Essen. Die Sanierung der Kokerei Zollverein wird den Steuerzahler noch 85 Millionen Euro kosten. Trotzdem werde kein Geld verbrannt, so die Stiftung.
Die Entwicklung von Schacht XII hat die Stiftung Zollverein schon vor zehn Jahren abgeschlossen. Nun konzentrieren sich die Welterbe-Macher auf die 1993 stillgelegte Kokerei Zollverein. Ein gigantischer Komplex, der ebenso aufwändig instandgesetzt sowie touristisch und wirtschaftlich erschlossen werden will. Ein Mammut-Vorhaben, für das die öffentliche Hand bis 2025 nach aktuellen Berechnungen voraussichtlich rund 85 Millionen Euro stemmen werden muss.
Diese Zahl findet sich in der Fortschreibung des „Integrierten Entwicklungskonzeptes Soziale Stadt Essen Stadtbezirk VI Zollverein“, das die Hürden in allen Fachausschüssen und zuletzt im Rat genommen hat. Es ist eine Kosten-Dimension, die sich aus dem riesigen Kokerei-Komplex und den strengen Auflagen der Pariser Unesco-Welterbe-Kommission beinahe zwangsläufig ergibt, aber bei so manchem Außenstehenden Kopfschütteln verursachen könnte.
Chef der Zollverein-Stiftung spricht von einer Kosten-Kalkulation mit Augenmaß
Deshalb tritt der Vorstandschef der Stiftung Zollverein, Hans-Peter Noll, vehement jenen entgegen, die in der sanierungsbedürftigen Groß-Kokerei ein Fass ohne Boden sehen. Ihm gehe es um Augenmaß, betont er: „Wir wollen dem Anspruch des Unesco-Welterbes gerecht werden, ohne Geld zu verbrennen.“
Hoch oben vom Dach der Mischanlage werden die Ausmaße der Kokerei Zollverein ersichtlich - und die erforderlichen Maßnahmen eher verständlich. Gasfackel, Gasometer, Vorkühler, Feinreinigung, Hochdruckanlage, Bandbrücken, die sechs Schornsteine - Instandsetzung, Unterhaltung und eventuelle Umnutzung addieren sich unterm Strich zu dem 85-Millionen-Euro-Betrag..
Die 600 Meter lange Koksofenbatterie ist das Herzstück der Welterbe-Kokerei
Herzstück der Kokerei ist die 600 Meter lange Koksofenbatterie, deren Sanierung und Sicherung allein mit 32,55 Millionen Euro beziffert wird. Der größte Sammel-Posten von 46,89 Millionen Euro entfällt auf die „Denkmalgerechte Instandsetzung besonders gefährdeter Gebäude und Anlagen“. Immerhin: 12,5 Millionen Euro sind bereits bewilligt.
Gabriele Heidner leitet in der Stiftung die Abteilung Standortentwicklung und Betrieb. Bei der Begehung der Koksofenbatterie, der größten in Europa, deutet sie auf Abschnitte, „die vor sich hinrosten und bröseln“. Früher bei laufendem Kokerei-Betrieb sei es hier so heiß gewesen, dass Schnee und Eis der Batterie nichts hätten anhaben können. Doch seit der Stilllegung vor bald 30 Jahren frisst sich langsam der Rost durch die Koksofenbatterie. Hinzu kommt: In der Löschgleishalle fehlt teilweise die Bedachung, es regnet rein.
Die Fachleute der Stiftung Zollverein wissen, dass die komplette Instandsetzung nicht bezahlbar wäre. Um die Kosten im Rahmen zu halten, wollen sie stellenweise Musterbaustellen einrichten: kurze Abschnitte, an denen sich die weiteren Kosten zuverlässig hochrechnen lassen. Noll: „2021 soll’s losgehen.“
Kubus im sanierten Löschturm ist die erste fertige Station des neuen Denkmalpfades
Auf der Rückseite der Mischanlage, in der gerade die Holocaust-Ausstellung „Survivors“ zu sehen ist, haben sie 2018 bereits damit begonnen, den Löschturm völlig instandzusetzen: der Ort, an dem einst der gebackene und immer noch mehr als 1000 Grad heiße Koks mit Löschwasser heruntergekühlt wurde. Der schwarze Kubus unten ist die erste fertige Station des neuen Denkmalpfades Kokerei, der bis 2024 fertiggestellt sein soll. Insgesamt soll der Pfad zehn Stationen umfassen. Eine Attraktion im Kubus wird das Modell der Koksofenbatterie sein.
Weiter geht’s in die Löschgleishalle, vorbei an den 304 Koksöfen. Fast 20 Stunden haben sie die Kohle darin bei 1000 Grad Celsius gegart, dann wurde der rotglühende Koks aus den sechs Meter hohen Ofenkammern gedrückt und in die wartenden Löschwagen geworfen.
„Hier war es unbeschreiblich laut und es hat nach Schwefel gestunken“, erzählt Gabriele Heidner. Auf dem fertigen Denkmalpfad werden sie Geräuschkulissen erzeugen, die den Besucher diese extreme Arbeitswelt nachempfinden lassen. Am „Meistergang“ bleibt Heidner stehen und sagt: „Hier wird eine von mehreren Musterbaustellen entstehen.“
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