Essen. . Spaziergänger, Radfahrer, Hundehalter: Treffen sie in Essen Wäldern zusammen, kommt es regelmäßig zu Konflikten. Stadt will die Anleinpflicht im Wald diskutieren und für Klarheit sorgen. Welche Regeln gelten aktuell für Hund und Halter?

Gegen Hunde hat Hannelore Peitsch nichts. Auch wenn die frei im Wald laufen nicht, sagt die Großmutter, die mit Enkel Jan unterwegs ist: „Allerdings sollten sie nicht wild durch den Wald toben.“ Und sie sollten nicht an Kinderwagen schnuppern oder Kinder bestürmen: „Die bekommen ja einen Schreck fürs Leben.“ Freilaufenden Hunde finden sie nicht gut, sagt eine Gruppe Spaziergängerinnen im Schellenberger Wald. „Wir haben gesehen, wie die hinter Wild herjagen oder Leute anspringen.“ Sätze wie „Der tut nix“ finden sie unmöglich. Wenn ein Hund allerdings gut erzogen sei und „sich nicht an uns stört, wenn wir vorbeigehen“, dann haben auch sie nichts dagegen, dass er ohne Leine läuft.

Ein Gerichtsurteil hat die Debatte um die Anleinpflicht im Wald losgetreten: Eine Halterin aus Hilden hatte gegen ihre Heimatstadt geklagt. Die hatte, wie andere Kommunen auch, verboten, Hunde im Wald von der Leine zu lassen. Das Gericht hingegen bestätigte das geltende Landesforstgesetz, das besagt: Hunde müssen in Wäldern außerhalb der Wege angeleint bleiben. Heißt umgekehrt: Bleibt der Hund auf dem Weg, darf er ohne Leine laufen.

In Erholungswäldern gilt Leinenpflicht

Während das Gericht das Verbot einiger Kommunen also aufhob, will Christian Kromberg, als Dezernent in Essen für das Ordnungsamt zuständig, das Thema aufgreifen: „Momentan laufen keine Gespräche, aber ich habe die Debatte verfolgt.“ Er könne sich vorstellen, es politisch und fachlich klären zu lassen. Immerhin gibt es trotz des Verbots Möglichkeiten, die manche Kommune nun sucht: Erholungswälder zum Beispiel. Dort gilt Leinenpflicht.

Rolf Eisele, Mitarbeiter der Forstverwaltung, will sich zwar nicht für oder gegen ein Verbot aussprechen, sagt zur derzeitigen Situation deutlich: „Es gibt erhebliche Probleme.“ Dazu gehöre vor allem die Angst der älteren Menschen, wegen der sie nicht mehr im Wald spazieren gehen. Woher Eisele das so genau weiß: „Vor allem Seniorinnen rufen immer wieder an, um sich zu beschweren.“ Sie trauen sich nicht mehr in den Wald, weil sie mitunter nicht mehr so gut zu Fuß sind und fürchten, angebellt oder angesprungen zu werden.

Wild von Hunden gehetzt

Wer auch unter den Hunden leide, deren Halter nicht verantwortungsbewusst handeln: das Wild. Eisele rechnet vor, dass etwa ein Drittel des Bestandes, das zum Abschuss freigegeben ist, durch Unfälle im Straßenverkehr sterbe: „Die Hälfte dieser Tiere rennt auf die Straße, weil sie zuvor von Hunden gehetzt worden ist“, schätzt Eisele. Nennt die Wuppertaler Straße als Beispiel. Schlimmstenfalls passieren Unfälle, bei denen Menschen verletzt würden.

Rolf Eisele betont gleichzeitig, dass „normale Hundebesitzer“ mit ihren gehorsamen Hunden keinesfalls Schwierigkeiten bereiten. Und das seien die meisten. Er fände mehr Kontrollen gut. Ein Gesetz würde viele Falsche treffen.

