauder mit Ehefrau Ricarda, Foto-Professor Timm Rautert und Museums-Kollegen wie der Düsseldorfer Kunstpalast-Chef Felix Kraemer blieben den Corona-Schutzauflagen entsprechend auf Abstand und gerieten hinter den Alltagsmasken doch mächtig ins Schwärmen. „Die Ausstellung ist grandios“, sagt der Recklinghäuser Sammler Thomas Jochheim. „Was hier an Arbeiten zusammengetragen worden ist – Chapeau für alle, die das organisiert haben.“ Das Sammlerehepaar Jochheim besitzt selbst zwei Haring-Werke, „aber nur zwei feine, kleine“.

Die Sammler Ingrid und Thomas Jochheim finden nur Lob für die Haring-Schau: „Die Ausstellung ist grandios.“
Die Sammler Ingrid und Thomas Jochheim finden nur Lob für die Haring-Schau: „Die Ausstellung ist grandios.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Groß und großartig hingegen ist nach Ansicht vieler Premierenbesucher, was Keith Haring alles geschaffen hat. „Haring hat sich getraut, Themen in seiner Kunst aufzugreifen, über die man damals nicht sprach“, sagt Ingrid Jochheim. Gesellschaftliche Konfliktfelder von Rassismus über Homosexualität und religiöse Ausgrenzung würden damals wie heute unsere politische Agenda bestimmen. Peter Friese vom Kunstverein Ruhr sieht in der zeitlosen Relevanz denn auch die Stärke der Haring-Schau: „Es sieht so aus, als wäre es junge frische Kunst und ist doch schon über 30 Jahre alt“,

Wie Haring immer wieder auf gesellschaftliche Veränderungen und künstlerische Strömungen aktuell reagiert hat, das wird in der Folkwang-Schau auf staunenswert vielfältige Art sichtbar. Im Schwarzlichtraum, der einer New Yorker Galerie nachempfunden ist, dröhnt dazu Musik der Zeit. Und mancher im Saal kann sich sogar noch an persönliche Begegnungen mit dem berühmten Männchen-Maler erinnern. Wie Anita Ruhnau, die an diesem Abend das T-Shirt übergezogen hat, das sie bei der Vernissage in der Düsseldorfer Galerie Mayer 1988 getragen hat. Keith Haring hat es damals persönlich mit einem seiner Motive signiert. So kommen Erinnerungen auf an den denkwürdigen Deutschlandauftritt des Kunst-Tausendsassas beim Düsseldorfer Galeristen-Paar, das an diesem Abend natürlich auch auf der Gästeliste steht.

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Und nicht nur Oberbürgermeister Thomas Kufen fühlt sich beim Rundgang durch den weitläufigen Ausstellungsparcours mit den Plattencovern und Videoinstallationen bisweilen an seine Jugend in den 1980ern erinnert. Sichtlich froh, „das Haus endlich wieder mit Gästen zu sehen“.

Die Keith Haring-Schau sei „ein Lichtblick in diesen Tagen“. Und wer sie in den kommenden Wochen besucht, der wird vielleicht nicht nur Farbe, sondern auch ein bisschen von der Energie tanken, die Harings Kunst mit den großen Herzen und den dynamischen hüpfenden Figuren in den Ausstellungssaal pumpt.