Essen. In einem Brief an Aufsichtsräte und kirchliche Akteure mahnt der Oberhirte Klinikkonzepte an, die über die bloße Wirtschaftlichkeit hinaus gehen.

Der anhaltende Streit um die Pläne des Klinikbetreibers Contilia für die Krankenhaus-Landschaft im Essener Norden, er hat auch den Ruf der Kirche arg in Mitleidenschaft gezogen: „Wie kann ein katholischer Träger dermaßen viel Porzellan zerschlagen?“ heißt es kopfschüttelnd in der Politik. Eine Kritik, die selbst dort geteilt wird, wo mancher sie kaum vermutet: an der Bistums-Spitze. In einem Schreiben an den Aufsichtsrat der Contilia und weitere Akteure findet Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck jetzt scharfe Worte.

„Schwer nachvollziehbar.“ So nennt der Bischof die völlig überraschende Aufgabe des Klinik-Neubaus und den anschließenden Schlingerkurs der Contilia – nicht nur für die Menschen im Essener Norden, sondern „auch weit darüber hinaus“.

Ruhrbischof: „Ich sehe hier einen erheblichen Reputationsschaden“

Sprich: auch bei ihm. Klartext eines ansonsten um diplomatische Zurückhaltung bemühten Oberhirten, der viel Verständnis für „Irritation, Zorn und Verärgerung“ in der Altenessener Gemeinde St. Johann Baptist

Das Bistum – nur Minderheitsgesellschafter bei Contilia

Viele in Politik und Öffentlichkeit sehen die katholische Kirche in der Pflicht, bei Contilia einzugreifen. Doch das Bistum selbst verfügt nur über einen sehr kleinen Anteil von 0,005 Prozent. Hauptgesellschafter sind die St. Elisabeth-Stiftung Essen (73,714 %), die Stiftung St. Marien-Hospital zu Mülheim an der Ruhr (16,181 %) und das St. Josef Kuratorium e.V. (10,1 %).

Dem Aufsichtsrat der Contilia unter dem Vorsitz von Professor Helmut Schulte, Ex-Geschäftsführer der agiplan GmbH, gehören insgesamt zwölf Personen an. Unter ihnen (Ex-)Geschäftsleute von Eon Ruhrgas, Gelsenwasser, Stauder und RAG-Stiftung. Für das Bistum sitzt Peter Weingarten in dem Gremium.

aufbringt. Dort habe die Debatte um den Kirchenverkauf zu erheblichen Zerwürfnissen geführt, „die nicht leicht aufzuarbeiten sind“.

Zugleich registriert der Bischof sorgenvoll , „dass es nach wie vor nicht gelungen ist, die neuesten Planungen der Contilia GmbH einer breiten Öffentlichkeit verständlich und nachvollziehbar zu machen“. In dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, heißt es wörtlich: „Ich sehe hier einen erheblichen Reputationsschaden eines christlichen Krankenhausträgers, der weitreichende Folgen haben kann.“

Overbeck verteidigt das Votum des Bistums-Vertreters im Aufsichtsrat

Overbeck verschweigt dabei nicht, dass die Kirche in einem Zwiespalt steckt. Denn als Mini-Gesellschafter der Contilia – die Beteiligungsgesellschaft des Bistums Essen (BBE) hält 0,005 Prozent der Anteile – hat der Bistums-Vertreter im zwölfköpfigen Aufsichtsrat die umstrittenen Pläne mit abgesegnet.

Der Ruhrbischof verteidigt dies mit Hinweis auf die Sorge um die Gesamtentwicklung der Contilia: Es sei für den Aufsichtsrat um die „Abwendung eines möglicherweise größeren wirtschaftlichen Schadens für das Unternehmen“ und um die Handlungsfähigkeit (...) angesichts finanzieller Notwendigkeiten“ gegangen. Ein Satz, der die seit langem gehegte Vermutung nährt, der Klinikbetreiber könnte sich mit der Übernahme

Ihr Kurs ist für den Bischof unverständlich: Dr. Dirk Albrecht (links) und Jens Egert von der Geschäftsführung des Klinikbetreibers Contilia.
Ihr Kurs ist für den Bischof unverständlich: Dr. Dirk Albrecht (links) und Jens Egert von der Geschäftsführung des Klinikbetreibers Contilia. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

der Krankenhaus-Tochter KKE in eine größere Zwangslage gebracht haben, als man einräumen möchte.

Menschen im Essener Norden „dürfen sich nicht ,abgehängt’ fühlen“

Ein Bischof aber, so heißt es in dem Brief, trage eine Verantwortung über aktuelle wirtschaftliche Eckdaten hinaus: „Diese Verantwortung schließt für mich ein, dass wir als Christinnen und Christen aktiv und nachhaltig die Lebens- und Sozialräume der Menschen mitentwickeln und verbessern wollen.“

Und so appelliert Franz-Josef Overbeck „eindringlich“ an die Aufsichtsräte, den getroffenen strategischen Entscheidungen nun auch „nachvollziehbare Umsetzungskonzepte“ folgen zu lassen. Ideen, „die gleichermaßen christliche wie unternehmerische und sozialpolitische Interessen berücksichtigen“. Dies gelte für die Altstandorte Marienhospital in Altenessen und St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg genauso wie für das Philippusstift in Borbeck.

„Bitte behalten Sie dabei ausdrücklich die Ängste und Sorgen der Menschen im Essener Norden im Blick“, schreibt der Bischof noch. Diese bräuchten eine sichere Gesundheitsversorgung und „dürfen sich nicht innerhalb unserer Stadt ,abgehängt’ fühlen“.

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