Essen. Was macht Guido Reil so im Europarlament? Diese Frage beantwortet der Essener AfD-Abgeordnete mit einem Buch über Obdachlosigkeit.

Guido Reil hat ein Buch geschrieben. Nein, nicht die ausgelutschte Geschichte vom Bergmann, der als Hinterbänkler für die SPD im Stadtrat saß, der nach mehr als zwei Jahrzehnten mit seiner Partei brach und nun die AfD im Europaparlament vertritt. Guido Reil hat diese Geschichte oft erzählt. Erzählen dürfen, auch in diversen Talkshows im Fernsehen. Es ist ein Buch über die Obdachlosigkeit in Europa geworden. Reil hat es gemeinsam mit seinem „Team“ verfasst. Auflage 5000 Exemplare, rund 10.000 Euro teuer, finanziert vom europäischen Parlament, erzählt Reil, als er am Samstag ein paar Bücher unter Parteifreunde bringt, die sich im Waldthausenpark versammelt haben, um… Ja, warum eigentlich?

Gudio Reil hat sich rar gemacht. Auf dem TV-Bildschirm ist er nur selten zusehen, seit seinem peinlichen Auftritt bei Markus Lanz, der ihn auf wichtigen Politikfeldern als ahnungslos outete. „Eine Katastrophe“, sagt Reil über seine Performance. In der Parteispitze sah man es genauso. Was soll’s. Für seine Rolle als mediales Zugpferd hat ihn seine Partei mit einem üppig dotierten Posten in Brüssel belohnt. Obdachlosigkeit muss Reil nicht fürchten. Auch wenn er schreibt, es könne jeden treffen.

Reil erzählt von Begegnungen mit Menschen, die auf der Straße leben

In seinem Buch erzählt er von Begegnungen mit Menschen wie Marc. Der 45-jährige, der an einer schweren Lungenkrankheit leidet, hat zwei Jahre auf der Straße gelebt, bis er eine Wohnung fand. Reil habe ihm geholfen mit einer Waschmaschine und einem E-Scooter. „Er hat nie gesagt, ich muss dafür die AfD wählen“, sagt Marc.

Am Rande verfolgen Marcs Bekannte das Geschehen. Auch wenn es nicht viel zu sehen gibt. Reil hält keine Rede. Er liest auch nicht aus seinem Buch. Werbung für das Treffen hat er nicht gemacht. Wohl auch aus Sorge vor Störern aus der linken Szene. So sind ein paar Polizeibeamte die einzigen Zaungäste. Den Ort hat Reil indes ganz bewusst ausgewählt. Der Waldthausenpark ist ein beliebter Treffpunkt von Wohnungslosen und Alkoholkranken.

Sicher fühlt Reil sich nur, wenn es im Essen und das Ruhrgebiet geht

Das Thema Obdachlosigkeit sei ihm wichtig, sagt Reil. Deshalb das Buch. Auch wenn offen bleibt, an welchen Leserkreis es adressiert ist. Reil wirft darin den Blick auch in andere Länder der europäischen Union. Nach Frankreich, Irland und Rumänien. Was Deutschland angeht, darf der Hinweis auf das Thema Zuwanderung nicht fehlen. Die habe es Obdachlosen noch schwerer gemacht. Auch Zahlen hat er zusammentragen lassen. Er selbst habe es nicht so damit, räumt er ein. In Brüssel könne einem ganz schön der Kopf schwirren, bei den Milliarden und Millionen, um die es da geht.

Reil sucht nach Orientierung. Er habe sogar schon öfter mit den Grünen gestimmt. Die seien davon gar nicht begeistert gewesen, erzählt er und freut sich wie ein Schuljunge über einen gelungenen Streich. Wer ihm zuhört, fragt sich: Wie ernst nimmt er seinen Job in Europa?

Richtig sicher fühle er sich nur, wenn er über Essen und das Ruhrgebiet reden kann, gibt Reil offen zu, als das Gespräch auf seinen misslungenen Auftritt bei Markus Lanz zu sprechen kommt. Was er dann in Brüssel macht? „Ich kümmere mich um soziale Themen.“ Sein Buch soll wohl auch so etwas sein wie ein Arbeitsnachweis.

Bei der Kommunalwahl im September kandidiert Reil auf Listenplatz 10. Es von so weit hinten in den Stadtrat zu schaffen, darf man ambitioniert nennen. Seinen Karnaper Wahlkreis wolle er direkt holen, kündigt Reil an. Sein Mandat für den Rat der Stadt, wo er kaum auffällt, wenn er denn da ist, würde er antreten. In Brüssel hielte er es nicht länger als zwei Tage aus. Vier Jahre muss er noch durchhalten. Dann wird auch in der EU neu gewählt.