Essen. Die Beteiligungsfirma Warburg Pincus wollte mit Fachleuten und einem kühnen Plan die Nord-Kliniken retten. Doch der Vorstoß lief ins Leere.

Pest oder Cholera? Glaubt man Contilia, dann gab es für die katholischen Kliniken im Norden nur diese sprichwörtliche Wahl: Entweder man findet sich dort mit dem Aus zweier Krankenhäuser ab und stärkt damit das dritte. Oder einer der ungeliebten privaten Gesundheits-Konzerne, verschrien als gnadenlos gewinnorientiert, kauft die ganze Chose und mischt die Szene auf. Was Contilia bislang keinem verriet: Es gab noch einen dritten Weg. Einen Investor mit viel Geld und einem kühnen Plan: Er wollte alle Krankenhäuser retten, bekam aber keine Gelegenheit, sein Konzept vorzustellen. Warum?

Die verpasste Chance für die Essener Krankenhauslandschaft, sie begann vor gut acht Wochen mit ein paar Telefonaten. Dem Vernehmen nach klingelte es unter anderem bei Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, bei NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und bei mindestens einem Mitglied des Contilia-Aufsichtsrates. Am anderen Ende der Leitung: René Obermann, einst Vorstandschef der Deutschen Telekom und seit

Warb unter anderem bei Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck für ein Engagement seiner Beteiligungsfirma Warburg Pincus: René Obermann, einst Chef der Deutschen Telekom.
Warb unter anderem bei Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck für ein Engagement seiner Beteiligungsfirma Warburg Pincus: René Obermann, einst Chef der Deutschen Telekom. © dpa | Oliver Berg

sechs Jahren in Diensten der US-amerikanischen Beteiligungs-Firma Warburg Pincus.

Statt einer „Heuschrecke“ ein „verantwortungsbewusster Investor“

Das milliardenschwere Unternehmen investiert neben anderen Feldern auch in der Gesundheits-Branche und hatte offenbar ein Auge auf die klammen Katholischen Kliniken im Essener Norden geworfen. Dem Bild rendite-süchtiger Investoren, die als „Heuschrecken“ über Land ziehen und nach kurzem gefräßigen Einsatz nichts als abgenagte Felder hinterlassen, setzte Warburg Pincus seine „Vision Gesundheit“ entgegen. Ein Zukunftsbild, bei dem man sich als „verantwortungsbewusster Investor“ präsentierte.

Der Plan: Gemeinsam mit einem Team aus erfahrenen Persönlichkeiten der Gesundheits-und Klinik-Branche sowie viel Geld aus der Schatulle privater Anleger – die Rede ist von einem dreistelligen Millionenbetrag – wollte man den verlustreichen Klinikverbund KKE auf Vordermann bringen. Ausdrücklich warb Warburg Pincus damit, alle vier Standorte – das Marienhospital in Altenessen und das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg, das Philippusstift in Borbeck und die Geriatrie Haus Berge in Bergeborbeck erhalten zu wollen.

Das Ziel: eine „katholische Marke für Gesundheit“ mit Ausstrahlung

Ja, selbst die Kirche St. Johann Baptist sollte nicht weichen müssen. Man lehne es ab, Kliniken „gesund zu schrumpfen“, ließen Obermann und Co. wissen. Ganz bewusst würden weiterhin von Patienten nachgefragte medizinische Leistungen angeboten, die bei anderen durchs Gewinnraster fielen, Gynäkologie und Geburtshilfe etwa oder die Onkologie.

Mit einer digitalen Offensive, mit der geschickten Verzahnung von ambulanter und stationärer Medizin sollte auf diese Weise eine runderneuerte „katholische Marke für Gesundheit“ entstehen, vergleichbar

Wem der Klinikbetreiber Contilia gehört

Contilia ist ein verzweigtes Gesundheitsunternehmen mit gut 7500 Mitarbeitern, das diverse Krankenhäuser, Senioren- und Reha-Einrichtungen betreibt und diese Arbeit durch ambulante Dienste ergänzt.

Gesellschafter sind die St. Elisabeth-Stiftung Essen (73,714 %), die Stiftung St. Marien-Hospital zu Mülheim an der Ruhr (16,181 %), der St. Josef Kuratorium e.V. (10,100 %) und mit einem Minimalanteil die Beteiligungsgesellschaft des Bistums Essen mbH (0,005 %).

Zum zwölfköpfigen Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Prof. Helmut Schulte zählen unter anderem Ex-Ministerialrat Jörg Becker, Ex-Eon-Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann, die Generaladministratorin der Barmherzigen Schwestern von der hl. Elisabeth Schwester M. Diethilde Bövingloh, Brauerei-Chef Thomas Stauder und der Chef der RAG-Stiftung Bernd Tönjes.

vielleicht mit der gemeinnützigen Aktiengesellschaft „Agaplesion“, dem derzeit größten christlichen Gesundheitskonzern der Republik mit Sitz in Frankfurt/Main.

