Essen. Die Mietergemeinschaft Essen sagt: Der neue Mietspiegel zeigt, dass besonders Mieter mit geringem Einkommen von Mieterhöhungen betroffen sind.

Die Mietergemeinschaft Essen fordert mehr Anstrengungen in der Stadt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Der neue Mietspiegel zeigt, dass in der jüngsten Zeit vor allem diejenigen von Mieterhöhungen betroffen waren, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind“, sagte die Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Siw Mammitzsch. Sie rechnet damit, dass die Mieten auf Basis des neuen Mietspiegels weiter deutlich anziehen werden. „Das Mietniveau wird weiter steigen.“

Kritik übt die Mietergemeinschaft aber auch an Veränderungen im neuen Mietspiegel, die den Vermietern stärker in die Karten spiele. „Dieser Mietspiegel folgt klar den Interessen der Wohnungswirtschaft, aber nicht den der Mieter“, meint Mammitzsch.

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Der Mietspiegel gilt seit 1. August. In ihn flossen die Mieterhöhungen der vergangenen viereinhalb Jahre ein. Daraus lässt sich die ortsübliche Vergleichsmiete errechnen, die die Obergrenze darstellt, bis zu der ein Vermieter eine Mieterhöhung in einem bestehenden Mietverhältnis durchsetzen kann. Sie wird aus der Basismiete, der Lage, der Wohnfläche und der Ausstattung der Wohnung mit Hilfe eines Punktsystems berechnet.

Mieten in Nachkriegsbauten sind deutlich gestiegen

Dabei zeigt sich, dass im aktuellen Mietspiegel neben Altbauten vor 1918 vor allem die Basismieten in Wohnungen aus den 1960er, 70er und 80er Jahren vergleichsweise stark gestiegen sind. Das sind die Wohnungsbestände, die es in Essen am häufigsten gibt. „Das sind die Folgen von Flächenmodernisierungen in größeren Siedlungsbereichen, die vor allem bei den großen Wohnungsunternehmen durchgeführt worden sind“, betont Mammitzsch.

Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen.
Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auch die Neubewertung der Lageklassen im Mietspiegel macht deutlich, dass es bei den einfachen bzw. günstigeren Wohnungen nach oben gegangen ist. So kann nun die schlechteste Lage mit drei Punkten mehr im Mietspiegel angesetzt werden als noch im Vorgänger-Mietspiegel. Bei den Wohnungen in Top-Lage ging es sogar um fünf Punkte nach oben. Das heißt, sie werden demnächst wohl noch teurer und somit unerschwinglicher für einen Großteil der Bevölkerung.

Welche Straße welcher Lage zugeordnet wird, geht zum Großteil auf die Bodenrichtwerte zurück. Damit fließen hier besonders die gestiegenen Kaufpreise ein. Mammitzschs Kritik: Die Lageklassifizierung sagt damit gar nichts über die Wohnqualität aus. So hat die viel befahrene Alfredstraße in Rüttenscheid zum Teil die beste Lageklasse 5.

Veränderungen bei den Ausstattungsmerkmalen einer Wohnung

Auch bei den Ausstattungsmerkmalen, die nun einfließen, hat es einige Veränderungen gegeben - nicht zur Freude der Mietergemeinschaft. Zwei Beispiele dafür: Im alten Mietspiegel gab es ganze vier Punktabzüge, wenn keine Warmwasserversorgung in der Küche vorhanden war. Der neue Mietspiegel unterscheidet nun zwischen Untertischgeräten und Boilern. Während es für erstere nicht mehr vier sondern nur noch minus einen Punkt gibt, sind es für Boiler minus 5. Mammitzschs Kritik: Die Untertischgeräte, die es in vielen Wohnungen gebe und meist sogar vom Mieter angeschafft wurden, kommen nun deutlich besser weg als bislang.

Die Beteiligten

Der Mietspiegel wurde vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte unter Beteiligung des Arbeitskreises Mietspiegel beschlossen.

Im Arbeitskreis sitzen: Mieterverein Essen, Mieterschutzverein Ruhr, Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen in der Stadt Essen, Grundstücksbörse Ruhr, Haus & Grund Essen, Ring Deutscher Makler. Außerdem Vertreter des Gutachterausschusses für Grundstückswerte des Amtes für Stadterneuerung und Bodenmanagement.

Ganz herausgefallen ist die Kategorie moderne Badausstattung. Im alten Mietspiegel wurde ein Uraltbad noch mit fünf Punkten deutlich abgewertet. Jetzt fließen nur noch Modernisierungen ein, die je nach Jahr zwei bis drei Punkte zusätzlich bringen.

Insgesamt, so die Mietergemeinschaft, sind im neuen Mietspiegel die Möglichkeiten des Punktabzuges weiter reduziert worden, die Aufschläge dagegen ausgeweitet worden. Für sie ein Indiz, dass sich die Wohnungswirtschaft mit ihren Wünschen stärker durchgesetzt habe. Das werde auch daran deutlich, dass kostenfreie Parkmöglichkeiten am Haus, auch wenn diese zum öffentlichen Straßenraum gehören, als Begründung für eine Erhöhung herangezogen werden dürfen. „Über diesen Punkt haben wir uns zuletzt juristisch mit einem großen Wohnungsunternehmen der Stadt gestritten“, so Mammitzsch.

Mieterseite sitzt mit im Arbeitskreis Mietspiegel

Allerdings: Der Mietspiegel wird auch von Vertretern der Mieterseite in Essen mit anerkannt. Im Arbeitskreis sitzen der Mieterverein Essen und der Mieterschutzverein Ruhr. Beide hätten dem Mietspiegel zugestimmt, sagte der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Peter Rath. Der Gutachterausschuss ist für die Aufstellung zuständig, der Arbeitskreis muss ihn anerkennen. Die Mietergemeinschaft Essen kämpft seit Jahren vergeblich darum, in diesen Arbeitskreis aufgenommen zu werden.

Dass es zu Abweichungen gerade bei den Ausstattungsmerkmalen kommt, könne mehrere Gründe haben, so Rath. Unter anderem sei dieses Jahr ein anderes Institut mit der Erstellung beauftragt worden. Deshalb unterschied sich auch der versandte Fragebogen. Außerdem könne es sein, dass bei bestimmten Merkmalen die Datenbasis zu gering war, um sie einfließen zu lassen.

Mammitzsch geht nun davon aus, dass vor allem die großen Wohnungsunternehmen von dem neuen Mietspiegel Gebrauch machen werden und die Mieten weiter erhöhen. Das sei schon in der Vergangenheit zu beobachten gewesen.

Hier finden Sie den neuen Mietspiegel