Zum Start des Kita-Jahres gibt es ungewöhnlich viele freie Plätze bei Tagesmüttern und -vätern. Das liegt indirekt an Corona.

Zum offiziellen Start des neuen Kindergartenjahres am 1. August meldet die Stadt ungewöhnlich viele freie Plätze bei Tagesmüttern und -vätern. Während grundsätzlich die Kitaplatz-Misere stadtweit weiter anhält - wie berichtet, fehlen derzeit immer noch rund 2400 Betreuungsplätze in Einrichtungen -, haben knapp 200 Tagesmütter und -väter noch Kapazitäten. Angesprochen sind vor allem Eltern von Kindern zwischen einem und drei Jahren.

„Wegen Corona haben viele Eltern ihren vertraglich vereinbarten Betreuungsplatz bei einer Tagespflegeperson kurzfristig gekündigt“, berichtet Claudia Gößling, erste Vorsitzende des Vereins „IG Tagespflege“ und somit Interessenvertreterin von mehr als 600 Tagesmüttern und -vätern in Essen. „Denn die Verunsicherung war bis vor kurzem zu groß.“ Sie meint die Vorgaben des Landes, die bis Ende Juni galten und erst dann kurzfristig geändert wurden: So lange war Eltern vorgeschrieben, dass sie mit ihrem Kind, das an Schnupfen erkrankt ist oder vergleichbare Symptome zeigt, erst beim Kinderarzt vorstellig werden müssen, um es sozusagen gesundschreiben zu lassen. Erst dann - mit dem Attest des Arztes - hätte es wieder eine Einrichtung besuchen dürfen.

Arzt-Regel schreckte viele Eltern ab

Diese Regel ist mittlerweile vom Land geändert worden - auch, weil Kinderärzte eine Überlastung befürchteten. Jetzt müssen Eltern ihre Kinder nicht mehr wegen jedes kleinen Infektes zum Arzt bringen, sondern können es zu Hause in Ruhe genesen lassen. „Die Änderung erreicht die Eltern zu spät“, kritisiert Claudia Gößling. „Die Regel, dass bei jedem Verdacht sofort der Kinderarzt eingeschaltet werden muss, hat viele abgeschreckt.“ Denn: Tagesmütter und -väter betreuen vor allem Kinder im Alter von bis zu drei Jahren. In dieser Altersphase sind Triefnasen und regelmäßiger Schnupfen normal - das Abwehrsystem des Kindes ist noch im Aufbau begriffen.

„Kleine Infekte sind vor allem in der Eingewöhnungszeit normal“, erklärt Claudia Gößling. „Die ersten Wochen, in denen das Kleinkind neu betreut wird, vergehen im Grunde nie ohne Infektion.“ Weil das „Home Office“ mittlerweile so weit verbreitet sei, hätten sich viele Eltern den Stress sparen wollen, extra den Arzt besuchen zu müssen bei jedem „Hatschi“ des Kindes - und haben die Betreuungsverträge mit den Tageseltern wieder gekündigt.

Stadt schafft weitere Kita-Plätze

2400 Kita-Plätze fehlen immer noch in Essen - obwohl die Stadt massiv in den Ausbau investiert. Werden alle derzeit laufenden Bau- und Erweiterungsprojekte pünktlich fertig, fehlen am Ende des Kita-Jahres im Juli 2021 nur noch etwa 800 Plätze.

Zuletzt waren 77 Klagen von Eltern anhängig, die auf juristischem Weg einen Betreuungsplatz für Kind erstreiten wollen.

Die hält seit Jahren an. Zwischenzeitlich fehlten sogar mehr als 3.000 Plätze. Bemessungsgrundlage sind immer die Versorgungsquoten von 100 Prozent (Kinder ab drei Jahren) und 40 Prozent (Kinder bis zu drei Jahren).

Unterdessen planen offenbar viele Erzieherinnen und Erzieher in Essener Kitas, von dem Angebot des Landes NRW Gebrauch zu machen, sich regelmäßig und gratis auf Covid 19 testen zu lassen. Diese Möglichkeit hatte das Land in Aussicht gestellt, weil am 17. August die Kitas wieder den Regelbetrieb starten - anders als Mitte Juni, beim Wiederbeginn mit reduziertem Stundenumfang.

Frage der Organisation ist entscheidend

„Die Stimmung ist grundsätzlich positiv, etwa die Hälfte der Belegschaft würde sich gerne regelmäßig testen lassen“, berichtet Natalie Theisen vom Verband CSE (früher Caritas), der elf Kitas in Essen betreibt. „Für viele ist die organisatorische Frage entscheidend, ob die Tests in den Kitas vorgenommen werden, oder ob man dafür extra zum Arzt muss“ Beim Verein für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten (VKJ), der 21 Kitas in Essen unterhält, hat man bereits auf eigene Faust Corona-Tests bei Erzieherinnen durchgeführt: „Die hat unser Betriebsarzt vorgenommen, und rund zwei Drittel der Erzieherinnen der Kitas, die derzeit geöffnet sind, haben mitgemacht“, sagt Mareike Schulz, Sprecherin des VKJ. „Die meisten Mitarbeiterinnen begrüßen die Tests, weil sie einfach Sicherheit geben bei der täglichen Arbeit mit den Kindern.“

Wie und wo die 14-tägigen Corona-Tests für Erzieherinnen angeboten werden, ist noch offen. Die Stadt befindet sich nach Angaben von Stadt-Sprecherin Silke Lenz derzeit in Abstimmungsgesprächen.

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