Essen. Die Mitarbeiter von Karstadt Kaufhof kündigen Proteste gegen die geplante Schließung beider Standorte in Essen an. Kritik des Hauseigentümers.

Nach der dramatischen Ankündigung der Galeria Karstadt Kaufhof, gleich beide Warenhäuser am Standort Essen schließen zu wollen, geben sich die von Entlassung bedrohten Beschäftigten kämpferisch. „Wir werden die Wut und Empörung nach draußen tragen und planen in den nächsten Tagen Aktionen“, kündigte Verdi-Gewerkschaftssekretär Kay Lipka am Samstag im Anschluss an eine außerordentliche Betriebsversammlung bei Galeria Kaufhof an. Ob es sich um Arbeitsniederlegungen oder Kundgebungen handele, ließ der Verdi-Mann offen.

Nach der Betriebsversammlung am Freitagnachmittag blieb das Warenhaus am Willy-Brandt-Platz geschlossen. Auch Samstagmorgen wurden die Rolltore zunächst nicht hochgezogen. Erst als das Krisentreffen des Personals um kurz vor zwölf Uhr beendet war, öffnete Galeria Kaufhof die Pforten. Auf dem Willy-Brandt-Platz hatte sich gegen Mittag eine lange Schlange von Kunden gebildet, darunter zahlreiche Stammkunden. Viele von ihnen hätten den Verkäuferinnen und Verkäufern Trost gespendet und sich solidarisch erklärt, heißt es.

Karstadt-Personal am Limbecker Platz befindet sich in „Schockstarre“

Bei der Versammlung im Restaurant wiederholten sich die dramatischen Szenen vom Vortag. „Es flossen Tränen, die Wut und Betroffenheit sind groß“, sagte Betriebsratschef Ulrich Bartel (58). Die Belegschaft zeige überhaupt kein Verständnis für die Entscheidung, dass es in Essen schon in naher Zukunft überhaupt kein Warenhaus mehr geben soll. Aus dem Karstadt-Traditionshaus am Limbecker Platz berichtet Kay Lipka: „Die Kollegen befinden sich in einer Schockstarre.“ Auch die Versammlung dort sei am Freitag von „Wut und Trauer“ geprägt gewesen. Einige Kollegen seien zusammengebrochen.

Bartel erläuterte seinen 65 Kollegen, wie der Sozialplan und eine Transfergesellschaft aussehen könnte. Themen, die den Kaufhof-Beschäftigten in Essen vom vergangenen Jahr noch frisch in Erinnerung sind. Damals seien dem Personal attraktive Abfindungen angeboten worden, von denen fast ein Dutzend Gebrauch gemacht habe. Aktuell sei es angesichts des Kahlschlags in der Region illusorisch anzunehmen, Mitarbeiter könnten in andere Filialen im Ruhrgebiet verlegt werden.

Betriebsrats-Chef greift Konzernleitung frontal an: „Eine Frechheit“

Unter den 95 Kaufhof-Mitarbeitern gibt es etliche Härtefälle. Mindestens drei Ehepaare werden bald auf der Straße stehen. „Sie trifft die Schließung besonders hart“, so Bartel. Er selbst habe 1978 im gerade eröffneten Horten-Haus am Willy-Brandt-Platz seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann absolviert – es war das goldene Zeitalter der Warenhäuser. Bartel ist - mit kleinen Unterbrechungen - mehr als 30 Jahre in dem Haus tätig (später Galeria Kaufhof, zuletzt Karstadt-Kaufhof). Auch er ist von Arbeitslosigkeit bedroht.

Mit Kritik an der eigenen Unternehmensleitung hält sich der Betriebsratschef nicht zurück. Zunehmend in den Vordergrund rücken die gescheiterten Verhandlungen zwischen der Konzernspitze und dem Vermieter, der Koerfer-Gruppe in Köln, über eine weitere Mietsenkung. Wie berichtet, hatten die Koerfer-Gruppe und Karstadt im Dezember einen neuen Zehn-Jahres-Vertrag abgeschlossen, der eine massive Mietsenkung von rund einem Drittel beinhaltet. Die neue Miete soll mehrere Hunderttausend Euro niedriger sein als die alte. Bartel greift die Karstadt-Bosse direkt an: „Dass sie jetzt Druck auf den Vermieter ausüben mit dem Ziel, die Mieten erneut zu senken, ist schlichtweg eine Frechheit.“

Koerfer gibt Kontra: „Leider kein Interesse an engen und guten Geschäftsbeziehungen“

Unterstützung bekommen die rund 200 Beschäftigten an beiden Standorten von Oberbürgermeister Thomas Kufen. Auf Facebook kündigte der CDU-Politiker am Sonntag an: „Ich will in den nächsten Wochen versuchen was möglich ist, um die Schließungen im Interesse der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie unserer Innenstadt noch abzuwenden.“

In ungewöhnlich scharfer Form reagiert auch die Koerfer-Gruppe, die von Beginn an (seit 1977) Vermieter des Kaufhofs in Essen ist. Auf den Versuch des Karstadt--Managements, die bereits massiv gesenkte Miete noch mehr zu drücken, reagierte Prof. Dr. Daniel Koerfer, Sprecher der Gesellschafter, mit einem bemerkenswerten Antwortschreiben, das dieser Zeitung in Auszügen vorliegt und einer schallenden Ohrfeige gleichkommt. Wörtlich heißt es darin: „Ein Wort zum Schluss: Wir sind seit rd. 90 Jahren im Rheinland am Markt und der Gründervater unserer Gesellschaften, Jakob Koerfer, hatte erste gute Geschäftsbeziehungen mit dem Kaufhofgründer Leonhard Tietz, die nächste Generation dann sehr enge zu Helmut Horten. An diesen engen und guten Geschäftsbeziehungen scheint die aktuelle Führung Ihres Hauses leider keinerlei Interesse mehr zu haben, sonst hätte sie darauf verzichtet, Sie zu veranlassen, uns einen solchen Vorschlag zu unterbreiten.“