Essen-Altenessen.

Der traditionsreiche Verein BV Altenessen 06 kämpft um den Erhalt seiner Zuschauertribüne am Sportplatz an der Stankeitstraße: Die ist total marode und soll laut der Sport- und Bäderbetriebe abgerissen werden.

Die geschwungene Tribüne hat tatsächlich schon bessere Zeiten gesehen: Als sie 1959 erbaut wurde, war sie einer der Stars des Vereins – ein schickes Gebäude mit einer scheinbar schwerelosen-schwebenden Dachkonstruktion, unter der bei Spitzenspielen über 600 Zuschauer Platz fanden. Doch das ist schon lange her. Seit knapp einem Jahr ist der Zugang versperrt, da Teile des Daches drohen einzustürzen. Schaut man genauer hin, erkennt man deutlich, wie der Zahn der Zeit dem Bauwerk zugesetzt hat: Nicht nur dass die Farbe blättert, die Bleche und Winkel an den 21 sichelförmigen Stahlträgern, die das ansonsten stützenfreie Dach halten, sind total verrostet. Ein Zeichen dafür, dass die Stadt als Eigentümerin das Gebäude über einen langen Zeitraum vernachlässigt hat.

Eine komplette Sanierung würde 318.000 Euro kosten

Mit dem Zustand haben sich auch die Sport- und Bäderbetriebe beschäftigt und zunächst einmal drei unterschiedliche Sanierungsszenarien entworfen: So würde eine komplette, sorgfältige Sanierung vor Ort 318.000 Euro kosten, lägen günstigere zwischen 292.000 und 189.000 Euro. „Doch diese vier Möglichkeiten wurden bei der letzten Sitzung des Sport- und Bäderausschusses verworfen“, bedauert Frank Striewe, Jugendleiter beim BV Altenessen, „stattdessen will man die Tribüne ersatzlos abreißen“.

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Ein Bild aus besseren Zeiten: bei einem Spiel vor neun Jahren war die Tribüne des BV Altenessen 06 bis auf den letzten Platz besetzt.
Ein Bild aus besseren Zeiten: bei einem Spiel vor neun Jahren war die Tribüne des BV Altenessen 06 bis auf den letzten Platz besetzt. © BV Altenessen 06 | BV Altenessen 06

Aus Sicht der Sport- und Bäderbetriebe ständen die Kosten in keinem adäquaten wirtschaftlichen Verhältnis zur weiteren Nutzung der Tribüne. Aus nostalgischer Sicht wäre ein Abriss der Tribüne zwar bedauerlich, hinsichtlich ihrer derzeitigen Nutzung sei eine Tribüne mit derartiger Konstruktion nicht erforderlich, heißt es weiter. Man schlage deswegen vor, die Tribüne dem Erdboden gleich zu machen und das Areal zu pflastern – das koste dann lediglich um die 60.000 Euro.

Ein außergewöhnliches Bauwerk aus dem Jahr 1959

Das wäre für den Traditionsverein ein herber Verlust: „Denn damit verlieren wir eine Tribüne, die Charme hat und die einzigartig in ganz Essen ist“, sagt Frank Striewe, Jugendleiter beim BV Altenessen und appelliert an die Stadt, die ja selber von einem „außergewöhnliches Bauwerk“ spräche, dieses auch zu erhalten.

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Striewe, habilitierter Betriebswirtschaftler, hat ein ganz persönliches Verhältnis zum Verein, „hier wurde ich als Kind und Jugendlicher sozialisiert“. 2014 beschloss er, seinem Verein etwas zurückzugeben und ihn ehrenamtlich zu unterstützen. Damals sorgte der BVA 06 für jede Menge schlechter Schlagzeilen: Zum Höhepunkt weigerten sich 14 Kreisliga-Vereine gegen die als Prügel-Club verschrieene zweite Mannschaft anzutreten, weil sie sich von Spielern bedroht fühlten.

Knapp 400 Kinder trainieren an der Stankeitstraße

Das alles wollte man mit einer Neuaufstellung des Vorstandes hinter sich lassen, „wir haben gemeinsam einen Neubeginn gestartet und wollten alles besser machen“, sagt Geschäftsführer Frank Sossong. Und eigentlich war man auf einem guten Weg, bis im November 2019 die komplette II. Mannschaft des BV Altenessen ausrastete und den Schiedsrichter attackierte. „Das war ein Tiefschlag für uns, danach wurden alle Mannschaften abgemeldet und gesperrt“, sagt Frank Striewe.

Doch das kleine dreiköpfige Vorstandsteam macht weiter: Knapp 400 Kinder trainieren hier, plus 120 Erwachsene. „Gerade für die Kinder im Essener Norden sind wir ein fester Anker“, weiß Frank Striewe, „alle, die zu uns kommen, nehmen wir auf“. Darunter auch Fünf- und Sechsjährige, die immer alleine zum Training kommen würden. „Von der Hälfte unserer Kinder haben wir die Eltern noch nie gesehen.“ Die andere Hälfte sitze dagegen gerne bei Spielen auch auf der Tribüne, die Schutz vor Regen und Sonne bietet.

Doch der Verein kämpft nicht nur für seine Tribüne, sondern auch gegen den permanent auftretenden Vandalismus: Fast wöchentlich gibt es Einbrüche, Verschmutzungen auf der Anlage, wird auf den hölzernen Sitzbänken gezündelt, werden die Netze zerschnitten und der Kunstrasen zerstört. „Wir fühlen uns wirklich in vielerlei Hinsicht machtlos. Aber aufgeben werden wir nicht.“

Sportplatz wird auch vom Leibnizgymnasium genutzt

Der BV Altenessen 06 blickt auf eine ebenso lange wie wechselvolle Geschichte zurück. Seine größten sportlichen Erfolge feierte der BVA Mitte der 1920er Jahre. 1925/26 wurde die Mannschaft westdeutscher Vizemeister.

Auch das benachbarte Leibniz-Gymnasium wäre vom Abriss betroffen: Die Schule nutzt den Sportplatz tagtäglich für den Schulsport, aber auch für große Sportveranstaltungen, wie beispielsweise die Bundesjugendspiele oder Finalrunden von Schul-Fußballturnieren.

Anerkennung für sein gesellschaftspolitisches Engagement erhielt der Verein, als er 2010 den DFB-Integrationspreis bekam.