Essen. Corona: Veranstaltungswirtschaft steht vor dem Ruin. Unternehmen fordern politische Lösungen zur Rettung ihrer Branche und gehen auf die Straße.
Als die Veranstaltungswirtschaft im Juni mit der bundesweit beachteten „Night of Light“ auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht hat, da war der Protest noch still. Weil die Reaktionen aus der Politik aber nicht wie erhofft ausgefallen sind, wollen sich die Event-Experten nun deutlich lauter zu Wort melden. Denn ein ganzer Wirtschaftszweig kämpft nach monatelangem Covid-19-Stillstand ums Überleben. Am 9. September planen die Veranstalter eine Demo in Berlin. Am Brandenburger Tor wollen die von einer massiven Pleitewelle bedrohten Unternehmen und Beschäftigen – vom Messebauer über den Caterer bis zum Maskenbildner – dann symbolträchtig ihr letztes Hemd für die Rettung ihrer Branche ablegen.
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Der Essener Tom Koperek, Initiator der „Night of Light“ und nun auch einer der Organisatoren des Bündnisses von „Alarmstufe Rot“, will mit der Großkundgebung auf die weitreichenden Folgen des Branchensterbens aufmerksam machen. „Wir stehen vor den Trümmern unserer Existenz.“ Für ihn geht es aber längst nicht mehr nur um abgesagte Messen, Kongresse, Konzerte und Firmen-Events. Nach seiner Ansicht steht nicht nur der sechstgrößte Wirtschaftszweig der Republik mit rund 130 Milliarden Euro Umsatz und einer Million direkt Beschäftigter vor dem Aus, sondern auch ein großer Teil des Kultur- und Gesellschaftslebens. Dazu gehören nach Kopereks Ansicht Theater und Konzertarenen genauso wie der Schützenverein. Noch könnten Veranstaltungen unter freiem Himmel stattfinden. Doch spätestens im Herbst würden die Folgen der Pandemie auf das gesellschaftliche Leben voll durchschlagen, fürchtet Koperek.
In Berlin steht ein riesiger Tisch bereit – als Einladung an die Abgeordneten
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In Berlin wollen die Demonstranten eine Bühne samt Riesentisch aufbauen, an dem alle 709 Bundestagsabgeordneten theoretisch Platz zum Gespräch finden würden. Koperek geht davon aus, dass sich auch Musiker, Schauspieler und Künstler jeglicher Couleur mit der Aktion solidarisieren. Man rechne mit einer fünfstelligen Teilnehmerzahl. Derzeit laufen schon in Städten wie Wiesbaden, Erfurt und vor dem Düsseldorfer Landtag wöchentlich Kundgebungen.
Die Veranstalter der Demo distanzieren sich dabei „ausdrücklich von den Initiatoren und Mitläufern der Demo am 1. August“, sagt Koperek. Zehntausende Gegner der Corona-Politik hatten in Berlin protestiert und gegen zahlreiche Schutzauflagen verstoßen. „Wir kämpfen nicht gegen die Maßnahmen, sondern dafür, die Zeit unter den Maßgaben der Corona-Pandemie überleben zu können“, sagt der Betreiber der Essener „Grand Hall Zollverein“. Dafür müssten politische Lösungen gefunden werden. Die Demo solle zeigen, dass es auch unter den Covid-19-Bestimmungen möglich sei, seinen Unmut zu äußern. Alle Teilnehmer seien schließlich Experten in der Organisation von Events, sagt Koperek. Und auch die Berliner Demo soll das werden.
Night of Light lässt Gebäude in rotem Licht erstrahlen
Stars setzen sich für Großkonzert in Düsseldorf ein
Während die Branche Lösungen von der Politik fordert, verteidigen Künstler ihren Auftritt bei dem für den 4. September mit 13.000 Zuschauern geplanten Großkonzert in der Düsseldorfer Arena gegen Kritik.
Sarah Connor räumt „Verständnis für alle Bedenken“ ein, teilte aber über Facebook zugleich mit: „Ich allein beschäftige übers Jahr um die 150 Menschen, denen im März von heute auf morgen sämtliche Einnahmen weggebrochen sind. Musiker, Tontechniker, Bühnenbauer, Bus-und Truckfahrer.“
Der Comedian Michael Mittermeier schrieb: „Warum ich da mitmache? Weil es bei Liveveranstaltungen nicht nur um uns Künstler geht, sondern um so viel mehr. Um Tontechniker, Bühnenbauer, Veranstalter (…). Live ist nicht systemrelevant, aber überlebenswichtig für viele.“
Rea Garvey nennt das Konzert „einen kleinen Lichtblick für uns alle!“ Der Kritik setzt er das Vertrauen in gute Rahmenbedingungen entgegen: „ein extrem umfangreiches Gesundheits-, Hygiene- und Sicherheitskonzept“.