Essen. Das „Home Schooling“ schafft Wissenslücken und verschärft Ungleichheit unter Schülern. Eine Essener Mutter hat eine Online-Petition gestartet.

Wie geht es an den weiterführenden Schulen weiter nach den Sommerferien, die Mitte August enden? Eine Essener Mutter fordert: Schluss mit der Ungewissheit – jetzt müssten Konzepte her, die sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche weiter mit Erfolg unterrichtet werden – ganz gleich, ob zu Hause oder in der Schule.

Drei Szenarien – alle ohne langfristiges Konzept

„Derzeit gibt es drei Szenarien“, sagt Anna-Maria Savelsberg, Mutter zweier Söhne, die ein Essener Gymnasium besuchen. Die Juristin hat eine Online-Petition veröffentlicht, die sich eingehend mit dem Problem des „Home Schoolings“ auseinandersetzt.

Szenario eins: Nach den Ferien läuft wieder der reguläre Unterricht an. „Dann stellt sich die Frage, wie der ausgefallene Schulstoff nachgeholt werden soll.“

Szenario Nummer zwei: Es bleibt bei der Mischung aus Präsenz- und Internet-Unterricht, wie ihn derzeit die weiterführenden Schulen praktizieren. „Da kocht derzeit jede Schule ihr eigenes Süppchen, das ist nichts weiter außer Kraut und Rüben.“

Szenario Nummer drei: Die nächste Infektionswelle rollt an - und die Schulen werden wieder komplett geschlossen. Was das bedeutet, beschreibt Anna-Maria Savelsberg aus eigenem Erleben so: „Vor allem die Mütter haben plötzlich drei Jobs - ihre Erwerbsarbeit, Haushälterin und Lehrerin.“ Diese andauernde Mehrfachbelastung gefährde die Gesundheit der Eltern und in vielen Haushalten auch die berufliche Existenz. Und: „Mit jedem weiteren Tag wird die Bildungslücke der Schüler größer und hängt ihr Zugang zu Bildung noch stärker vom Elternhaus ab als bisher“, stellt Anna-Maria Savelsberg fest. „Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie es für die Schüler und ihre Familien nach den Sommerferien weitergeht, hat ganz offensichtlich noch nicht stattgefunden!“

Lehrer gehen davon aus, dass langfristig die Lehrpläne reduziert werden müssen

Dass auf die Schüler und Lehrer nach den Ferien eine enorme Wissenslücke wartet, gilt unter Praktikern längst als ausgemacht. Nur: Wie diese Lücke zu schließen ist, bleibt offen. Womöglich gar nicht? Lehrer und Schulleiter mutmaßen derzeit, dass bei einer Fortsetzung des „Home Schoolings“ auch nach den Ferien irgendwann die Lehrpläne angepasst und somit reduziert werden müssten. „Am kritischsten wird das bei der jetzigen Stufe Q1, die im Jahr 2021 Abi macht“, heißt es.

Anna-Maria Savelsberg fürchtet, dass dann die jetzigen G8-Jahrgänge an Gymnasien noch mehr Stoff in noch kürzerer Zeit verdauen müssten, um die Zeit des „Home Schoolings“ wieder wettzumachen. „Eine Lösung könnte sein, dass man sich auf die Hauptfächer konzentriert oder einfach ein Jahr dranhängt“, spekuliert die Mutter. „Doch darüber wird offen nicht diskutiert, dabei brauchen wir diese Debatte jetzt in aller Breite.“

Mutter will „Debatte anstoßen“

Nichts anderes wolle sie mit ihrer Petition, die bislang etwa 350 Menschen unterschrieben haben, erreichen: „Ich will eine Debatte anstoßen.“ Und in den Blick nehmen, dass Corona die Ungleichheit der Verhältnisse zementiert - nicht nur, was Zukunftschancen angeht, die von der sozialen Herkunft abhängen: „Automobilkonzerne, Lufthansa, die Deutsche Bahn – sie werden vom Bund unterstützt.“ Doch die Familien und vor allem die Mütter seien längst an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt.

Mutter Anna-Maria Savelsberg.
Mutter Anna-Maria Savelsberg. © Privat | Privat

Dringend müsse deshalb jetzt ein Konzept her, das beleuchtet, wie ein Wechsel aus Präsenz- und Internet-Unterricht aussehen kann; wie Schulen schneller und besser digital ausgestattet werden könnten; und wie Familien nachhaltig unterstützt werden könnten, denen es an Mitteln für Geräte fehlt.

„Es geht um unsere Schüler, ihre Zukunft – und damit um die Zukunft der ganzen Gesellschaft“, schreibt Anna-Maria Savelsberg. Zur Petition geht es hier.