Essen. Nach mehreren Straßenkämpfen im Essener Viertel Hörsterfeld spricht ein Lokalpolitiker von Organisierter Kriminalität. Die Polizei hält dagegen.
Nach zwei Straßenschlachten zwischen syrischen und libanesischen Familien in Essen-Horst, vier Großeinsätzen der Polizei, ebenso vielen vollstreckten Haftbefehlen gegen die mutmaßlichen Rädelsführer und der Sicherstellung von mehreren Kilogramm harter Drogen als auch Waffen liegt der beängstigende Befund für den Essener Ratsherrn Wilfried Adamy offenbar eindeutig auf der Hand:
Hinter den Hochhausfassaden der Wohnsiedlung Hörsterfeld verbirgt sich mittlerweile die "Organisierte Kriminalität", kurz "OK", verbreitet Adamy in den sozialen Netzwerken. Nur: Die Polizei widerspricht entschieden. Es gebe keine Erkenntnisse, die diese Einschätzung rechtfertigen könnten, heißt es.
Zwar sei bei einem der beiden von Spezialeinheiten unterstützten Zugriffe eine nicht unerhebliche Menge Rauschgift entdeckt worden, sagt Polizeisprecherin Sandra Steinbrock. Jedoch seien organisierte Strukturen, wie Adamy sie anprangert, nicht erkennbar. Die Polizei spreche von OK-Delikten bei Straftaten von erheblicher Bedeutung mit mehr als zwei Beteiligten und gewerblichen Strukturen, die bei ihrem Gewinn- und Machtstreben vor Gewalt, Einschüchterung als auch Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft nicht zurückschrecken.
So hoch will man die Zwischenfälle im Essener Präsidium nicht hängen
So hoch will man die Vorgänge und Zwischenfälle im Hörsterfeld im Essener Präsidium längst nicht hängen. Zumal die Tumulte ihren Ursprung auch nicht in möglichen Verteilungskämpfen um illegale Märkte haben sollen, sondern in einem länger schwelenden Zwist zweier verfeindeter Familien, dessen Auslöser wohl in einem früheren Beziehungsstreit zu liegen scheint, wie der Innenminister in der jüngsten Sitzung des Innenausschusses deutlich gemacht hatte.
Dennoch geht Adamy als Law and Order-Frontmann des "Essener Bürger Bündnisses - Freie Wähler" (EBB-FW) dieser Tage mit einer politischen Botschaft hausieren, die aus Sicht der Essener Behörde nicht nur jeder Grundlage entbehrt, wie deren Sprecherin Sandra Steinbrock betont, sondern auch zu weiterer Verunsicherung im Stadtteil führen kann.
"Keine einmaligen Vorfälle" im Essener Osten
"Leider bestätigt sich unsere Befürchtung, dass es sich hier im Essener Osten nicht um einmalige Vorfälle handelt, sondern um organisierte Kriminalität", lässt sich der Ratsherr vernehmen, um auch gleich die vermeintliche Lösung anzubieten: "Wir vom Essener Bürger Bündnis setzen uns gegen jede Form von Gewalt ein und befürworten konsequentes Einschreiten der Polizei und Präsenz des Ordnungsamtes im Hörsterfeld und der Steeler City." Kriminalität müsse offen angesprochen und angegangen werden.
Die Polizei zumindest ist nach eigenen Angaben dabei: Vier Haftbefehle haben die Behörden nach den zwei Massen-Tumulten im Stadtteil Horst bereits vollstreckt, und Ermittlungen gegen die an der Straßenschlacht weiteren Beteiligten laufen noch, wie Sandra Steinbrock betont. Lassen sich so Straftaten zweifelsfrei zuordnen, seien künftige Zugriffe in der Wohnsiedlung Hörsterfeld nicht auszuschließen.
Videoaufnahmen und Datenträger werden ausgewertet
Um genügend Material für denkbare weitere Haftbefehle zu finden, werden derzeit noch Videoaufnahmen des Gewaltausbruchs zwischen einer libanesischen und einer syrischen Familie aus dem Quartier wie auch Datenträger ausgewertet, die bei den Einsätzen mit Unterstützung von Spezialeinsatzkräften sichergestellt worden seien.
Nach den Gewaltausbrüchen am 27. April und 1. Mai im Hörsterfeld ermittelt die Polizei nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Essen nun gegen sieben mutmaßliche Randalierer im Alter von 23 bis 40 Jahren unter anderem wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und des besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs. Einige von ihnen hatten bis zum 27. April eine weiße Weste. Die Mehrzahl aber ist polizeibekannt.
In einer der Akten, so die Strafverfolger, finden sich gleich sechs Vorstrafen, zu deren Qualität die Behörden allerdings keine Angaben machen. Drei der Beschuldigten aus der libanesisch-palästinensischen Familie sind in Essen geboren und aufgewachsen.
Zuletzt hatte die Polizei am 29. Mai zwei Haftbefehle gegen einen 40 Jahre alten Libanesen und einen 64-Jährigen Staatenlosen vollstreckt. Zwei Wochen zuvor nahmen Spezialeinsatzkräfte zwei 27 und 32 Jahre alte Syrer fest. Alle vier Beschuldigten wurden in Untersuchungshaft geschickt.