Essen. Während der Protest sich gerade erst formiert, nimmt der Rückzug von Klinikbetreiber Contilia schon Fahrt auf. Und das Land stützt diesen Kurs.
Es gibt Kaffee, Kuchen und Eis und vielleicht auch einen neuen Job: „Komm zum Krupp!“, so hatte das Alfried Krupp Krankenhaus am Samstag in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige für sein geplantes „Bewerber-Café“ geworben. Das Angebot für Gesundheits- und Krankenpfleger auf der Suche nach „sicheren Arbeitsplätzen in Voll- und Teilzeit“, es kam wohl nicht ganz zufällig zwei Tage nach Bekanntwerden der Schließungspläne für gleich zwei Kliniken im Essener Norden.
Und es kam für die Betroffenen keineswegs zu früh, denn der überraschende Rückzug von Klinikbetreiber Contilia, er nimmt offenbar schneller Fahrt auf, als vielen lieb ist: Gerüchteweise sollen bereits Ende September im Marienhospital in Altenessen jene Fachabteilungen dicht machen, für die im dereinst ausgebauten Borbecker Philippusstift kein Platz mehr sein wird: Urologie, Onkologie, Frauenklinik und Geburtshilfe.
Schützenhilfe von einem psychologisch versierten Berater aus München
Damit wird deutlich, dass zumindest die Contilia kurz- bis mittelfristig keine Strukturen schaffen wird, um bis zum aufpolierten Neustart im Philippusstift die Lücken in der Gesundheitsversorgung des Nordens zu stopfen. Die restlichen Abteilung des Marienhospitals sollen ja wie auch das St. Vincenz-Hospital in Stoppenberg zum Jahresende schließen.
Um diesen tiefgreifenden Wandel trotz des allerorten spürbaren Frustes galant über die Bühne zu bringen, hat sich die Contilia Hilfe ins Haus geholt: Arne Berndt, einst Bundeswehroffizier und Management-Berater mit Schwerpunkt Krankenversicherung, zuletzt Klinik-Geschäftsführer in Hamburg und heute Partner bei WMC Healthcare, einer aufs Gesundheitswesen spezialisierten Münchner Unternehmensberatung. Er soll Contilia-Geschäftsführer Jens Egert „im anstehenden Veränderungsprozess“ zur Seite stehen.
Der katholische Klinikverbund KKE: ausgesprochen knapp bei Kasse
Dass der Mann studierter Psychologe ist, dürfte ihm am Mittwochnachmittag bei seinem Auftritt vor rund zwei Dutzend Chefärzten und Pflegeleitern der betroffenen Contilia-Krankenhäuser geholfen haben,
Klinik-Demo am Freitag beginnt am Allee-Center
Ihren Protest gegen die geplanten Klinik-Schließungen tragen Mitarbeiter und Bürger am Freitag, 3. Juli, ab 17 Uhr auf die Straße.
Da man fürchtet, der ursprünglich als Veranstaltungsort vorgesehene Karlsplatz könnte wegen des großen Interesses und unter Corona-Bedingungen zu klein sein, wurde das Treffen auf den nahegelegenen Marktplatz am Allee-Center verlegt.
Zu den Teilnehmern sprechen Ratsherr und Organisator Karlheinz Endruschat, Mitarbeiterinnen der Katholischen Kliniken, Unternehmensberaterin Michaela Oerding und der Borbecker Radiologe Dr. Theo Plajer. Die Veranstalter bitten, auf Parteiwerbung zu verzichten, die nötigen Abstande zu wahren und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
denn beim Googeln seines Namens fand sich so mancher Treffer bei Hospitälern wieder, die in die Insolvenz gerutscht waren.
Eine derart enge Finanzlage weist die Contilia bislang von sich, auch wenn ein Blick in die bislang veröffentlichten Jahresabschlüsse die Alarmglocken schrillen lässt. Danach sind die beiden Tochter-Unternehmen, denen gegenüber die Contilia GmbH Zusagen zur Liquiditätssicherung bis Ende diesen Jahres abgegeben hat – es geht um das St. Marien-Hospital in der Nachbarstadt Mülheim und den Katholischen Klinikverbund KKE im Essener Norden – ausgesprochen knapp bei Kasse.
Ministerium und Kostenträger wollen neuen Kurs „wohlwollend unterstützen“
Den Wirtschaftsprüfern der Solidaris Revisions-GmbH war diese „deutlich angespannte“ Lage bei der KKE einen Extra-Hinweis im Jahresabschluss wert. Immerhin, die Corona-Krise habe die Lage nicht verschärft, heißt es.
Dies zumal das NRW-Gesundheitsministerium wie auch die Kostenträger im Gesundheitswesen signalisieren, den neuen Kurs der Contilia nach eigenem Bekunden „wohlwollend unterstützen“ zu wollen. Man hätte zwar lieber den Neubau der großen Klinik am Standort Altenessen gesehen und für diesen ja auch 94 Millionen Euro an Strukturförderung locker gemacht. Doch auch für den neuen Plan mit den ehrgeizigen Neubau-Plänen am Philippusstift soll es Geld geben – auch wenn eine abschließende Entscheidung noch ausstehe.