Essen. Eigentlich ist der Altenessener Walid Siala in den Libanon geflogen, um Blumen am Grab des Vaters niederzulegen. Nun packt er in Beirut mit an.

Die Bilder von der verheerenden Explosion in Beirut gehen um die Welt. Keine 24 Stunden später steht der Altenessener Walid Siala, ein gebürtiger Libanese, am Ort des Geschehens: inmitten in der Ruinenlandschaft mit den Trümmer-Silos des Beiruter Hafens im Hintergrund. Nur wenige Schritte weiter ist das Ammoniumnitrat in die Luft gegangen – eine Katastrophe, die mehr als 135 Menschenleben forderte, Tausende Verletzte und weite Teile der libanesischen Hauptstadt unbewohnbar machte. „Es sind erschütternde Eindrücke“, sagt der Altenessener am Donnerstagmorgen. Nun will er helfen und die Trümmer beiseiteschaffen.

Vergangenen Freitag ist Walid Siala in seine alte Heimat geflogen, um Blumen am Grab seines Vaters niederzulegen. „Das ist an hohen muslimischen Feiertagen so üblich, wir haben gerade das Opferfest begangen.“ Es sollten unbeschwerte Tage in der Levante werden. Doch dann, am Dienstag gegen 18 Uhr, passiert das Unfassbare. „Ich war 24 Kilometer von Beirut entfernt und schwamm gerade im Hotel-Pool, als wir die Explosion hörten. Ich dachte, sie wäre nur 100 Meter von mir entfernt gewesen.“ Siala sieht, wie die Menschen um ihn herum in Panik durch die Gegend rennen, er hört ihre verzweifelten Schreie. Sein erster Gedanke: Sie haben den Beiruter Flughafen bombardiert. Erst in den TV-Bildern wird klar: Es hat den Hafen getroffen – und die halbe Stadt.

Nur 45 Minuten vor der Explosion sitzt Walid Siala in einem Beiruter Straßencafé

Walid Siala steht vor dem markanten Trümmer-Silo im Hafen von Beirut.
Walid Siala steht vor dem markanten Trümmer-Silo im Hafen von Beirut. © W. S.

Walid Siala hat an diesem schwarzen Dienstagabend großes Glück. Denn nur eine Dreiviertelstunde vorher hat er mit Freunden noch entspannt in einem Beiruter Straßencafé gesessen. „Wir haben eine Shisha geraucht.“

Der Altenessener ist in seiner deutschen Heimat bekannt für seine Hilfsbereitschaft – und gut vernetzt. In Essen zählt er Politiker und Verwaltungsleute, Vereinsvorsitzende und Ehrenamtler aus sozialen Initiativen zu seinen Freunden. Als 2015 die Flüchtlingswelle Essen erreicht, packt er in verschiedenen Freiwilligen-Initiativen mit an, um die Neuankömmlinge aus Syrien und Irak unterzubringen.

Am Tag der Explosion ist der Kurzurlaub für Siala schlagartig beendet, er will jetzt mitanpacken und am liebsten die Trümmer beiseiteschaffen. „Ich bin einfach zum Hafen gefahren.“

Obwohl Militärs und Sicherheitskräfte die gigantische Trümmerlandschaft hermetisch abriegeln, drückt ein Uniformierter ein Auge zu und lässt ihn passieren. So wird Siala Zeuge von Szenen, die er womöglich sein Leben nicht vergessen wird. Zuerst kommt er an einem zusammengestürzten Gebäude vorbei, aus dem die Rettungskräfte den Leichnam eines Explosionsopfers bergen. Doch Trauer und Freude sind an diesem apokalyptischen Ort, aus dem überall Rauchschwaden aufsteigen, nicht weit auseinander. Denn nur ein paar Schritte weiter reißen andere Rettungskräfte jubelnd die Arme in die Höhe. „Sie haben einen Überlebenden aus den Trümmern gezogen.“

Vor einem Jahr traf der Altenessener Weltmeister Julian Draxler beim Beirut-Urlaub

Die beklemmenden Bilder und Videos von der zerstörten Hauptstadt hat er bei Facebook gepostet. Es sind Dutzende Aufnahmen, eine verstörender als die andere.

Dass er auf einigen Bildern eine schwarze Alltagsmaske mit der Werbung des Altenessener Haar-Studios „Sara“ trägt, ist kein Zufall. „Musti“, der Promi-Friseur, der Bundesligaspielern von Schalke und Dortmund, deutschen Nationalspielern, Weltmeistern und sogar dem mehrfachen Weltfußballer Ronaldo die Haare geschnitten hat, ist sein Neffe. Eine Anekdote am Rande: Gut ein Jahr zuvor war Walid Siala mit dabei, als der Promi-Friseur zusammen mit den beiden PSG-Stars und Ex-Schalkern Julian Draxler und Thilo Kehrer ein paar Urlaubstage in Beirut verbrachte.

Palettenweise Wasser für die Rettungskräfte, Besen und Handschuhe zum Wegräumen

Als Walid Siala stundenlang durch das zerstörte Beirut schreitet, dauert es nicht lange, da packt ihn das Helfersyndrom. Er schafft 40 Paletten Mineralwasser heran, um wenigstens den Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern eine Erfrischung zu geben. „Wir haben auch was zum Essen besorgt.“

Am Donnerstag karrt er wieder eine große Ladung Wasser heran. 1200 Flaschen, die in der sengenden Hitze den Durst der Helfer löschen sollen. Im Baumarkt organisiert er Besen und Arbeitshandschuhe, um Dreck und Trümmer wegschaffen zu können.

Auf seiner Facebook-Seite erreichen ihn unterdessen immer wieder Hilfsangebote aus Deutschland. „Die Leute in Essen wollen uns unterstützen, das ist toll“, sagt Siala.