Essen. Ein Bürgerbegehren soll die städtische Übernahme der von Schließung bedrohten Kliniken im Essener Norden erzwingen. Doch Juristen winken wohl ab.
Seit Klinik-Betreiber Contilia seine Schließungs-Pläne offenbart hat, ist der Essener Norden in Aufruhr: Um das Aus zweier Krankenhäuser zu verhindern, will mancher sich dabei mit Demos, gesammelten Unterschriften und Online-Petitionen nicht mehr zufrieden geben. Stattdessen soll die Stadt jetzt per Bürgerbegehren dazu gezwungen werden, die drei katholischen Nord-Kliniken Marienhospital, St. Vincenz und Philippusstift zu übernehmen. Doch die Initiative droht juristisch zu kippen: „So wie das formuliert ist“, sagt ein Kenner der Materie, „wäre das wohl nicht genehmigungsfähig“.
Der Vorstoß vermeidet zwar die sonst bei Bürgerbegehren üblichen Schachtelsätze und kommt direkt auf den Punkt. Doch dies geht nach Ansicht von Rechtsexperten zu Lasten der Präzision wie der Logik: „Soll die Stadt Essen die Übernahme der drei Krankenhäuser im Essener Norden (Philippusstift, Marienhospital und Vincenz-Krankenhaus) in öffentliche Trägerschaft (Kommune oder Land) betreiben, um die wohnortnahe und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung der Menschen in den Stadtbezirken IV, V und VI zu sichern?“ So lautet der Text, den die Initiatoren zur Prüfung eingereicht haben.
Wie soll man Kliniken übernehmen, die der Eigentümer nicht verkaufen will?
Da fallen den Juristen prompt ein paar Gegenfragen ein: Wie will man Krankenhäuser „übernehmen“, die Klinik-Betreiber Contilia nach eigenem Bekunden gar nicht verkaufen möchte? Was heißt denn
„betreiben“? Und ließe sich die Stadt zu einem womöglich teuren Krankenhaus-Betrieb zwingen, ohne dabei den Krankenhaus-Bedarfsplan des Landes NRW zu berücksichtigen?
Die Stadtverwaltung mochte ihre juristische Einschätzung am Montag noch nicht preisgeben: „Wir prüfen“, hieß es. Auch beim Verein „Mehr Demokratie“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, basisdemokratische Entscheidungen zu fördern, zeigt man sich eher zurückhaltend: „Wo in diesem Fall die juristischen Fallstricke liegen, lässt sich noch nicht sagen“, betont Pressesprecher Achim Wölfel. Immerhin, vergleichbare Begehren andernorts galten als formal unzulässig.
Ex-Bürgermeister versichert: „So leicht werden wir uns nicht geschlagen geben“
Und doch gibt es einen gewissen juristischen Spielraum. Auf den setzt Hans-Peter Leymann-Kurtz, einst Bürgermeister der Stadt sowie grüner und linker Frontmann im Rat, wenn er als einer der drei offiziellen Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens auftritt: „So leicht werden wir uns nicht geschlagen geben“, meint der Sozialdemokrat, der in diesem Fall ausdrücklich als Privatmann den Schulterschluss mit Verdi-Vertrauensfrau Jutta Markowski (DKP) und Petra
Bürgerbegehren: Die Stadt darf behilflich sein
Eine rechtlich wasserdichte Frage, eine saubere Begründung, die Schätzung der anfallenden Kosten – früher waren die Initiatoren von Bürgerbegehren in all diesen Fragen weitestgehend auf sich gestellt.
Dank einiger Änderungen in der Gemeindeordnung NRW bieten sich der Stadt in gewissen Grenzen mittlerweile Möglichkeiten zur Hilfestellung. Sie berät, wo juristische Fallstricke liegen und übernimmt die Kostenschätzung.
Sollte die Stadt die zur Prüfung eingereichte Formulierung der Begehrens-Frage als rechtlich unzulässig ablehnen, steht es den Initiatoren frei, ihre Frage neu zu formulieren – bis es rechtlich passt.
Bäumler-Schlackmann, Personalrätin am Essener Uniklinikum, sucht.
„Uns geht es um die gesundheitliche Versorgung im Essener Norden“, betont Leymann-Kurtz, „wir wollen da ebenso hartnäckig wie realistisch sein“. Wenn nicht mit der vorliegenden Formulierung des Bürgerbegehren, dann halt mit einer anderen.
OB wiederholt seine Bereitschaft der Stadt, „ins Risiko, ins Invest zu gehen“
Am späten Montagnachmittag zeigt eine Demonstration auf dem Burgplatz: Selbst dem Oberbürgermeister käme der politische Druck eines Bürgerbegehrens wohl nicht ungelegen. Er sieht nach eigenem Bekunden in der kanalisierten Wut und Enttäuschung gegenüber dem Klinik-Betreiber einen stärkenden Rückenwind für seine Position gegenüber Contilia: „Die müssen ihre Pläne verändern“, ruft Thomas Kufen unter heftigem Beifall den rund 250 Demonstranten zu: „Was bislang vorgelegt wurde, überzeugt nicht.“
Und der OB wiederholt die Bereitschaft der Stadt, „ins Risiko, ins Invest zu gehen“: Am Ende werde sicher nicht das einst geplante Mega-Krankenhaus in Altenessen stehen, aber „sicher „auch nicht nichts“. Über das dazwischen werde nun zu reden sein.