Essen. Nachdem Stefanie Brecklinghaus ihr Engagement für die AfD bekannt gab, distanzierte sich ihr Bruder davon. Nun erklärt sich ihr Karnevalsverein.

Im Rahmen der Serie zur Flüchtlingskrise 2015 „Wir schaffen das - Fünf Jahre danach“ hat diese Redaktion Stefanie Brecklinghaus porträtiert - eine Rüttenscheiderin, die in ihrem Frust über die Asyl- und Europapolitik aus der CDU aus- in die AfD eingetreten ist. Inzwischen kandidiert die 59-Jährige sogar im Namen der rechten Partei für den Stadtrat. Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte Brecklinghaus berichtet, dass Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis keinerlei Ablehnung wegen ihrer Parteizugehörigkeit erfahren habe.

Auch im Vorstand der Essener Funken, dem Brecklinghaus angehört, akzeptiere man ihr Ansinnen. „Wir haben kontrovers darüber diskutiert, aber schlussendlich geht es ja im Karneval auch genau darum: Um Akzeptanz gegenüber allen, die mitmachen wollen“, hatte die 59-Jährige erklärt.

Stellungnahme der Essener Funken zur AfD-Mitgliedschaft von Stefanie Brecklinghaus

Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Berichtes über Brecklinghaus meldete sich nun der Karnevalsverein seinerseits an die Öffentlichkeit. Nachdem ein Mitglied wegen des AfD-Engagements von Stefanie Brecklinghaus bereits seine Mitgliedschaft bei den Essener Funken gekündigt hat und weitere dies angekündigt hätten, erklärt Renate Baden, Erste Vorsitzende der Essener Funken im Namen des Vorstandes: „Die Darstellung in diesem Abschnitt ist irreführend und falsch. Richtig ist, dass Frau Brecklinghaus im Vorstand ist. Als 1. Schriftführerin vertritt sie den Verein und hat hier jegliche parteipolitische Äußerungen und Meinungen zu unterlassen. Die Funken akzeptieren daher nicht ihr Ansinnen, das ist ganz allein ihr Privatinteresse. Die Karnevalsgesellschaft Essener Funken 1929 e.V. distanziert sich voll inhaltlich vom Parteiprogramm und von den Aktivitäten der AfD.“

Auf Nachfrage unserer Redaktion berichtet Renate Baden, dass es wegen der Corona-Pandemie bisher noch keine Mitgliederversammlung des Karnevalsvereins gegeben habe, bei dem das Thema hätte diskutiert werden können. Sobald wie möglich solle das aber nachgeholt werden. Die Erste Vorsitzende der Funken beteuert, dass Stefanie Brecklinghaus im Karnevalsverein zu keinem Zeitpunkt Werbung für die AfD gemacht habe, was man auch nicht dulden würde. Dennoch habe Brecklinghaus bereits signalisiert, dass sie freiwillig von ihrem Amt als Schriftführerin zurücktreten würde, sollten die Mitglieder der Funken mehrheitlich ein Problem mit ihrem parteipolitischen Engagement haben, berichtet Baden. Stefanie Brecklinghaus lässt das auf Nachfrage unserer Redaktion hingegen unkommentiert.

„Ausgrenzung und Stigmatisierung“

Brecklinghaus selber hat im Netzwerk Facebook die Diskussion um ihre Funktionen im Karnevalsverein drastisch kommentiert: „Diese Art der Ausgrenzung und Stigmatisierung hatten wir bereits bei Adolf Hitler und Erich Honecker.“ Auch die Essenerin Andrea Pousset, Platz acht auf der Rats-Kandidatenliste der AfD, kritisierte auf Facebook die von einzelnen Vereinsmitgliedern losgetretene Diskussion: „So etwas öffentlich zu posten, ist schon unverschämt. So etwas regelt man vereinsintern.“ Pousset, ebenfalls Karnevalistin, kündigte an, bei den Essener Funken mitzumachen, sollten andere dem Verein den Rücken kehren. „Geben Sie mir Bescheid, dann trete ich ein“, beschied sie einer Kritikerin.

In der AfD beobachtet man außerdem mit einigem Befremden, dass sich die Kandidatur von Brecklinghaus zur Familienzwist zu entwickeln scheint. Gerd Brecklinghaus, Inhaber des gleichnamigen traditionsreichen Lederwarengeschäfts an der Viehofer Straße, hatte öffentlich Position gegen das AfD-Engagement seiner Schwester bezogen, nachdem dieses bekannt wurde. „Wie kann ein Bruder sich so öffentlich von seiner Schwester distanzieren? Das ist doch ganz arm“, kommentiert Andrea Pousset diesen Vorgang.

Stefanie Brecklinghaus erhält in den sozialen Medien allerdings auch Zuspruch von außerhalb der Partei: „Es gibt keinen Diskurs mehr, sondern nur noch zwei Richtungen. Ich bin in gar keiner Partei, aber mir macht sowas richtig Angst“, heißt es etwa in einem Kommentar. Andere plädieren dafür, zwischen dem Privatleben, etwa im Karnevalsverein, und der Politik strikt zu trennen. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.