Essen. Von drei toten Kitzen innerhalb von wenigen Wochen berichtet ein Essener Landwirt und Jäger. Getötet offenbar durch frei laufende Hunde.
Er durfte nur wenige Wochen leben. Tot lag der junge Rehbock im frischen Gras. An Kopf und Hals waren mehrere tiefe Bisswunden sichtbar. Bevor es qualvoll an seinen Verletzungen starb, hatte das Kitz noch versucht, unter einem Strauch Schutz zu suchen. Das etwa vier Wochen alte Tier sei in Fischlaken offenbar Opfer eines freilaufenden Hundes geworden, mutmaßt ein Jäger. Leider kein Einzelfall.
Heinz Viehausen betreibt nahe der Unglücksstelle einen Betrieb mit Pensionspferden und Landwirtschaft. Als Jäger wird er auch informiert, wenn Wildtiere in der Umgebung nach derartigen Vorfällen erlöst werden müssen.
Von den Besitzern kämen oftmals abweisende Antworten
Viehausen ist geschockt: „In mir kocht die blanke Wut, wenn ich so etwas sehe. Es ist bereits das dritte Kitz, welches hier in den letzten fünf Wochen zu Tode gebissen wurde. Das jüngste Tier war gerade mal eine Woche alt. Spreche ich die Besitzer freilaufender Hunde an, kommen meistens abweisende Antworten. Währenddessen unternehmen wir Bauern alles, um den Nachwuchs unseres heimischen Rehwildes zu schützen.“
So suchen die Landwirte im Frühling auf ihren Feldern und Wiesen mit Hilfe von Drohnen und Wärmebildkameras nach versteckten Kitzen, bevor dort die schweren Maschinen ihre Arbeit verrichten.
Schwer verletztes Kitz auch in Heisingen
Auch Stephan Witte, Leiter der Essener Tierrettung, kennt die Problematik: „Seit unserer Gründung vor neun Jahren haben wir jedes Jahr die entsprechenden Einsätze, besonders in ländlichen Stadtteilen wie Kettwig oder Kupferdreh. Erst im Juni alarmierte uns eine Reiterin aus Heisingen, die laute Schreie aus dem angrenzenden Feld hörte. Hier lag ein verletztes Kitz mit Bisslöchern in der Kehle.“
Die Tierretter brachten das kleine Reh – nach Absprache mit der zuständigen Jagdbehörde – in eine Dortmunder Aufzuchtstation. Leider starb „Pauline“ nach zehn Tagen an inneren Verletzungen. Der 39-Jährige: „Es ist eine Riesenkatastrophe. Sogar die Lämmer einer großen Schafherde in Steele an der Ruhr fallen immer wieder wildernden Hunden zum Opfer.“
Junge Kanadagans verletzt und hilflos zurückgelassen
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Und auch weitere Tiere sind gefährdet. So fanden Spaziergänger zuletzt im Heisinger Schutzgebiet am Baldeneysee eine junge Kanadagans: Schwer verletzt, mit Wunden, die ein Tierarzt anschließend versorgte. Die Finder hatten es in die Praxis gebracht, weil diejenigen, die verantwortlich gewesen wären, das Tier hilflos zurückgelassen hatten. Es kam in eine Wildtierstation nach Sprockhövel.
Andreas Schneider, Pressesprecher vom Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen: „Hasen, Fasane oder die ohnehin schon bedrohten Rebhühner gehören ebenfalls dazu. Gerade in der Setz- und Brutzeit vom 1. März bis 31. Juli ist die Gefahr besonders groß. Ich appelliere an die Menschen, sich an die Spielregeln der Natur zu halten. Seit Corona ist der Betrieb in unseren Wäldern und sonstigen Erholungsgebieten noch umfangreicher geworden. Umso wichtiger ist es, Hunde an der Leine zu halten.“
Schon das Aufscheuchen bedeutet für die Tiere großen Stress
Immerhin bedeute selbst das Aufscheuchen oder Hetzen etwa von Kaninchen oder Rehen riesigen Stress für die Tiere. Selbst, wenn diese dann nicht gerissen würden, könne allein die stressige Situation ernste Folgen haben, da die Tiere mitunter geschwächt würden.
Zudem könne etwa ein Reh sich auf der Flucht im Zaun verfangen oder auch auf die Straße springen und so Verkehr und Menschen gefährden, das erläutern auch Essener Jäger Hundehaltern immer wieder – nicht immer mit Erfolg. „Mein Hund hat das noch nie gemacht“ oder „Er beißt ja nicht zu, sondern scheucht das Kaninchen nur weg“, hörten sie oftmals als Antworten.
Hunde dürfen im Wald Wege nicht verlassen
Dabei sei eine Anleinpflicht ohnehin in vielen Bereichen Vorschrift. Jacqueline Schröder, Pressereferentin der Stadt Essen: „Das Führen von Hunden ohne Leine im Wald außerhalb von Wegen stellt nach dem Landesforstgesetz NRW eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Leinenpflicht für Hunde gilt ebenfalls auf allen öffentlichen Flächen der Stadt.“
Denn das Landesforstgesetz besagt auch: Jeder müsse sich mit seinem Hund so verhalten, dass niemand erheblich belästigt, gefährdet oder verletzt werde. Der Hund müsse in Nähe des Halters bleiben, damit dieser jederzeit auf sein Tier einwirken könne. In der Praxis sieht das dann leider regelmäßig anders aus – wie die aktuellen Fälle zeigen.