Im neuen Verteilzentrum an der Pferdebahnstraße lässt sich beobachten, wie der Online-Handel boomt. Bei der Logistik setzt Amazon auf E-Mobilität.

Wohin die Reise im Einzelhandel geht, lässt sich in Essen gerade beobachten. Während das Aus für den Kaufhof beschlossene Sache ist und der Verbleib von Karstadt im Limbecker Platz am seidenen Faden der Hoffnung hängt, während die Innenstadt also um ihre Zukunft ringt, hat der Internet-Riese Amazon am Freitag kaum einen Kilometer entfernt an der Pferdebahnstraße sein neues Verteilzentrum offiziell eröffnet.

Auf 15.000 Quadratmeternzwei baugleiche Hallen errichtet

Wo früher einmal Pferde die Kohlenwagen von den Zechen Helene Amalie, Graf Beust und Matthias Stinnes zur Eisenbahn transportierten, rollen seit Februar täglich Hunderte Kleintransporter vom Hof, um den Kunden auf der „letzten Meile“ zu liefern, was diese so alles im weltweiten Netz bestellt haben. Gibt es doch kaum etwas, was Amazon nicht nach Hause bringt.

50.000 Pakete pro Tag verlassen das Verteilzentrum, das sich Amazon rund 18 Millionen Euro hat kosten lassen. Auf dem 15.000 Quadratmeter großen Areal, das bis 2018 der Metro als Großlager diente, nutzt der Onlinehändler zwei baugleiche Hallen, Arbeitsplätze für 180 Mitarbeiter sind entstanden.

Natürlich mache auch er sich Gedanken über den Trend im Einzelhandel, sagte Oberbürgermeister Kufen. Die Entwicklung, die durch die Corona-Krise noch befeuert wird, bereite ihm Sorgen. Aber: „Wer glaubt, man kann sich gegen Veränderungen stellen, wird ganz schnell feststellen, dass die Veränderungen ohne einen stattfinden.“ Die Zukunft des Handels sei stationär und online. Nur wem es gelinge, das eine mit dem anderen zu verknüpfen, werde am Markt bestehen, zeigte sich Kufen überzeugt.

Der Ansiedlung von Amazon kann der OB Positives abgewinnen, vor allem mit Blick auf die Arbeitsplätze für Menschen, die nur geringe Qualifikationen mitbringen. „Gerade in diesem Segment können wir Arbeitsplätze gut gebrauchen“, so Kufen.

Paket-Sortiererin Agnieszka Olejniks (l.) berichtet OB Thomas Kufen (M.) und Verkehrsminister Hendrick Wüst von ihrer Arbeit.
Paket-Sortiererin Agnieszka Olejniks (l.) berichtet OB Thomas Kufen (M.) und Verkehrsminister Hendrick Wüst von ihrer Arbeit. © FUNKE Foto Services | Foto: André Hirtz

11,61 Euro brutto zahlt Amazon seinen Mitarbeitern, die Pakete für den Weitertransport sortieren. Für die Nachtschicht gibt es 30 Prozent Aufschlag. Agnieszka Olejniks Schicht hat um sieben Uhr begonnen. Seit zehn Jahren arbeitet sie bei Amazon. Rund 1300 Euro bringe sie nach Hause – und ist zufrieden damit.

Besonders stolz sind sie bei Amazon auf ihren Fuhrpark. Der besteht aus 150 Transportern mit Elektro-antrieb. Dabei soll es nicht bleiben. Vor den Hallen gibt es 336 Ladestationen. Laut Robert Viegers, zuständig für das Geschäft in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, handelt es sich um die größte E-Ladetankstelle in ganz Europa. Amazon hat sich hohe Ziele gesteckt. 2040 will das Unternehmen CO2-neutral arbeiten – zehn Jahre früher, als es die Staats- und Regierungschefs im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben haben. „Das ist kein Plan, das ist ein Versprechen“, sagt Viegers.

Ladekapazitäten für 336 Elektro-Vansam Essener Verteilzentrum

Die Elektro-Vans stellt nicht Amazon bereit, sondern die Lueg Base-Camp GmbH. Das Unternehmen, das zur Lueg-Gruppe gehört, liefert für Amazon eine Art Rund-um-sorglos-Paket, kümmert sich um das Fuhrpark-Management, Reparaturen und die Vermietung. Denn bei Amazon sitzen nicht eigene Fahrer hinterm Steuer. Das Essener Verteilzentrum arbeitet mit elf mittelständischen Logistikfirmen aus der Region zusammen. Sie können eigene Fahrzeuge nutzen oder E-Transporter jeweils für einen Monat mieten. „Wir sind günstiger als ein Verbrenner“, verspricht Marcel Nölle, Geschäftsführer von Lueg Base-Camp. Noch aber fahren mehr Benziner oder Diesel vom Hof als Vans mit Elektroantrieb.

150 Elektro-Transporter stehen im Fuhrpark von Amazon an der Pferdebahnstraße. Platz gibt es an 336 Ladestationen.
150 Elektro-Transporter stehen im Fuhrpark von Amazon an der Pferdebahnstraße. Platz gibt es an 336 Ladestationen. © FUNKE Foto Services | Foto: André Hirtz

Wie viel verdient ein Fahrer? Amazon habe darauf keinen Einfluss, sagt Standortleiter Markus Wibberich, stelle aber sicher, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Die EML GmbH, einer der Mittelständler, die für Amazon fahren, zahlt seinen Vollzeitkräften zwischen 11,60 und 12 Euro pro Stunde, sagt Olcay Top. Die Fahrer hätten den härtesten Job.

Im Verteilzentrum dauert es zwischen 11 und 14 Minuten, bis ein Wagen beladen ist. Verteilt werden die Pakete von Bottrop im Westen bis Bochum im Osten, vom holländischen Enschede im Norden bis Wuppertal im Süden. Der wachsende Internethandel bedeutet mehr Verkehr durch Amazon und andere. „Die Frage ist, wie organisiert man das verträglich, damit beim Kunden nicht drei oder vier Lieferwagen vor der Tür stehen“, sagt Kufen.

Amazon will auch in der Logistik neue Wege testen, so Viegers: die Auslieferung mit Fahrrädern. Notfalls können die Fahrer auch zu Fuß gehen. Die große Pakettasche, in der die Lieferungen für einen Postleitzahl-Bezirk gesammelt werden, lässt sich auch als Rucksack nutzen.

Lage, Verkehrsanbindung und Mitarbeiter

Das Verteilzentrum von Amazon ist einer von 17 Amazon-Standorten in NRW. Der Onlinehändler beschäftigt hier 8500 Mitarbeiter. Bundesweit sind es nach Angaben des Unternehmens 20.000 an insgesamt 52 Standorten.

„Wir investieren gerne in NRW“, sagt Robert Viegers, der unter anderem für das Geschäft in Deutschland zuständig ist. Für NRW sprechen laut Viegers die zentrale Lage, gute Verkehrsanbindungen. Auch fände Amazon hier genügend gut ausgebildete Mitarbeiter. Auch für den Standort an der Pferdebahnstraße sprach die zentrale Lage.