"Man müsste dann auch Mountain-Biker verbieten"

Begegnet Christian Schieder auf seinem Rad einem Hund, der ihn verfolgt, brüllt er diesen an: „Wenn einer Angst vor Hunden hat, kann die Situation schwierig werden.“ Dennoch ist er gegen ein Anlein-Gesetz: „Dann müsste man Mountain-Biker auch verbieten.“ Sie könnten jemanden umfahren.

Rücksicht ist auch das Stichwort für Mirja Bartosiewicz (39), die Hündin Noia ausführt: „Das erwarten wir schließlich von den Radfahrern ebenso. Wenn Hunde gut hören, können sie ohne Leine laufen." Neue Verbote seien jedenfalls keine Lösung. Dem stimmt Gisela Engel zu. Sie geht mit Eurasier-Hündin Hoshi Gassi, die brav an der Leine läuft. Für Gisela Engel wirft das Thema auch die Frage auf, wo Hunde denn noch Auslaufmöglichkeiten in der Stadt haben. Die Hundewiesen sind für sie keine Alternative. „Die liegen oft an Hauptstraßen.“ Statt neuer Regeln fordert sie Halter auf: „Wenn Kinder da sind, jemand Angst hat oder das nicht mag, wenn Hunde auf ihn zulaufen, müssen Halter aufpassen.“

Welche Regeln bislang Halter und Hund in Essen beachten müssen 

„Rücksicht ist besser als neue Regeln“

Was gilt derzeit für Halter und Hund im Wald?

Nach dem Landesforstgesetz gilt derzeit, dass Hunde im Wald unangeleint laufen dürfen.

Kann der Halter den Hund dort überall laufen lassen?

Nein. Der Hund muss auf dem Weg bleiben. Zudem besagt das Landeshundegesetz: Jeder muss sich mit seinem Hund so verhalten, dass niemand erheblich belästigt, gefährdet oder verletzt wird. Der Hund muss in Nähe des Halters bleiben, damit der jederzeit auf sein Tier einwirken kann.

Gilt das für alle Hunde?

Nein. Ist der Hund ein sogenannter Listenhund (und gehört damit zu einer potenziell gefährliche Rasse), so muss er auch im Wald an der Leine bleiben, wenn er nicht durch einen Test befreit ist. Für alle Hunde gilt ohnehin, gehorchen sie überhaupt nicht, sollten sie ebenfalls angeleint bleiben.

Wenn es ein Landesforstgesetz ist, gilt das in städtischen Wäldern?

Ja, denn es hat nichts mit dem Besitzeigentum zu tun, sondern mit einer Qualifizierung, die die Forstämter vornehmen.

Wie sieht es im Naturschutzgebiet oder in Parks aus?

In beiden gilt generelle Anleinpflicht – ohne Ausnahme. Auf Spielplätzen sogar Hundeverbot.

Was passiert, wenn Halter sich nicht an das Gesetz halten?

Wir können eine Belehrung aussprechen. Wiederholungstäter zahlen fünf bis 35 Euro, je nach dem, ob sie eine Gefährdung provozieren. Hartgesottenen droht ein Bußgeldverfahren ab 50 Euro. Das kann sich vervielfachen. Aber es gibt kaum Wiederholungstäter und keine räumlichen Schwerpunkte.

Wäre die Anleinpflicht in Essens Wäldern sinnvoll?

Bislang ist das kein Thema. Ich tendiere dazu, an die mündigen Bürger und ihre Verantwortung zu appellieren. Rücksicht wäre besser als neue Regeln. Die gilt ja auch für Radfahrer oder im Straßenverkehr. Halter sollten den Hund bei Fuß halten, wenn der zum Beispiel keine Jogger mag. Natürlich gibt es Interessenkonflikte, auch weil ein paar schwarze Schafe Angst erzeugen. Aber man darf nicht vergessen, dass es für Hunde ohnehin kaum Auslaufflächen auf dem Stadtgebiet gibt.