Die katholischen Klinken im Norden als Keimzelle für einen Börsengang

Was die Firmen-Durchleuchter von Warburg Pincus im dortigen Konstrukt an vermeintlichen Schwächen und Risiken fanden, das wollte man bei einem eigenen Anlauf in Essen besser machen. Die katholischen Kliniken des Nordens sollten Keimzelle dafür sein, und am Ende, so der Plan, könnte die Partnerschaft im Zeichen der Linde (= Con-tilia) auch auf die Noch-Muttergesellschaft ausgeweitet werden, um eine „christliche Werte vertretende Aktiengesellschaft“ zu gründen. Ziel: eine deutschlandweite Wachstums-Story. Und am Ende: ein Börsengang.

Eine Idee mit Charme für kirchliche Träger, denen landauf landab die Finanzkraft fehlt, um den Strukturwandel in der Krankenhaus-Landschaft aktiv zu gestalten. Und die achselzuckend erleben müssen, dass der Kirche ihr ganzes Krankenhaus-Engagement – selbst wenn’s gut läuft – wenig nutzt, der Ruf aber gehörigen Schaden nimmt, wenn es Probleme gibt.

Die Chance, die Pläne im Aufsichtsrat zu präsentieren, gab es nicht

Nicht zuletzt deshalb stieß das Modell in Kirchenkreisen – trotz auch spürbarer Skepsis gegenüber den Privaten im Gesundheitsmarkt – auf Interesse. Es gab weitere Telefonate, weitere Kontakte, E-Mails an Contilia-Aufsichtsräte, sogar fertige Präsentationen, aber irgendwo auf dem Weg zur Entscheidung ließen die Beteiligten die Beteiligungs-Firma Warburg Pincus am Wegesrand einfach ungefragt zurück.

Mit dem Verfahren vertraute Personen sind irritiert: Die erhoffte Gelegenheit, die Vision von einer Rettung aller Klinik-Standorte dem kompletten Aufsichtsrat zu präsentieren, gab es nicht. Und offenbar auch niemanden, der im zwölfköpfigen Aufsichtsgremium für den möglichen „Retter“ die Werbetrommel rührte. Offiziell gemanagt wurde der Prozess durch die von der Contilia eingeschaltete WMCF GmbH, eine Münchner Beratungsfirma für Unternehmens-Transaktionen.

Contilia verweist auf einen „geordneten Prozess“ – und schmiedet eigene Pläne

Die musste im Sinne des ursprünglich angestrebten Verkaufs ein hohes Interesse an einer größtmöglichen Bietervielfalt haben, schließlich hebt diese im Zweifel den Preis. Oder bremste der Klinikbetreiber selbst? Als die Entscheidung im Aufsichtsrat fiel, hatte Contilia schließlich längst mit dem Land verhandelt und auf eigene Faust ein „alternatives Versorgungskonzept“ entwickelt.

Auf detaillierte Fragen zum Verfahren geht die Contilia nicht ein: Man habe, so ein Sprecher des Klinikbetreibers, „einen geordneten und öffentlich bekannten Verkaufsprozess“ eingeleitet. Am Ende aber

Die Pläne ändern, so wie es der OB erwartet? Contilia-Chef Dirk Albrecht, hier bei seiner Rede vor dem Hauptausschuss des Rates, denkt derzeit nicht dran: „Wir sind unverändert von der Richtigkeit des Konzeptes überzeugt.“
Die Pläne ändern, so wie es der OB erwartet? Contilia-Chef Dirk Albrecht, hier bei seiner Rede vor dem Hauptausschuss des Rates, denkt derzeit nicht dran: „Wir sind unverändert von der Richtigkeit des Konzeptes überzeugt.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„lag letztlich ein konkretes Kaufangebot vor, dass der gesamte Aufsichtsrat bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hatte“.

Die eigenen Pläne ändern, wozu? Contilia ist nach wie vor davon überzeugt

Und von dieser Entscheidung, also auch von der Schließung zweier Kliniken, will man nicht abrücken, soll die Politik nörgeln wie sie will. Dass Oberbürgermeister Thomas Kufen jüngst im Hauptausschuss des Rates grimmig feststellte, „Sie werden Ihr Konzept verändern müssen“, haben die Contilia-Chefs vernommen. Allein, befolgen werden sie diesen Appell nicht: „Wir sind unverändert von der Richtigkeit des Konzeptes überzeugt“, heißt es auf Nachfrage.

Das gilt auch für die Entscheidung, alle Kräfte künftig aufs Philippusstift in Borbeck und eben nicht auf Altenessen zu konzentrieren, wie es CDU-Ratsherr Dirk Kalweit zur Prüfung angeregt hatte. „Als einziges“ der vier Häuser sei die Borbecker Klinik „nach baulichen und technischen Erneuerungen in der Lage, die zu erwartende Zahl an Patienten aus dem gesamten Essener Norden zu versorgen“. Es biete die Anerkennung als Notfallkrankenhaus der Stufe 2 mit Herzinfarkt- und Schlaganfallversorgung und sei darüber hinaus Sitz von Notfallpraxis und Notarztstandort.

Kurzum: Contilia bleibt bei seinem Plan. Mag anrufen, wer will.